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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0231
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Vordere Rumpfwand als Ganzes.

Druck das Übergewicht bekommt. Die kostale Atmung leidet ebenfalls, weil die
Vergrößerung des Brustraumes ausgeglichen wird durch Nachsteigen des nach oben
gedrängten gelähmten Zwerchfells. Es ist aber nicht richtig, wie manche Autoren
annehmen, daß das normale Zwerchfell lediglich die Aufgabe habe, dem Zug des
Brustkorbes Widerpart zu halten. Daß im Gegenteil die kostale Atmung, die nach
dieser Annahme obligatorisch sein müßte, beim ruhigen Atmen des Erwachsenen
keine merkliche Rolle spielt, lehrt jedes gute Orthodiagramm (Abb. 117, 118) und
übrigens auch der direkte Augenschein auf dem Röntgenschirm. Beweisend ist
der phreniko-kostale Winkel, der sich nicht vergrößert.

Bei Röntgenbildern ist das Centrum tendineum nicht voll sichtbar, weil der
Wirbelsäulen- und Herzschatten im Wege sind. Bei schräger Durchleuchtung und
kleinem Herzen kann man jedoch soviel von ihm sehen, um sicher zu sein, daß es
bei ruhigem Atmen fast gar nicht, bei forcierter Atmung stark bewegt wird.
Der Zwerchfellschatten im Röntgenbild ist scheinbar geknickt (Abb. 117 und 118).
weil die beiden Kuppeln perspektivisch zur Ansicht kommen (ganz anders wie im
Frontalschnitt, Abb. 112). Besonders bei schräger Durchleuchtung stehen die Zwerch-
fellkuppeln in sehr verschiedenen Niveaus ähnlich zwei Bergkuppen, die sich in
der Landschaft je nach dem Standort des Beschauers gegeneinander verschieben.
Die Stellung der Zwerchfellpfeiler ist besonders zu beachten. Bei schräger Durch-
leuchtung steht einer mit der Fläche senkrecht, der andere parallel zur Richtung
der Strahlen. Man sieht deshalb den ersteren gar nicht, den letzteren als einen
Streifen, der die betreffende Kuppel nach unten verlängert. Man kann sich nach
Abb. 107 leicht eine plastische Vorstellung von den in Betracht kommenden
perspektivischen Verkürzungen machen. (Hier ist von der in der Röntgenliteratur
leider üblichen Bennenung der Bilder nach der Richtung der Strahlen ganz ab-
gesehen. Ansichten wie Abb. 117 und 118 sind für uns Frontalansichten. Die
Strahlen, welche sie erzeugen, gehen allerdings in sagittalen Ebenen durch den
Körper hindurch; es ist mißverständlich, deshalb von Sagittalbildern zu sprechen
oder Sagittalansichten des Körpers wegen des Strahlenganges als Frontalbilder zu
bezeichnen, Benennungen der Röntgenologen, welche das rein Technische unbe-
rechtigt vorzudrängen suchen.)
Thorax- Wegen der Beziehungen der Brustkorbform zur Atmung wird für die Be-

una Kon- Erteilung des Normalen ein gewisser Wert auf den größten Thoraxumfang und
stitutions- besonders auf die Differenz zwischen diesem Maß bei tiefster In- und Exspiration
index gelegt. Es ist ein konstitutionelles Merkmal von starker individueller Variation.
Beim gesunden Erwachsenen sollte der Brustumfang auch bei Exspiration größer
als die halbe Körpergröße sein. Seine relative Größe ist beim Kind die gleiche
wie bei dem Erwachsenen, nur in den Entwicklungsjahren (10.—17. Jahr) über-
steigt der Brustumfang die halbe Körpergröße nicht, weil dann die Streckung des
Körpers vorübergehend im Tempo überwiegt (S. 17). Weniger ist auch hier nicht
günstig für die Lungenkapazität, die mit jedem Zentimeter Umfang um 79 ccm
steigt und fällt (bei großen Umfangen sogar um 112 ccm).

.Man hat den Brustumfang zur Berechnung eines Konstitutionsindex
benutzt. Die Körpergröße (in Zentimetern) wird dividiert durch Brustumfang (in
Zentimetern) plus Körpergewicht (in Kilogrammen). Die besten Maße liegen
zwischen 11 und 30. Ist der Index größer als 35, so gilt die Grenze der Militär-
tauglichkeit in Deutschland für überschritten.

Auch die Versicherungsmedizin legt Wert auf die Brustumfangmaße, weil
sie bei Tuberkulösen in der Regel gegenüber der Norm erheblich vermindert sind.
 
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