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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0547

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536 Becken und Hüfte.

5. Die Hüfte als Ganzes in Ruhe und Bewegung.

a) Einleitung.

Versteckte j){e Hüftgelenke, die Gelenke zwischen Becken und Lendenwirbelsäule

Hüft- und zwischen den Wirbeln selbst, welche die Stellung des Rumpfes zu den
gelenkes ^^j^ Extremitäten oder umgekehrt regulieren, liegen alle sehr versteckt
unter Massen von Muskeln, welche die verschiedenen Haltungen der Hüfte zu
fixieren und Bewegungen an den genannten Stellen auszuführen haben. Für
die Wirbelsäule und die Rückenmuskeln, die besonders massig gegen das Becken
zu werden, verweise ich auf frühere Ausführungen. Auch das Hüftgelenk ist
viel mehr als das Schultergelenk in die Tiefe unseres Körpers versenkt. Es er-
fordert eine viel größere Masse von Muskulatur, als die Schulter nötig hat, um
im Hüftgelenk die Last des Beines zu lenken, die weit größer ist als die Last des
Armes, oder um die ungleich größere Last des Oberkörpers freischwebend auf
den Beinen oder gar auf einem Bern zu halten. Das Gesamtgewicht der um jedes
Hüftgelenk gruppierten Muskeln (ohne Adduktoren) beträgt bei einem kräftigen
Mann ca. 2 Kilo, dasjenige der entsprechenden Schultermuskeln nur die Hälfte
(ohne die zur Extremität gehörigen Brust- und Rückenmuskeln). Trotzdem würde
die Muskulatur für die Hüfte nicht genügen, wenn nicht eine Reihe von passiven
Einrichtungen sie in bestimmten Stellungen entlasten könnte. Das sind die
Stellungen, die wir instinktiv einnehmen, wenn wir ermüdet sind, oder die
muskelschwache Menschen bevorzugen (kranke, alte Leute). Die Muskelfasern
der Hüftmuskeln sind durchschnittlich kürzer als diejenigen der Schultermuskeln,
weil es bei der Hüfte mehr auf Kraft und Ausdauer, bei der Schulter mehr auf
Hubhöhe und Schnelligkeit ankommt. Deshalb gruppieren sich auch die meisten
Hüftmuskeln viel dichter um das Hüftgelenk als die Schultermuskeln, die sich
zum Teil mit dem einen Ende weit über die Brust, den Rücken und den Hals
ausgebreitet und dadurch enorme Muskellängen erreicht haben. An der Hüfte
überwiegt zwar das Gewicht — die Zahl aller Hüft- und Schultermuskeln ist
die gleiche (17) —, aber die Beweglichkeit der Hüfte ist im ganzen einförmiger
(nicht eingeschränkter) als bei der Schulter. Der Erwerb des aufrechten Ganges
ist vom Menschen mit der Preisgabe der mannigfaltigen Beinbewegungen der
kletternden, springenden, hangelnden Tiere bezahlt worden, von welchen wir
nur Reste aufweisen. Die Schulter dagegen ist äußerst vielseitig, beweglich in
sich und sogar ein Mittel der Ausdrucksbewegung für die menschliche Psyche
geworden (Gesten). Die Masse des Muskelfleisches, die das Hüftgelenk über-
deckt, seine eng zusammengedrängten Individuen und die verhältnismäßige
Monotonie des Bewegungsspieles sind Gründe dafür, daß das Hüftgelenk sich
am Lebenden viel mehr der Untersuchung entzieht als das Schultergelenk.

Die versteckte Lage äußert sich auch darin, daß direkte Verletzungen
(Frakturen) außer durch Geschoße beim Hüftgelenk nicht vorkommen und daß die
vorkommenden indirekten von fernher durch die Hehelkraft des Beines oder
Bumpfes gesetzt werden. Der Widerstand des Gelenkes ist so groß, daß bei nicht
sehr festen Knochen (Jugendliche, Greise) eher der Schenkelhals bricht, als daß
die Kapsel reißt und den Kopf aus der Pfanne läßt. Hierbei zeigt sich, wie sehr das
Gelenk selbst auf Festigkeit gebaut ist.

Rtoen"scnea" raage1,611 Menschen kann man bei gestrecktem Bein noch am ehesten

Hilfslinie den Schenkelkopf unterhalb des Leistenbandes durch den Iliopsoas hindurch
fühlen. Im allgemeinen ist man aber auf indirekte Methoden angewiesen, um
sich über seine Lage beim Lebenden zu orientieren. Als hauptsächlichster
Anhalt dient der große Rollhügel, weil er unmittelbar unter der Haut liegt.
Besonders bei Adduktion des Oberschenkels springt er stark nach außen vor.
Sonst liegt meist über und hinter ihm eine Delle der Haut (Trochantergrube,
 
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