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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0781

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770

Kopf.

Schutzapparat, welcher etwa dem einheitlichen Lig. temporomandibulare' die

Wage halten dürfte.

Die Raphe pterygomandibularis am Ursprung des M. buccinator (Abb. 369)
ist gespannt, wenn der Mund weit geöffnet ist, wie man von der Mundhöhle aus
fühlen kann. Diese Ursprungssehne für den genannten Muskel und die angrenzende
Rachenmuskulatur hemmt also auch extreme Öffnungen. Außerdem gibt es bei
dem starken Kauapparat vieler Tiere innerhalb und außerhalb der Gelenkkapsel
noch besondere Knochenvorsprünge als Prellböcke gegen zu staike Verschiebungen
des Kieferköpfchens. Die Schädelfunde diluvialer Menschen haben davon deutliche
Anzeichen, welche der Mächtigkeit des Unterkiefers entsprechen (Abb. 358). Beim
rezenten Schädel sind die Knochenvorsprünge durch den neu entstandenen Schläfen-
beinhöcker einnivelliert oder sogar überhöht. Bei ihm genügen die genannten Bänder
für die äußersten Hemmungen.

III. Der mimische Apparat.
1. Allgemeines.

Panto- j)[e Muskeln unseres Gesichtes sind an verschiedenen physischen Funk-

i m i k und

Mimik tionen beteiligt. Manche nehmen an der Nahrungsaufnahme und an dem Kau-
akt teil, manche erleichtern oder verhindern den Zutritt von Reizen zum
Schmeck-, Riech- und Sehorgan. Bei manchen Menschen kann auch die be-
haarte Kopfhaut oder die Ohrmuschel durch sie bewegt werden. Immer sind
das Wirkungen auf Weichteile. Nur ein Ende der Muskulatur ist am knöchernen
Skelett befestigt, das andere inseriert an der äußeren Haut, der Schleimhaut
oder an Faszien und Knorpeln, welche mit den erstgenannten verbunden und
mit ihnen beweglich sind. Wegen der geringen Leistung im mechanischen
Sinn, welche dazu erforderlich ist, sind diese Muskeln ungleich viel dünner
und schmächtiger als die eigentlichen Kaumuskeln oder irgendwelche andere
Körpermuskeln, deren beide Enden Knochenstücke gegeneinander bewegen.
Sie unterscheiden sich außerdem von den anderen Skelettmuskeln durch den
Mangel einer Faszie. Das dünne oberflächliche Perimysium genügt, die
zarten Fasern und Bündel zu halten und zu führen. Es hängt unmittelbar
mit dem subkutanen Bindegewebe zusammen. Nur auf der hinteren Partie
des M. buccinator (Tab. Nr. 16) gibt es eine Faszie, F. buccopharyngea
(Abb. 365), welche Gefäße, Nerven und Drüsen einhüllt. Sie ist die einzige
Ausnahme.

Die Situation rings um die Pforten der Sinnesorgane und die spielerische
Leichtigkeit dieses Muskelapparates war der Grund, daß er mehr als andere
Körpermuskeln zum psychischen Ausdrucksmittel, zum Verständigungsmittel
ähnlich der Sprache wurde. Wir dürfen nicht vergessen, daß wir alle Bewegungs-
apparate in den Dienst individueller Ausdrucksmöglichkeiten stellen können.
Jeder Mensch sagt uns durch die Art seiner Körperhaltung, seiner Bewegungen
etwas über seine Persönlichkeit. Bestimmte Körperbewegungen, besonders
das Gestikulieren lebhafter Rassen, das Kopfschütteln, Nicken heben sich
besonders heraus; wir nennen sie panto mi mische Bewegungen. Die Bewegung
der Antlitzmuskeln, die Mimik, ist davon eine besondere Gruppe, eine höchste
Steigerung. Sie modelt die individuellen Gesichtszüge auch dann, wenn das
Gesicht nicht bewegt ist. Denn die Falten, welche durch die Mimik erzeugt
werden, werden nach und nach stationär. Wie sonst die Muskulatur Knochen-
vorsprünge und -furchen hervorzaubert, so hier Hautpolster und -grübchen.
Bei Geisteskranken, welche andauernd an Gesichts- und Gehörshalluzinationen
leiden, bilden sich konstante charakteristische Züge um Augen und Ohren, daß
man ihr Leiden danach diagnostizieren kann. Das Gesamtbild der für das ruh ende
Antlitz charakteristischen Merkmale nennen wir Physiogno mie. Die kausale
Beurteilung der Physiognomie, die Physiogno mik, ist aus der Mimik abzuleiten.
 
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