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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0298

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Der Brustschulterapparat als Ganzes in der Ruhe.

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arm angreifen und deren Fernwirkung sich am Schultergelenk äußern kann.
Wir besprechen im folgenden Abschnitt die Hauptbewegungen im Zusammen-
hang mit denen der Schulter im ganzen.

5. Der Brustschulterapparat als Ganzes in Ruhe und Bewegung.

Die beiden Schlüsselbeingelenke und das Schultergelenk sind drei Glieder Verkehrs-

— r äii 111 der

eines Systems, dessen Haltung und Verschiebung für die Lage des Armes in drei Ge-
der Ruhe und Bewegung von größter Wichtigkeit ist. Die drei Glieder be- leBrust-es
einflussen sich beständig: der Arm ist zwar durch das Schultergelenk nur mit schulte,r-
dem Schulterblatt verbunden, wird aber durch jede Lageveränderung des
Schlüsselbeins oder des Rumpfes mitdirigiert. Isolierte, für die freie Extremität
unverbindliche Lagen oder Bewegungen des Schultergürtels gibt es nicht:
immer äußern sie sich am Arm. Da dieser das wesentliche Ziel für die Aus-
nutzung der Bewegung und zur Ablesung derselben besonders geeignet ist, so
beschäftigen wir uns mit seinen durch den Brustschulterapparat bedingten
Haltungen und Bewegungen.

Infolge der Rundung des Brustkorbes wird der Humerus nie mit beiden
Enden gleichzeitig die Brustwand berühren. Beim normalen Schultergelenk kann
nur der Ellenbogen in Kontakt mit der Brustwand kommen. Ist bei luxiertem
Schultergelenk der Kopf des Humerus in Kontakt mit ihr, so muß der Ellenbogen
von ihr abstehen, ein charakteristisches Merkmal für die Schulterverrenkung.

Das distale Ende des Humerus (oder die Hand bei steifgehaltenem, ge-
strecktem Arm) wird im freiesten der drei Gelenke, dem Schultergelenk, mit
drei Graden der Freiheit bewegt. Man denke sich eine Kugelschale, in deren
Zentrum der Oberarmkopf liegt; die Hand am Ende des versteiften Armes
vermag die Innenfläche der Kugel abzutasten, soweit die Hemmungen im
Gelenk es erlauben. Sie ist auf dieser Bahnkugel flächenläufig (2 Grade
der Freiheit); außerdem ist sie in jeder Stellung um die eigene Achse im
Schultergelenk drehbar (3. Grad der Freiheit). Durch die beiden Schlüssel-
beingelenke kommt die Möglichkeit hinzu, sich frei im Räume zu bewegen,
raumläufig; denn das Ende des gestreckten Armes kann innerhalb gewisser
Grenzen die vom Schultergelenk vorgeschriebene Bahnkugel verlassen und
jeden beliebigen Punkt außerhalb und innerhalb jener Ebene erreichen: Ver-
kehrsraum der drei Gelenke des Schulterapparates.

Durch die übrigen Gelenke des Armes und der Hand wird die Größe des
zugemessenen Raumes für die ungehemmte Bewegungsfreiheit gesteigert. Sie
schaffen zwar nichts prinzipiell Neues, erweitern aber, wie wir später sehen werden,
den Spielraum, welchen der Brustschulterapparat gibt, nach dem Innern der Bahn-
kugel des Schultergelenkes hin ganz beträchtlich.

Beim Verkehrsraum des Brustschulterapparates tritt so recht hervor, Anwen-

daß unmöglich ein Muskel allein imstande und verantwortlich ist für eine be- Linien-

stimmte Lage oder Verlagerung. Je nach der verschiedenen Stellung der Glieder l^™?^

des Svstems greifen verschiedene der zahlreichen bereit stehenden Muskeln und 129

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ein, so daß das Einzelgetriebe immer nur im Zusammenhang des Ganzen zu ver-
stehen ist. Meistens sind bei ganz einfachen Armbewegungen, die von der Schulter
ausgehen, zahlreiche Muskeln oder Teile von solchen gleichzeitig beteiligt;
es stehen außer den jeweils verwendeten andere in Reserve, welche jederzeit
unterstützend oder vertretend eingreifen können. Nicht entfernt für alle Mög-
lichkeiten läßt sich hier auseinandersetzen, wie die Bewegungsmaschine von
Fall zu Fall arbeitet. Indem wir nur die wichtigsten Punkte besprechen und
dabei auch die Veränderungen des Apparates hervorheben, welche durch Ausfall
einzelner Glieder (Lähmungen von Muskeln) wie in einem Experiment
zustande kommen, ist ein Schema aufgestellt, nach welchem auch für die übrigen
 
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