398 VASA SACRA. DRITTER ABSCHNITT. DIE MONSTRANZ
bietet eine gleichfalls eine Sakramentsprozession darstellende, von Lacroix (84)
veröffentlichte Miniatur des bei dem Aufstand der Kommune 1871 verbrann-
ten Stundenbuches Juvenals des Ursins, Erzbischofs von Reims (-}-i473). Die
auf ihr wiedergegebene Monstranz wird von zwei Priestern getragen und hat die
Form eines baldachinartigen, vierseitigen, mit Streben an den Ecken besetzten
ständerlosen Gehäuses. Sie ist nicht frei von Verzeichnungen, doch kann nicht
bezweifelt werden, daß sie eine Monstranz der Art wiedergibt, wie sie neben
Monstranzen anderer Form im i5. Jahrhundert in Frankreich zur Verwendung
gekommen sein muß.
Auch in den schriftlichen Quellen ist von ständerlosen Monstranzen die Rede. So in einem
Inventar der Kapelle Karls des Kühnen von i.'io'i: Item un petit reliquiaire sang pie
d'argent dor§ ä porter corpus Christi en deux lunettes de rerre et un crucifiement dessus;
in einem Inventar der Kathedrale zu Lincoln aus der Zeit der Beschlagnahme des Kirchen-
schatzes durch die Habgier Heinrichs VIII.: Item one great feretrum, silver and gilt, with
one cross isle and one steeple in the middle and one cross in the top, with XX pinnacles
and an image of our Lady in one end et an image of saint Hugo in the other end, having
in length half a yard and one inch {= 45,75 cm) and it is set in a table of wood and a
tbing in the middle to put in the sacrament when it is borne, weiglung. 34i onces (=cirka
9 Kilo), (85) in einem Inventar von St. Albans von etwa 1/100: Ilna turris argentea et de-
aurata in qua corpus Christi defertur et perspicue videri potest a plebe; habetur etiani in
eadem turri in parte inferiori de argento deaurato resurrectio Christi cum duobus angelis
et quatuor militibus custodientibus sepulcrum; (86) sowie in einem Ordinarium der Kathe-
drale von Honen aus dem i!t. oder i5. Jahrhundert, in dem wir von einem feretrum —
von einein standerlosen Behälter von der Form der auch feretrum genannten schreinarti-
gen Reliquienbehälter, wie es scheint — hören, in dem bei der Fronleichnamsprozcssion
von zwei Priestern das Allerheiligste umhergetragen wurde. (87) Aus den Inventaren von
Lincoln und St. Albans ergibt sich, daß solche Monstranzen auch in England in Gebrauch
waren. Von der Monstranz zu St. Albans die in der zweiten Hälfte des i/|.'Jahrhunderts
entstand, heißt es in den Gesta abbatum 'S. Albani: (88) Fecit (Abt Thomas i34q—3iq6)
quoddam pulcherrimum tabernaculum argenteurn et deauratum, duobus beryllis et phiribus
pretiosis lapidihus redimitum pro ipsa resurrectione Dominica in festo corporis Christi a
quatuor sacerdoübus in processione deportanda in quo corpus Christi honorifice deponitur
et per beryllos a eunetis perspicue videtur. Die Angaben, die wir hier und im Inventar von
ca. i4oo von ihr erhalten, erinnern an die ständerfose Monstranz zu Ratibor, von der weiter
unten die Rede sein wird.
Eine größere Verbreitung dürfte die ständerlose Monstranz im Mittelalter
nicht gefunden haben; weil die Mittel meist nicht reichten, eine solche zu be-
schaffen, namentlich aber, weil sie zu wenig handlich waren; in nachmittelalter-
licher Zeit aber wird kaum mehr eine hergestellt worden sein, mit Ausnahme
freilich von Spanien, wo seit dem i5. Jahrhundert bis in die Spätrenaissance
hinein eine erhebliche Zahl ständerloser Monstranzen, custodia de asiento,
Stehmonstranz genannt im Gegensatz zu der mit Ständer versehenen, als custo-
dia portatil, c. de mano, c. pequena, Trag-, Hand-, kleine Monstranz bezeich-
neten Monstranz gewöhnlicher Form entstanden.
(84) La vie militaire et religieuse au moyen äge (Paris 1877) 255.
(85) Düchale I, 1278. (86) Rii.ey II, 334.
(87) M.147, 123; vgl. auch das ebd. 117 über die Palmprozession und 120 Über die Ro-
gationsprozessionen Gesagte. (88) H. Th. Riley Gesta abb. s. Albani III (London 1869) 383.
bietet eine gleichfalls eine Sakramentsprozession darstellende, von Lacroix (84)
veröffentlichte Miniatur des bei dem Aufstand der Kommune 1871 verbrann-
ten Stundenbuches Juvenals des Ursins, Erzbischofs von Reims (-}-i473). Die
auf ihr wiedergegebene Monstranz wird von zwei Priestern getragen und hat die
Form eines baldachinartigen, vierseitigen, mit Streben an den Ecken besetzten
ständerlosen Gehäuses. Sie ist nicht frei von Verzeichnungen, doch kann nicht
bezweifelt werden, daß sie eine Monstranz der Art wiedergibt, wie sie neben
Monstranzen anderer Form im i5. Jahrhundert in Frankreich zur Verwendung
gekommen sein muß.
Auch in den schriftlichen Quellen ist von ständerlosen Monstranzen die Rede. So in einem
Inventar der Kapelle Karls des Kühnen von i.'io'i: Item un petit reliquiaire sang pie
d'argent dor§ ä porter corpus Christi en deux lunettes de rerre et un crucifiement dessus;
in einem Inventar der Kathedrale zu Lincoln aus der Zeit der Beschlagnahme des Kirchen-
schatzes durch die Habgier Heinrichs VIII.: Item one great feretrum, silver and gilt, with
one cross isle and one steeple in the middle and one cross in the top, with XX pinnacles
and an image of our Lady in one end et an image of saint Hugo in the other end, having
in length half a yard and one inch {= 45,75 cm) and it is set in a table of wood and a
tbing in the middle to put in the sacrament when it is borne, weiglung. 34i onces (=cirka
9 Kilo), (85) in einem Inventar von St. Albans von etwa 1/100: Ilna turris argentea et de-
aurata in qua corpus Christi defertur et perspicue videri potest a plebe; habetur etiani in
eadem turri in parte inferiori de argento deaurato resurrectio Christi cum duobus angelis
et quatuor militibus custodientibus sepulcrum; (86) sowie in einem Ordinarium der Kathe-
drale von Honen aus dem i!t. oder i5. Jahrhundert, in dem wir von einem feretrum —
von einein standerlosen Behälter von der Form der auch feretrum genannten schreinarti-
gen Reliquienbehälter, wie es scheint — hören, in dem bei der Fronleichnamsprozcssion
von zwei Priestern das Allerheiligste umhergetragen wurde. (87) Aus den Inventaren von
Lincoln und St. Albans ergibt sich, daß solche Monstranzen auch in England in Gebrauch
waren. Von der Monstranz zu St. Albans die in der zweiten Hälfte des i/|.'Jahrhunderts
entstand, heißt es in den Gesta abbatum 'S. Albani: (88) Fecit (Abt Thomas i34q—3iq6)
quoddam pulcherrimum tabernaculum argenteurn et deauratum, duobus beryllis et phiribus
pretiosis lapidihus redimitum pro ipsa resurrectione Dominica in festo corporis Christi a
quatuor sacerdoübus in processione deportanda in quo corpus Christi honorifice deponitur
et per beryllos a eunetis perspicue videtur. Die Angaben, die wir hier und im Inventar von
ca. i4oo von ihr erhalten, erinnern an die ständerfose Monstranz zu Ratibor, von der weiter
unten die Rede sein wird.
Eine größere Verbreitung dürfte die ständerlose Monstranz im Mittelalter
nicht gefunden haben; weil die Mittel meist nicht reichten, eine solche zu be-
schaffen, namentlich aber, weil sie zu wenig handlich waren; in nachmittelalter-
licher Zeit aber wird kaum mehr eine hergestellt worden sein, mit Ausnahme
freilich von Spanien, wo seit dem i5. Jahrhundert bis in die Spätrenaissance
hinein eine erhebliche Zahl ständerloser Monstranzen, custodia de asiento,
Stehmonstranz genannt im Gegensatz zu der mit Ständer versehenen, als custo-
dia portatil, c. de mano, c. pequena, Trag-, Hand-, kleine Monstranz bezeich-
neten Monstranz gewöhnlicher Form entstanden.
(84) La vie militaire et religieuse au moyen äge (Paris 1877) 255.
(85) Düchale I, 1278. (86) Rii.ey II, 334.
(87) M.147, 123; vgl. auch das ebd. 117 über die Palmprozession und 120 Über die Ro-
gationsprozessionen Gesagte. (88) H. Th. Riley Gesta abb. s. Albani III (London 1869) 383.