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Braun, Joseph
Das christliche Altargerät in seinem Sein und in seiner Entwicklung — München, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.2142#0601

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ZWEITES KAPITEL. MATERIAL UNI) ARTEN 579

Breslau von 166C. (9a) Von den cymbala in St. Michael unterscheiden sich die des Barock da-
durch, daß das Gehäuse, in dem die Glöckchen angebracht sind, nicht eine Art bauchigen,
oben offenen Korb darstellt, sondern bald die Form einer Kalotte, bald die eines mit
flachem oder gewölbtem Deckel versehenen niedrigen Zylinders oder abgestumpften Kegels,.
also die einer Glocke hat, stets aber nicht nur oben und an den Seiten durchbrochen,
sondern auch unten offen ist.

Von Altar glöckchen in Gestalt von Handglöckchen erster Form hat sich aus dem Mittel-
alter fast nichts erhalten. Ein Beispiel romanischen Stiles, das jedoch heute der Handhabe
entbehrt, befindet sich in der Kathedrale zu Reims. Reicht es noch in das ia. Jahrhundert
zurück, dann wird es schwerlich ursprünglich ein Altarglöckchen gewesen sein, wenn es auch
später als solches verwendet worden sein mag. Es zeigt oberhalb des Schlagringe» zwei
durch ein schmales Band mit den eingravierten Namen der Evangelisten getrennte durch-
brochene Zonen, von denen die untere die Evangelistensymbole, die durch Bäumchen ge-
schieden werden, die oben romanisches Rankenwerk enthält. Das Material, aus dem es be-
steht, ist Bronze. (10) Ein spätgotisches, mit den Monogrammen der Namen Jesus und
Maria geschmücktes, ebenfalls aus Bronze hergestelltes Beispiel hat sich zu Mayschoß
(Kr. Ahrweiler) erhalten. (11) Andere, die sich zu Jenkhofen, Milbertshofen, Abensberg,
Obcrdingolfing in Bayern sowie zu Oberwesel sich befunden haben sollen, scheinen nicht
mehr vorhanden zu sein. Ein eigentümliches Mittelding zwischen den Handglöckchen des
ersten und des zweiten Typus befindet sich in der Kapelle der Burg Karlstein bei Prag.
Mit dem ersten hat es gemein, daß es nur eine Glocke aufweist, mit dem zweiten, daß diese
Glocke in einem von vier schrägstehenden, oben sich vereinigenden Stangen gebildeten und
mit einer Handhabe versehenen Gestell aufgehängt ist. (12)

Einige Beispiele aus der Zeit der Renaissance gibt es im Bischöflichen Museum zu Mün-
ster. Alle bestehen aus Bronze. Am bemerkenswertesten ist das auf Tafel 116 wiedergegebene.
Am Mantel zeigt es oben die Inschrift: Lov Got boven, darunter den Engel der Verkündi-
gung und Maria nebst dem Engelsgruß: Ave gratia plena, unten am Schlagring den Gieß-
vermerk: Ghegoten int jaer MDLVI. Alle Inschriften sind trotz der späten Entstehungszeit
des i3cm hohen Glöckchens noch in schönen gotischen Majuskeln ausgeführt. Ein Re-
naissancebeispiel im Dom zu Regensburg von i5fi8 zeigt am Mantel die Umschrift: 0 Mater
Dei, memento mei, darunter aber mythische Darstellungen. (13)

Auch wenn an der Wand befestigt, trat das Altarglöckchen in zwei Typen
auf, von denen der erste dem ersten Typus der Handglocke, der zweite dem
zweiten derselben entsprach. Denn auch die Wandglocke des ersten Typus be-
stand nur aus einem Glöckchen, das durchweg allerdings größere Abmessungen
zeigte, die des zweiten aber aus einer Anzahl kleinerer, die jedoch nicht in einem
mit Handhabe versehenen Gehäuse, sondern an einem Rad, das durch eine Zieh-
vorrichtung um seine Achse gedreht werden konnte, befestigt waren, daher
denn auch dieser Typus Glockenrad genannt zu werden pflegt. In der Regel
hatte das Rad Kreisform, daß es aber auch sternförmige gab, bekundet das im
Dom zu Fulda befindliche. Von kreisförmigen Glockenrädern haben sich in
Deutschland zwei erhalten, von denen eines sich im Bayerischen National-
museum zu München, das andere in der Pfarrkirche zu Landsberg befindet.

Jenes, das aus dem Augsburger Dom stammt, gehört noch dem Mittelalter an. Die
Glöckchen, ursprünglich zwölf, von denen jedoch heute ein Teil fehlt, sind bei ihm an
zwei aus Eisen geschmiedeten Reifen angebracht, die durch vier Speichen verbunden und
an der Innenseite mit einem Bogenfries verziert sind. Die Glöckchen bestellen aus Bronze.

(9a) Jungnitz I, 299. (10) Abb. in Ann. archeol. I (1844) 459.

(11) Kd. des Rgb. Koblenz 67. (12) Abb. in Mitt. VII (1862) 94. (13) G. Jakob, Die
Kunst im Dienst der Kirche (Landshut 1901) 234.
 
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