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Braun, Joseph
Das christliche Altargerät in seinem Sein und in seiner Entwicklung — München, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.2142#0475

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DRITTES KAPITEL. MATERIAL UND FORM 453

Wiederholt vernehmen wir von Seihern, die aus Gold angefertigt waren, wie
z. B. im ersten und dritten römischen Ordo, im Testament des Grafen Eberhard
von Cysoing, im Inventar der Westminsterkirche zu London von i388 sowie
im Verzeichnis der Schätze des Domes zu Mainz von n5o. Einen mit Edel-
steinen verzierten Seiher aus Gold verzeichnet das Inventar von Prüm aus dem
Jahre ioo3, zwei von gleicher Beschaffenheit das Inventar des Domes zu Bam-
berg von 1127.(1)

Von der Form des liturgischen Seihers sprechen die Inventare nur sehr selten
und auch in diesen wenigen Fällen mehr andeutungsweise als eingehend. Daß
er die Gestalt eines Löffels zu haben pflegte, erhellt aus den Namen coclear,
cuiller, mit denen man ihn mancherorts zu bezeichnen pflegte. Von den kleinen
Löchlein seiner Schale ist beispielsweise die Rede in den Gesta episcoporum
Genomanensium, dem Inventar ClemensV. von i3ii, dem Inventar der Ka-
thedrale von Chälons-sur-Marne, dem Inventar der Kathedrale von Soissons
von i5a3 und dem Inventar von St-Denis von i5o5; von der manica oder dem
manubrium, dem Stiel des Seihers, im Inventar des Apostolischen Stuhles
von 1295, in dem auch ein Seiher mit Stiel zum Schließen, das ist wohl mit
zusammenklappbarem Stiel, cum manica quae recluditur erwähnt wird. Aus
dem gleichen Inventar erhellt ferner, daß es Seiher mit Deckel gab. Von einem
Ring, den man am oberen Ende des Stieles anbrachte, damit man mittels des-
selben den Seiher am kleinen Finger tragen könne, berichten der sechste Ordo
Mabillons, Theophilus in seiner Schedula diversarum artium sowie das Inven-
tar von Laon von iöa3; von Seihern, die ein Knäufchen am oberen Ende des
Stieles aufweisen, vernehmen wir im Inventar des Apostolischen Stuhles von
1295: Cum pomello in extremitate manubrii, und im Inventar Clemens' V.

Eine ausführliche Beschreibung des Seihers, seiner Form wie seiner Größe, erhalten wir
im 56. Kapitel des dritten Buches der Schedula des Theophilus, das von der Herstellung des
colatorium handelt. »Einen goldenen oder silbernen Seiher,- so lesen wir dort, -mache auf
folgende Weise. Treibe eine kleine Schale von der Form eines mäßig großen Beckens, die
nur eine Weite von etwas mehr als einer Handbreite hat. Bringe dann einen, eine Elle
langen und einen Daumen breiten Stiel an demselben an, der an einem Ende mit einem
reinst ziselierten Löwenkopf, der die Schale in seinem Maule hält, abschließt, am andern
Ende niit einem Kopf gleicher Art, in dessen Maul ein Ring hängt, mittels dessen das cola-
torium am Finger getragen werden kann, und der zwischen den beiden Köpfen mit Niello
sowie an geeigneter Stelle mit Gußarbeit, Punzierarbeit und gravierten Inschriften ver-
ziert werden möge. Die an dem einen Ende befindliche Schale aber muß in der Mitte in
einem zwei Fingerbreiten im Durchmesser haltenden Rund mit ganz feinen Löchlein ver-
sehen werden, um mittels derselben den Wein und das Wasser, die behufs Konsekration
des Blutes des Herrn in den Kelch gegossen werden, zu seihen.- (2)

Liturgische Seiher aus altchristlicher Zeit und dein Mittelalter haben sich, wie eingangs
schon gesagt wurde, im Westen nicht erhalten. Denn daß der silberne Seiher, der mitsamt
einem altchristlichen Löffel, einer altchristlichen Ampulla und einer altchristlichen zum
l-mhängen eingerichteten Flasche unter vielem nichtchristlichem Gerät zu Taprain Law
Ja Schottland gefunden wurde, und durch das von den Löchlein im Boden gebildete Mono-
gramm des Namens Christus ebenfalls als altchristlich gekennzeichnet ist, liturgischen
Zwecken geaient habe, ist unbeweisbar. Sicher hatten keinen liturgischen Charakter der in1

(t) Vgl. bezuglich des Materials der Seiher die früher angeführten Stellen S. 448 f.
(2) Ilo 243.
 
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