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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0590

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Das Knie als Ganzes in der Ruhe (Standbein).

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und plötzlichen Beanspruchungen. Von den Bewegungen des Knies ist das Gelenk
ganz ausgeschaltet; doch kann der Gelenkspalt durch Vermittlung der Bursa
Poplitea mit dem Kniegelenk kommunizieren (in 15°/0 der Fälle). Für die Fortleitung
von Entzündungen ist diese Verbindung wichtig. Der Chirurg darf nicht ohne Not
das an sich unwichtige Gelenk öffnen, weil damit das Kniegelenk gefährdet sein kann.
Es liegt oberhalb der Epiphysenfuge der Fibula.

L Das Knie als Ganzes in Ruhe und Bewegung.

Das schließliche Endergebnis der aus vielen Einzelbestandteilen zusammen-
gesetzten Architektur des Knies für die Statik und Kinematik des Körpers ist
verhältnismäßig einfach, weil es für den Menschen viel mehr auf Stützung in
diesem Gelenk bei der aufrechten Körperhaltung als auf vielseitige Beweglichkeit
ankommt. Das Besondere der Stützung liegt darin, daß beim Gehen alter-
nierend das eine Bein zur Tragsäule wird, Standbein, während das andere in-
zwischen entlastet und in eine neue Lage gebracht wird, Spielbein, um selbst
in der nächsten Phase Standbein werden zu können.

Beim Standbein ist die Auf gäbe des Kniegelenkes direkt negativ: es Pas Knie

des St'\iRl-

soll sich selbst ausschalten, damit Ober- und Unterschenkel zu einer starren beines bei
Säule vereinigt sind. Da die Seiten- und Binnenbänder in Streckstellung des gcbiedenen
Beines gespannt sind, das vordere Kreuzband sogar so sehr, daß es zwangsläufig ^f1**1"
eine geringfügige ,,Schlußrotation" des Oberschenkels in der Richtung auf den
Bandursprung hin (einwärts) erzwingt, so kann das Bein nicht weiter nach
vorn durchgedrückt werden. Jede Verlagerung des Schwerpunktes des Ober-
körpers nach vorn vor die Querachse des Kniegelenkes (Abb. la) erhöht nur
die Festigkeit der Säule. So wird bei der straffen (militärischen) Haltung
der Oberkörper so weit nach vorn gelegt, daß das Schultergelenk vor das Hüft-
gelenk und dieses vor das Sprunggelenk zu liegen kommt (etwa senkrecht über
die Lisfrancsehe Linie am Fuß). Ein Lot durch den Schwerpunkt des Körpers
fällt in dieser Stellung weit vor das Kniegelenk, und das gesamte Körpergewicht
(abzüglich des Gewichtes der Unterschenkel und Füße) spannt die Hemmungs-
bänder der Knie passiv, wie eine Armbrust durch ihre Sehne gespannt wird.
Das Durchdrücken der Knie belastet besonders das vordere Kreuzband und
erleichtert infolge der schrägen Richtung desselben das Stehen mit diver-
gierenden Fußspitzen. Besonders wirksam ist das Gewicht des Körpers, wenn
man nur auf einem Beine steht ; dadurch wird die Festigkeit im Knie nicht
geschwächt, sondern nur erhöht. Die Äquilibrierung macht bei dem Stehen auf
einem Bein allerdings größere Schwierigkeiten. Beim lässigen Stehen genügt
eine nicht vollständige Spannung der Bänder, da die Unterstützungsfläche der
Knochen durch die eingebauten Sichelknorpel groß genug ist, um das Knie
gerade im labilen Gleichgewicht zu erhalten.

Als blitzschnell eingreifende Sicherung bei jeder Störung und als besonderes Eingreifen

Hilfsmittel beim straffen Stehen steht die Muskulatur bereit, vor allem der Muskulatur

Quadrizeps mit seiner außerordentlichen Muskelmasse. Sie wirkt bei der straffen

militärischen Haltung am Kniegelenk des Standbeines gleichsinnig mit der

Schwere des nach vorn gelegten Oberkörpers; beim Hüftgelenk dagegen haben

die Glutaei die Last des Oberkörpers mitzutragen, wenn auch gewöhnlich die

Flexoren des Oberschenkels genügen, um ein genügendes Gegengewicht

gegen den Oberkörper zu erzeugen.

Die Gesamtgröße des Querschnittes der Streckmuskeln des Oberschenkels
ist wie bei den Gesäßmuskeln nur zu verstehen, wenn man bedenkt, daß beim Auf-
richten des Körpers aus dem Liegen, Knien oder Hocken der Knie- und der Hüft-
winkel gegen die Körperlast gestreckt werden müssen und daß dabei von diesen
Muskeln das ganze Körpergewicht gehoben wird (mit den Belastungen durch Kleider
und andere akzessorische Dinge). Das gleiche Gewicht haben sie bei der ,,Kniebeuge"

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