Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0658

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Fuß und Zehen als Ganzes in der Ruhe (Standbein).

647

Die Mittel- und Endgelenke sind reine Scharniergelenke, aber bei den kleineren
weniger sicher geführt als an den Fingern. Die Form der Gelenkflächen, die Kapseln
und ihre Ausstattung mit Bändern ist im Prinzip gleich derjenigen bei den Fingern,
aber bei den dreigliedrigen Zehen weniger gut ausgebildet und bei der kleinen Zehe
am meisten zurückgebildet (über die Verwachsung siehe Phalangen; habituelle
Stellung der Gelenke in der Ruhe, S. 639).

Die Entwicklung der Tarsalia, Metatarsalia und Phalangen ist dadurch Ossi-
von denen der Hand verschieden, daß die großen Tarsalia bereits beim Fötus fikatio118-
ossifizieren (Kalkaneus, Talus und nicht selten auch das Kuboideum). Sie sind errnine
spezifisch menschliche Charaktere, die beim Fötus noch an Größe relativ zurück-
stehen. Sobald sie einem Röhrenknochen ähnlich in die Länge wachsen, nähert
sich der Verknöcherungstermin dem der Mittelfußknochen, welche bereits früher
den gleichen Weg beschritten hatten. Die ersten Ossifikationstermine der Tarsalia
und Metatarsalia sind also nicht durch die Geburt voneinander getrennt wie zwischen
Karpalia und Metakarpalia. Dies ist ein deutlicher Beweis dafür, daß die Größe eines
Skelettstückes bestimmend für seinen Ossifikationstermin ist. Alle Tarsalia ent-
stehen von einem Ossifikationsherd aus. Die Metatarsalia und Phalangen haben
Dia- und Epiphysenkerne wie die entsprechenden Knochen der Hand. Die Diaphyse
verknöchert peri- und enchondral, die Epiphysen nur enchondral. Die Tarsalia
verknöchern nur enchondral.

Der Kalkaneus verknöchert im sechsten Fötalmonat, der Talus etwas später,
das Kuboideum um die Zeit der Geburt, das dritte Kuneiforme im 1.—2. Lebensjahr,
das erste im 2.—4. Jahr und das zweite im 3.—4. Jahr. Das Xavikulare folgt als
letztes im 5. Jahr. Etwa im 10. Lebensjahr folgt ein Epiphysenkern im Fersenhöcker
des Kalkaneus, der im 14. oder im 15. Jahre partiell, erst im 17.—19. Jahre total
mit dem übrigen Knochen verschmilzt (über das Os trigonum siehe S. 644).

Die Diaphysenkerne der Metatarsalia erscheinen bereits in der 8.—10. Fötal-
woche, also von allen Verknöcherungen des Fußes zuerst. Die distalen Epiphysenkerne
folgen erst im 3.—8. Lebensjahr und verschmelzen im 16.—21. Jahr mit den Mittel-
stücken. Basale Epiphysenkerne gibt es nicht (wie bei den Metakarpalia). Nur das
Metatarsale der Großzehe verhält sich umgekehrt (also wie eine Phalanx, analog
dem Metakarpale des Daumens). Die Diaphysen der Endphalangen verknöchern
gleichzeitig mit den Diaphysen der Metatarsalia, diejenigen der Grundphalangen
verknöchern im 4.—5. Fötalmonat, diejenigen der Mittelphalangen nicht vor dem
8. Fötalmonat. Nur die proximalen Epiphysen haben Epiphysenkerne, die im 3.
bis 4. Lebensjahre erscheinen (die Endphalanx der Großzehe früher) und zur gleichen
Zeit wie die distalen Epiphysen der Metatarsalia mit den Mittelstücken verschmelzen.

Der weibliche Fuß ist etwa 2—3 Jahre früher ausentwickelt als der männliche,
dessen Daten hier gegeben sind.

11. Fuß und Zehen als (ianzes in Ruhe und Bewegung.

Der Fuß hat die doppelte Aufgabe, den Körper zu tragen und die Fort- (j^!e-^{jt
bewegung zu erleichtern. Die erstere erfüllt er beim Standbein (der belastete gewöibes
Fuß auch „Standfuß" genannt), die letztere beim Spielbein (Abb. 289). Beide Menschen
Aufgaben stehen in einem Gegensatz zueinander, der nur beim Menschen gelöst
ist. Das lehrt ein Blick auf Parallelen im Tierreich. Je schwerer die Körperlast
wird (z. B. Nilpferd, Elefant), um so gerader werden die Beine zu Säulen
gestreckt. Selbst das Fußskelett richtet sich in die Längsachse der Extremitäten:
das Tier geht auf den Zehenspitzen unter Verzicht auf ausgiebige Eigenbe-
wegungen des Fußes. An den Vorderbeinen ist das am deutlichsten. Bei geringem
Körpergewicht sind dagegen die winkligen Knickpunkte der Extremitäten-
hebel sehr ausgeprägt. Das gegensätzliche Verhalten bei großer und geringer
Körperschwere ist dadurch bedingt, daß das Gewicht im Kubus, die Muskel-
querschnitte im Quadrat wachsen. Bei erheblicher Zunahme der Körper-
schwere kann die Muskulatur nicht mitkommen; deshalb wird die Unterstützung
des Körpers auf einem anderen Wege gewonnen. Sind die Extremitäten gestreckt,
so stützen sie sich und den Körper durch ihre innere Statik, wie die Trommeln
antiker Säulen ohne Mörtel aufeinander ruhen und große Lasten tragen. Was
an Beweglichkeit des Einzelbeines verloren geht, ist bis zu einem gewissen Grade
ersetzt durch die vier Pendel, welche der Quadrupede abwechselnd zu seiner
 
Annotationen