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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0232

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D. Spezielle Bewegiingsapparate der oberen Extremität.

[. Die Schulter und die zu ihr gehörigen Teile des Stammes

(Brustschulterapparat).

1. Der ursprüngliche Typus des Schultergürtels als Vorläufer des Zustandes

beim Menschen.

Beide Extremitäten sind in ihrer besonderen Weise mit dem Rumpf ver- Definition
ankert. Die Hüftbeine, welche zur unteren Extremität gehören, sind mit dem Schulter-
Kreuzbein zu einem Ring, dem Becken, vereinigt. Dort sind Wirbelsäule und aPParates
Extremität in feste Verbindungen getreten. Bei der oberen (vorderen) Glied- X
masse ist dagegen nur an einer Stelle des Brustbeins eine Knochenhaft zwi-
schen Rumpf- und Extremitätenskelett vorhanden (Abb. 9). Die Wirbelsäule
ist bei ihr frei gegen die Gliedmassenknochen. Dagegen stehen sehr ausgiebige
Muskel Verbindungen zwischen Extremität und Rumpf im Vordergrund. Sie
sind entweder von der Extremität aus auf den Rumpf bis zur Wirbelsäule und
zum Brustbein vorgedrungen (trunkopetale Muskeln, orange) oder umgekehrt
vom Rumpf zur Extremität gewandert (trunkofugale Muskeln, gelb). So ist
die wesentliche Verankerung der vorderen Extremität am Stamm unseres Kör-
pers eine muskulöse; die Wirbelsäule, der Brustkorb, der Schädel und selbst
das Becken sind dem Arm und der Hand als Unterstützungspunkte für die Glied-
massenmuskeln tributär geworden. Diese Art der Verankerung erlaubt eine
große Verschieblichkeit der Plattform, auf welcher _di<> frei aus dem Rumpf
herausragende Extremität aufgebaut ist, nämlich des Schultergürtels gegen
den Stamm unseres Körpers (vgl. Verschiebung von Klavikula und Skapula
in Abb. 150). In diametralem Gegensatz dazu steht die Unverschieblichkeit
des Beckens, welches nur durch Bewegungen des Stammes selbst gekippt oder
gedreht werden kann. Arm und Hand können kraft der Muskelbefestigungen
am Stamm große Exkursionen beim Greifen und Tasten vollführen wie der
Ausleger eines fahrbaren Drehkrans. Der größte Teil des Schwergewichts
der Muskelmaschinerie ist wie bei dem Kran auf die Plattform, auf den Schulter-
gürtel, verlegt, welcher durch die Befestigungen am Rumpf so verschoben werden
kann, daß von den verschiedensten Punkten am Rumpfe aus die Bewegungen
reguliert werden können. Dieses mechanische Prinzip kommt auch der Feinheit
der Bewegungen zugute. Arm und Hand sind möglichst wenig mit Muskel-
massen beschwert. Die Finger sind gänzlich muskelfrei. Sie bewegen sich nur
durch den Antrieb feiner Sehnen wie durch Transmissionsriemen; die leichteren
Muskelmaschinen sind von den Fingern auf die Handplatte, die schwereren
auf den Arm und die schwersten auf den Rumpf verschoben. Die Hand ist in
Verbindung mit den Möglichkeiten, die der aufrechte Gang zu diesen Eigen-
merkmalen der oberen Gliedmaße hinzufügte, zu einer Art akzessorischen Sinnes-
organes geworden, mit welchem wir unsere Orientierung im Räume nötigen-
 
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