ZWEITES KAPITEL. IM WESTEN. IL ALTER UND DAUER 651
6. Phitacia, dyadema. Unter der Bezeichnung philacia (=phylacterium) er-
scheint der liturgische Fächer in einem Inventar der Kathedrale zu Angers von
1286: Item duae philaciae rotundae de argento cum baculis coopertis de ar-
gento. Daß es sich bei ihnen nicht um Reliquiare handelt, die vielfach phylac-
teria genannt wurden, sondern um liturgische Fächer, ergibt sich aus dem Ein-
trag eines Inventars der Kathedrale von 1255, in welchem diese philaciae fa-
bella (= fIabella) genannt werden: Item duo f abella argentea deaurata cum la-
pidibus et baculis argenteis. (38) Im Inventar von 1^21 heißen die fabella bzw.
philaciae dyadema: Item unum dyadema per modum patenae, in quo sunt
28 lapides, item aliud dyadema fractum, in quo sunt 9 lapides et vocatur dya-
dema Vetus Testamentum. Das Inventar von i/ioS verzeichnet nur mehr eines
dieser dyademata: Item quoddam dyadema cum baculo argenteo et in eo quaedam
crux figuratur et circulus ille in modum dyadematis; (39) eine Beschreibung,
die diese dyademata, philaciae, fabella als verschiedenen noch vorhandenen
mittelalterlichen sogenannten Scheibenkreuzen gleichartig erscheinen läßt.
7. Rotula. Nicht ganz sicher ist, ob die zwei rotulae magnae cum ^2 esmal-
tis in auro pond. 2 marc, die im Inventar des Apostolischen Stuhles von I2a5
aufgeführt werden, als Fächer aufzufassen sind. Was dafür spricht ist der Um-
stand, daß sie zusammen mit den ventilabra und den cherubini (40) aufgeführt
werden. Allein auch wenn sie Fächer waren, folgt daraus noch nicht, daß sie
liturgischen Zwecken zu dienen hatten. Ein profanes, zum Gebrauch im All-
tagsleben bestimmtes Gerät werden sie allerdings nicht gewesen sein, sie mö-
gen aber ein Gegenstück zu den cherubini des Inventars, auf die sie in demsel-
ben folgen, gebildet haben, sich also gleich diesen cherubini zu den liturgi-
schen Fächern verhalten haben wie die Tiara, Hauptschmuck des Papstes bei
seinen feierlichen Aufzügen, zu der Mitra, der liturgischen Kopfbedeckung
desselben bei gottesdienstlichen Feiern. (41)
II. ALTER UND DAUER DER VERWENDUNG DES FÄCHERS
IM LATEINISCHEN RITUS
Einen liturgischen Fächer hat es, anders wie im Osten, im Westen weder in
altchristlicher Zeit noch im frühen vorkarolingischen Mittelalter gegeben, we-
nigstens hören wir hier bis zur Karolingerzeit nie von einem solchen.
Wenn es bei Rohault de Fleury heißt: Saint Fulgence (7 533), lorsqu'il 6tait encorc
anachorete, est dit avoir fait an eventail pour l'usage d'aulel, (42) so hat dieser es ersichtlich
für überflüssig gehalten, nachzusehen, was der Biograph des Heiligen sagt. Denn er würde
in diesem Falle gefunden haben, daß Fulgentius als Mönch allerdings Fächer aus Palm-
blattern zu flechten pflegte, daß wir aber von einem Fächer, den er zur Verwendung beim
heiligen Opfer angefertigt hätte, kein Wort hören. Die von dem Heiligen gemachten Fächer
dienten zum Gebrauch im Alltagsleben. Wenn ferner Johannes Moschus von einer höclist
legendenhaften Begebenheit erzählt, die sich bei der Feier einer Messe zur Zeit des Papstes
Agapet (+536) zu Rom ereignen haben sollte, und dabei von einem Diakon mit Fächer
(38) Revue XXXI (1883) 391. (39) Ebd. (40) Vgl. oben S. 648.
(41) Was unter den rotae duae in einem Inventar der Klosterkirche zu Sflsteren Von
^74 (L. vo>- FiSEKHE, Kunstdenkm. des Mittelalters [Aachen 1880] 1. Serie, 2. Lief. 7) zu
verstehen ist, ob flabella oder etwa Radleuchter, ist der knappen Angabe des Inventars
nicht zu entnehmen und muß deshalb dahingestellt bleiben. (42) La messe IV, 126.
6. Phitacia, dyadema. Unter der Bezeichnung philacia (=phylacterium) er-
scheint der liturgische Fächer in einem Inventar der Kathedrale zu Angers von
1286: Item duae philaciae rotundae de argento cum baculis coopertis de ar-
gento. Daß es sich bei ihnen nicht um Reliquiare handelt, die vielfach phylac-
teria genannt wurden, sondern um liturgische Fächer, ergibt sich aus dem Ein-
trag eines Inventars der Kathedrale von 1255, in welchem diese philaciae fa-
bella (= fIabella) genannt werden: Item duo f abella argentea deaurata cum la-
pidibus et baculis argenteis. (38) Im Inventar von 1^21 heißen die fabella bzw.
philaciae dyadema: Item unum dyadema per modum patenae, in quo sunt
28 lapides, item aliud dyadema fractum, in quo sunt 9 lapides et vocatur dya-
dema Vetus Testamentum. Das Inventar von i/ioS verzeichnet nur mehr eines
dieser dyademata: Item quoddam dyadema cum baculo argenteo et in eo quaedam
crux figuratur et circulus ille in modum dyadematis; (39) eine Beschreibung,
die diese dyademata, philaciae, fabella als verschiedenen noch vorhandenen
mittelalterlichen sogenannten Scheibenkreuzen gleichartig erscheinen läßt.
7. Rotula. Nicht ganz sicher ist, ob die zwei rotulae magnae cum ^2 esmal-
tis in auro pond. 2 marc, die im Inventar des Apostolischen Stuhles von I2a5
aufgeführt werden, als Fächer aufzufassen sind. Was dafür spricht ist der Um-
stand, daß sie zusammen mit den ventilabra und den cherubini (40) aufgeführt
werden. Allein auch wenn sie Fächer waren, folgt daraus noch nicht, daß sie
liturgischen Zwecken zu dienen hatten. Ein profanes, zum Gebrauch im All-
tagsleben bestimmtes Gerät werden sie allerdings nicht gewesen sein, sie mö-
gen aber ein Gegenstück zu den cherubini des Inventars, auf die sie in demsel-
ben folgen, gebildet haben, sich also gleich diesen cherubini zu den liturgi-
schen Fächern verhalten haben wie die Tiara, Hauptschmuck des Papstes bei
seinen feierlichen Aufzügen, zu der Mitra, der liturgischen Kopfbedeckung
desselben bei gottesdienstlichen Feiern. (41)
II. ALTER UND DAUER DER VERWENDUNG DES FÄCHERS
IM LATEINISCHEN RITUS
Einen liturgischen Fächer hat es, anders wie im Osten, im Westen weder in
altchristlicher Zeit noch im frühen vorkarolingischen Mittelalter gegeben, we-
nigstens hören wir hier bis zur Karolingerzeit nie von einem solchen.
Wenn es bei Rohault de Fleury heißt: Saint Fulgence (7 533), lorsqu'il 6tait encorc
anachorete, est dit avoir fait an eventail pour l'usage d'aulel, (42) so hat dieser es ersichtlich
für überflüssig gehalten, nachzusehen, was der Biograph des Heiligen sagt. Denn er würde
in diesem Falle gefunden haben, daß Fulgentius als Mönch allerdings Fächer aus Palm-
blattern zu flechten pflegte, daß wir aber von einem Fächer, den er zur Verwendung beim
heiligen Opfer angefertigt hätte, kein Wort hören. Die von dem Heiligen gemachten Fächer
dienten zum Gebrauch im Alltagsleben. Wenn ferner Johannes Moschus von einer höclist
legendenhaften Begebenheit erzählt, die sich bei der Feier einer Messe zur Zeit des Papstes
Agapet (+536) zu Rom ereignen haben sollte, und dabei von einem Diakon mit Fächer
(38) Revue XXXI (1883) 391. (39) Ebd. (40) Vgl. oben S. 648.
(41) Was unter den rotae duae in einem Inventar der Klosterkirche zu Sflsteren Von
^74 (L. vo>- FiSEKHE, Kunstdenkm. des Mittelalters [Aachen 1880] 1. Serie, 2. Lief. 7) zu
verstehen ist, ob flabella oder etwa Radleuchter, ist der knappen Angabe des Inventars
nicht zu entnehmen und muß deshalb dahingestellt bleiben. (42) La messe IV, 126.