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Kopf.
Doch kann ebenso bei Gewalteinwirkving von innen her, z. B. bei einem Schuß
durch den Mund, welcher die Schädelbasis durchbohrt, die äußere Lamelle trotz
Intaktsein der inneren Tafel splittern. Sie sind beide darin physikalisch gleich,
innen- und Wie bei einem flachen Wasseikissen dmch Druck mit den Fingeikuppen
\ußenrelief . .
auf die eine Seite die gegenüberliegende Wand nicht lokal vorgetrieben wird,
weil das Wasser den Druck gleichmäßig verteilt, so wiid die Innenwand des
Schädels durch die wachsenden Windungen des Gehirns eingedellt, Impres-
siones digitatae, ohne daß die äußere Oberfläche der Schädelkapsel ent-
sprechende Vorwölbungen zeigt. Nur an dünnen Schädelstellen, z. B. unter
dem M. temporalis, kann das Innenrelief auch äußerlich sichtbar sein (S. 699).
In den Zwischenräumen zwischen den Gehirnwindungen kann der Knochen
das alte Niveau bewahren oder nach innen zu vorwachsen, ohne lebenswichtige
Funktionen zu beeinträchtigen. So sind die Juga cerebralia zwischen den
Impiessiones (Abb. 336) entweder flach oder häufig durch Eigenwachstum
vergrößert (hohe Juga). Das akzessorische Wachstum verstärkt die betreffenden
Knochentafeln erheblich, wie aufgenietete Streifen ein Blech versteifen.
Vorzeitige Bei frühzeitiger Verödung der Nähte des Schädel-
Nahtver- ^\ dacbes, die bereits vor der Geburt beginnen und im
Kindesalter zum Abschluß kommen kann, steht das
Randwachstrm der angrenzenden Knochen mit Not-
wendigkeit vorzeitig stille. Der Schädel wird schief,
wenn die Synostose einseitig auftritt, z. B. in der Kranz-
naht: Plagiozephalus, Schiefschädel (Abb. 364).
Da das Gehirn in dem verkürzten Teil eingeengt ist, so
drängt es gegen die Knochen mit nicht obliterierten
Nähten und regt sie zu besonders starkem Randwachs-
tum an. Dadurch wird die Asymmetrie noch verstärkt.
Auf frühzeitige symmetrische Synostosen werden
andere Schädelmißbi] düngen zurückgeführt, die aber
zum Teil recht komplexe Ursachen haben. Beim Ska-
phozephalus, Kahnschädel, ist die Sagittalnaht
frühzeitig geschlossen. Das Gehirn drängt deshalb den
vorderen und hinteren Schädelpol vor. Es ergibt sich
ein extrem schmaler und langer Schädel. Dieses krank-
hafte Längenwachstum ist von den erblich bedingten
Abb. 364. Plagiozephalus, Langschädeln (Abb. 388a) an den stark in die Länge
Anthrop. Sammlung Heidelberg. geZogenen Scheitelbeinen zu unterscheiden, welche beim
Skaphozephalus die Dehnung der Pole auszugleichen
haben. Umgekehrt ist bei Totalverödung der Kranznaht ein kompensatorisches
Höhenwachstum die Folge: Oxyzephalus, Turmschädel.
Einfluß Die leichte Verschieblichkeit der Schädelknochen des Kindes führt zu künst-
Faktoren üchen Deformitäten, wenn äußere Einflüsse lokal eingreifen, z. B. die Trageinrichtung
für das Kind bei Nomadenvölkern oder beabsichtigte Einschnürung des Schädels
durch Bretter oder Binden (Abb. 387). Die Hauptverbreitungszentren der Deformi-
tät befinden sich bei den Indianern Amerikas und in Neupommern; aber auch sonst
sind Reste uralter Gebräuche wie Verunstaltungen durch Kopibinden und Mützchen
für Kinder weiblichen Geschlechts weit verbreitet z. B. im Süden Frankreichs („Defor-
mation toulousaine"). In manchen Gegenden wird die der vorwiegenden Schädelform
der Bevölkerung bequemste Art der Kopflage den Kindern angewöhnt, nämlich
Seitenlage bei ausgesprochener Dolichozophalie und Rückenlage bei ausgesprochener
Brachyzephalie. Auch die Art der Kopikissen spielt iür die Kopfform eine Rolle
und wird dem Säugling dem Herkommen gemäß aufgezwungen (harte oder weiche
Polster). In der Regel wird der erbliche Faktor dadurch verstärkt, falls der kindliche
Schädel die sonst übliche Form hat; gehört er einem anderen Typus an, so kann
er ein wenig nach der üblichen Form hin abgelenkt werden. Die primäre Ursache
ist aber nie im Milieu, sondern immer in einer erblichen Rassenverschiedenheit
zu suchen (S. 798).
II. Der Kauapparat.
1. Die Kaumuskeln als aktive Bewegungsfaktoren.
Der Unterkiefer, der weitaus größte Abkömmling der Kiemenbogen,
verdankt seine hohe Entfaltung dem Kauakt, den er allein übernommen hat,
Kopf.
Doch kann ebenso bei Gewalteinwirkving von innen her, z. B. bei einem Schuß
durch den Mund, welcher die Schädelbasis durchbohrt, die äußere Lamelle trotz
Intaktsein der inneren Tafel splittern. Sie sind beide darin physikalisch gleich,
innen- und Wie bei einem flachen Wasseikissen dmch Druck mit den Fingeikuppen
\ußenrelief . .
auf die eine Seite die gegenüberliegende Wand nicht lokal vorgetrieben wird,
weil das Wasser den Druck gleichmäßig verteilt, so wiid die Innenwand des
Schädels durch die wachsenden Windungen des Gehirns eingedellt, Impres-
siones digitatae, ohne daß die äußere Oberfläche der Schädelkapsel ent-
sprechende Vorwölbungen zeigt. Nur an dünnen Schädelstellen, z. B. unter
dem M. temporalis, kann das Innenrelief auch äußerlich sichtbar sein (S. 699).
In den Zwischenräumen zwischen den Gehirnwindungen kann der Knochen
das alte Niveau bewahren oder nach innen zu vorwachsen, ohne lebenswichtige
Funktionen zu beeinträchtigen. So sind die Juga cerebralia zwischen den
Impiessiones (Abb. 336) entweder flach oder häufig durch Eigenwachstum
vergrößert (hohe Juga). Das akzessorische Wachstum verstärkt die betreffenden
Knochentafeln erheblich, wie aufgenietete Streifen ein Blech versteifen.
Vorzeitige Bei frühzeitiger Verödung der Nähte des Schädel-
Nahtver- ^\ dacbes, die bereits vor der Geburt beginnen und im
Kindesalter zum Abschluß kommen kann, steht das
Randwachstrm der angrenzenden Knochen mit Not-
wendigkeit vorzeitig stille. Der Schädel wird schief,
wenn die Synostose einseitig auftritt, z. B. in der Kranz-
naht: Plagiozephalus, Schiefschädel (Abb. 364).
Da das Gehirn in dem verkürzten Teil eingeengt ist, so
drängt es gegen die Knochen mit nicht obliterierten
Nähten und regt sie zu besonders starkem Randwachs-
tum an. Dadurch wird die Asymmetrie noch verstärkt.
Auf frühzeitige symmetrische Synostosen werden
andere Schädelmißbi] düngen zurückgeführt, die aber
zum Teil recht komplexe Ursachen haben. Beim Ska-
phozephalus, Kahnschädel, ist die Sagittalnaht
frühzeitig geschlossen. Das Gehirn drängt deshalb den
vorderen und hinteren Schädelpol vor. Es ergibt sich
ein extrem schmaler und langer Schädel. Dieses krank-
hafte Längenwachstum ist von den erblich bedingten
Abb. 364. Plagiozephalus, Langschädeln (Abb. 388a) an den stark in die Länge
Anthrop. Sammlung Heidelberg. geZogenen Scheitelbeinen zu unterscheiden, welche beim
Skaphozephalus die Dehnung der Pole auszugleichen
haben. Umgekehrt ist bei Totalverödung der Kranznaht ein kompensatorisches
Höhenwachstum die Folge: Oxyzephalus, Turmschädel.
Einfluß Die leichte Verschieblichkeit der Schädelknochen des Kindes führt zu künst-
Faktoren üchen Deformitäten, wenn äußere Einflüsse lokal eingreifen, z. B. die Trageinrichtung
für das Kind bei Nomadenvölkern oder beabsichtigte Einschnürung des Schädels
durch Bretter oder Binden (Abb. 387). Die Hauptverbreitungszentren der Deformi-
tät befinden sich bei den Indianern Amerikas und in Neupommern; aber auch sonst
sind Reste uralter Gebräuche wie Verunstaltungen durch Kopibinden und Mützchen
für Kinder weiblichen Geschlechts weit verbreitet z. B. im Süden Frankreichs („Defor-
mation toulousaine"). In manchen Gegenden wird die der vorwiegenden Schädelform
der Bevölkerung bequemste Art der Kopflage den Kindern angewöhnt, nämlich
Seitenlage bei ausgesprochener Dolichozophalie und Rückenlage bei ausgesprochener
Brachyzephalie. Auch die Art der Kopikissen spielt iür die Kopfform eine Rolle
und wird dem Säugling dem Herkommen gemäß aufgezwungen (harte oder weiche
Polster). In der Regel wird der erbliche Faktor dadurch verstärkt, falls der kindliche
Schädel die sonst übliche Form hat; gehört er einem anderen Typus an, so kann
er ein wenig nach der üblichen Form hin abgelenkt werden. Die primäre Ursache
ist aber nie im Milieu, sondern immer in einer erblichen Rassenverschiedenheit
zu suchen (S. 798).
II. Der Kauapparat.
1. Die Kaumuskeln als aktive Bewegungsfaktoren.
Der Unterkiefer, der weitaus größte Abkömmling der Kiemenbogen,
verdankt seine hohe Entfaltung dem Kauakt, den er allein übernommen hat,