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Braun, Joseph
Das christliche Altargerät in seinem Sein und in seiner Entwicklung — München, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.2142#0469

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ZWEITES KAPITEL. ALTER UND BESCHAFFENHEIT 447

Weiterhin geben uns die früher angeführten Belege Antwort auf die Frage,
wann und wo das Kelchlöffelchen in Gebrauch gekommen sein wird und von
wo aus es sich demnach in der Folge auch anderswo einbürgerte. Denn stammen
die ältesten derselben erst aus dem späten i3. Jahrhundert und gibt es keine
früheren, dann folgt daraus, daß es erst im Verlauf der zweiten Hälfte einge-
führt wurde. Sind es aber nordfranzösische Quellen, die uns von ihm die erste
Kunde bringen und hatte es im Norden Frankreichs bereits in der ersten Hälfte
des i4. Jahrhunderts weite Verbreitung gefunden, dann läßt das keinen Zweifel
daran, daß es der Norden Frankreichs war, wo es zuerst in Gebrauch genom-
men wurde. Es waren ersichtlich lediglich praktische Gründe, was seine Ein-
führung veranlaßte.

Endlich erfahren wir aus den Angaben der Inventare, aus welchem Material
das Löffelchen im Mittelalter vornehmlich gemacht zu werden pflegte. Wir
ersehen aus ihnen nämlich, daß es gewöhnlich aus Silber, vereinzelt sogar aus
Gold hergestellt wurde. Bestand es aus Silber, so war es bald unvergoldet, bald
vergoldet.

Von der Größe, die dem Löffelchen im Mittelalter eignete, hören wir nichts.
Es kann jedoch auch schon damals nicht groß gewesen sein, da es sonst für
seinen Zweck nicht brauchbar gewesen wäre. Ein Löffelchen, von dem im In-
ventar der Kathedrale zu Amiens von i^io, die Rede ist, faßte fast nur einen
dicken Tropfen. (2)

Erbalten hat sich ein spätmittelalterHches Kelchlöffeichen aus vergoldetem Silber in der
Kirche St. Maria in der Kupfergasse zu Köln. Das kleine runde Löffelschälchen ist 31 mm
breit; die Gesamtlänge des Löffelchens beträgt einschließlich des 35 mm hohen gegossenen
Statuettchens der Gottesmutter 8,5 cm (Tafel 84). Auf Tafel 143 ist ein Kelchlöff eichen
aus dem Schatz Albrechts von Mainz wiedergegeben, das im Hallesehen Heiltumbuch abge-
bildet ist. Schon von der Renaissance beeinflußt, entstammte es dem Anfang des 16. Jahr-
hunderts. Kein Kelchlöffelchen ist dagegen ein auf dem Ende des Stieles ein Heiligenfigür-
cben tragender spätgotischer Löffel im' Diözesanmuseum zu Lüttich. Seine Länge und mehr
noch die Größe seiner Schale schließen einen solchen Charakter aus und erweisen ihn un-
schwer als einen profanen Löffel. (3)

Eine größere Verbreitung erfuhr das Kelchlöffelchen außerhalb Frankreichs
erst in nachmittelalterlicher Zeit, näherhin erst in der Zeit des Barocks, ins-
besondere auch in Deutschland. Es ist bemerkenswert, daß noch in keinem der
sehr einlässigen Inventare aus dem letzten Viertel des 16. Jahrhunderts von ihm
die Rede ist. Aber auch Myller erwähnt es in seinem Ornatus ecclesiasticus von
i5j)i noch nicht. Selbst die Breslauer Visitationsprotokolle des 17. Jahrhun-
derts kennen noch kein Kelchlöffelchen; wenigstens wird, wo sie jeweilig das
vorhandene Altar- und Kirchengerät verzeichnen, nie seiner gedacht.

(2) Gay I, 513. (3) Abb in L. vom Fisenne, Kd. des Mittelalt. im Gebiet der Maas I
(Aachen 1887) Tfl. 2.
 
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