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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0414

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Arm und Hand als Ganzes in der Ruhe.

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andern beobachtet. Später sind die Karpalia in der Norm immer einheitlich. Der
Knochenkern für das Kapitatum und später der für das Hamatum erscheinen im
ersten Lebensjahr; im 2.—3. Jahr verknöchert das Triquetrum, im 4. Jahr das
Lunatum, im 5. das Navikulare, zwischen 4. und 6. das Multangulum majus und
minus, erst im 10.—12. Jahr das Pisiforme.

7. Arm und Hand als Ganzes in Ruhe und Bewegung.

a) Allgemeines.

Mehr noch als bei anderen Teilen unseres Körpers müssen wir hier auf Ann und
die biologische Korrelation der aktiven und passiven Bestandteile achten, die trennt von
wir im vorhergehenden stückweise betrachteten. Denn Arm und Hand sind Schul,ter

. und

etwas Ganzes, ein Hebelsystem, das wir in Gegensatz stellen zu der früher Fingern
beschriebenen beweglichen Plattform (Schulter), auf der es wie ein Kran auf- betrachtefc
gestellt und mit der es verschieblich ist; das ferner im Gegensatz steht zu dem
eigentlichen Greiforgan, mit dem es endigt (Finger). Schultergürtel und Finger
sind etwas für sich; sie unterstützen zwar das Hebelsystem von Arm und Hand,
da dessen Aktionsradius nicht unwesentlich durch die Verschiebungen des
Schultergürtels und durch die Verlängerung der Hand mittels der gestreckten
Finger vergrößert werden kann. Man denke nur an das Emporrecken des Armes
beim Zeigen. Sie haben aber vor allem ihre Eigenauf gaben, welche für die
Finger in einem späteren Abschnitt gesondert behandelt sind.

Der Arm und die Hand selbst sind ein allseitig bewegliches Hebel- Verwend-
system , dessen Verwendbarkeit beim Menschen die höchste Vollkommen- des'Arm-
heit erreicht hat. Es sind nicht nur animalische Verrichtungen beim Stützen, un£ P?nd'
Ziehen, Schieben des Körpers, beim Essen, Säubern, Schützen, Kämpfen,
sondern alle Übergänge von solchen zu geistigen Beschäftigungen, endlich
rein psychische Vorgänge, an welchen Arm und Hand ihren charakteristi-
schen und vielfach ganz unentbehrlichen Anteil haben, wie Schreiben, Kunst-
fertigkeiten mancherlei Art, Pantomimik und vieles andere. Die staat-
liche Beurteilung der Erwerbsbeeinträchtigimg (z. B. nach Verstümmelungen
im Kriege) lehrt, wie hoch Arm und Hand bei einem gesunden Mann im bürger-
lichen Leben in den besten Jahren bewertet werden.

Verlust des bevorzugten Armes (bei Rechtshändern des rechten) ist mit
75% der gesamten Erwerbsfähigkeit festgesetzt. Zum Vergleich sei erwähnt, daß
Blindheit auf einem Auge zu 331/3°/0, auf beiden Augen zu 100% berechnet wird,
Taubheit auf beiden Ohren von 50% aufwärts, Stummheit zu 662/3%. Glatter
Verlust der Arbeitshand beträgt 70%; Versteifung des Handgelenkes in der nicht
ungünstigen halben Beugestellung (bei Erhaltung der Fingerbeweglichkeit) 60%;
Verletzungen der Gelenke, wenn diese zwar ausgeheilt sind, aber doch nach körper-
lichen Anstrengungen anschwellen, nicht unter 331/3%. Die Zahlen für die bürger-
lichen Unfallrenten reden eine ähnlich deutliche Sprache.

Sehr bemerkenswert ist, in welcher Weise verlorene Glieder vom Ortho-
päden durch künstliche Prothesen ersetzt werden. Nicht die Kunstarme, welche
vielfach nur den Zweck haben, die normale äußere Form zu imitieren und den
Verlust zu verdecken, meine ich hier (..Sonntagsarm"), sondern die Ersatzstücke,
welche nutzvolle G-elenkbewegungen für Handwerker usw. dem Lebenden nachbilden
(,,Arbeitsarm"). Studiert man solche Prothesen näher, so tritt an ihnen besonders
deutlich hervor, wie sehr der Orthopäde den liier besprochenen Bewegungsapparat
(Ellenbogen- und Handgelenk) als eine Einheit nachbildet. Die Finger werden
oft nur durch einen Haken ersetzt, der für das zu erfassende Instrument passend
geformt ist, oder durch das Instrument selbst. Das künstliche Hebelsystem wird
vielfach viel kürzer ausgeführt als die natürliche Länge von Arm und Hand, weil
die künstlichen Gelenke sonst zu leicht unter der Hebelkraft nachgeben.

Passive und aktive Teile des Bewegungsapparates greifen in höchst wech- ^aiyse
selnder Weise ineinander, um das, was an einem Ort an Veränderung möglich des Ganzen
ist, mit Veränderungen an anderen Orten immer wieder anders zu kombinieren.

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