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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0773

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762

Kopf.

Tuber maxillae und den Flügelmuskeln endet (Abb. 365. 369). Nach außen
umgreift der Fettpfropf etwas den Vorderrand des Masseter. In der Tiefe setzt
sich die fetterfüllte Nische in die Unterschläfengrube (Facies infratemporalis
des Keilbeins) und durch die Fissura orbitalis inferior in die Augenhöhle fort.
Ich erinnere an die durch Abb. 323—325 erläuterten Umgestaltungen, durch
welche ein Raum, welcher ursprünglich frei außerhalb des Schädels lag, teils
als Augenhöhle in ihn einbezogen, teils hinter dem aufsteigenden Kieferast
eng der Schädelbasis angeschlossen und nach außen abgegrenzt wurde. Für
den letzteren Vorgang vergleiche auch Abb. 318 (punktierter Kontur des
Kieferastes). Je mehr die Gehirnkapsel wächst und je mehr die Schädelbasis
verbreitert wird (Abb. 348), um so geräumiger wird diese Gegend. Das Fett
sammelt sich zwischen den Muskeln und übrigen Weichteilen, um Lücken
auszugleichen und in den von Hartteilen umgrenzten Räumen Platz für die
Muskelbäuche bei ihrer Kontraktion zu schaffen. Das Orbitalfett wird nach-
träglich durch die Abgrenzung der Augenhöhle gegen die Schläfengrube von
dem Bichat sehen Fettpfropf abgetrennt.

2. Das KMergelenk als passiver ßeweguiigsfaktor und der Kauakt.

Rabies1 ^as Kiefergelenk, Articulatio mandibularis, wird durch die vier

Gelenk, Kaumuskeln im eigentlichen Sinn und durch die Muskeln des Mundbodens
vangs au jjg^gjj. außerdem wirkt in aufrechter Körper- und Kopfhaltung die Schwere
des Unterkiefers mit. Greifen wir von den möglichen Bewegungen die häufigste
und bekannteste heraus: die Abwärts- und Aufwärtsbewegung' des Unter-
kiefers, so dient von den genannten aktiven Faktoren zum Kieferschluß der
Dreinmskelkomplex: Temporaiis, Masseter. Pterygoideus internus (Abb. 373a.
Pfeile): zum Öffnen des Kiefers dienen der Pterygoideus externus und die
Mundbodenmuskeln (Abb. 373b, schwarze Pfeile). In beiden Fällen müssen beide
Kiefergelenke und die zu ihnen gehörigen beiderseitigen Muskeln gleichmäßig
und gleichsinnig beteiligt sein. Darin gleichen die beiden Kiefergelenke den
beiden Gelenken zwischen Atlas und Schädel.

Der Öffnungsvorgang besteht darin, wie wir jederzeit an uns selbst kon-
trollieren können, daß das Kieferköpfchen nach vorn rückt und daß hinter
ihm die Haut in die Gelenkgrube einsinkt, in welcher sich anfangs das Köpfchen
befand. Ist dieser Vorgang für das Auge durch ein starkes Fettpolster der Haut
verdeckt, so kann man ihn fühlen, indem man die Fingerkuppen der dreiglied-
rigen Finger nebeneinander auf die Jochbrücke legt ; man bemerkt dann leicht
wie das Kieferköpfchen, welches anfänglich unter dem dicht vor der Ohröffnung
liegenden Finger fühlbar ist, unter den nächstfolgenden Finger rutscht. Oder
man steckt eine Fingerkuppe in den äußeren Gehörgang, tastet dessen vordere
Wand ab, an welcher das Kieferköpfchen als hartes Widerlager erkennbar
ist und fühlt, wie vom ersten Beginn der geringsten Öffnungsbewegimg ab
das Köpfchen nach vorn hin dem Finger entschwindet. Man wird selbst bei
größter Willensanstrengung nicht vermögen, das Köpfchen an seinem Ort zu
halten und trotzdem den Kiefer zu öffnen. Dieses Phänomen will genau beim
Lebenden studiert sein. Denn in ihm liegt der Schlüssel für das Verständnis
des Kiefergelenkes, eines der eigenartigsten Gelenke unseres Körpers. Denn
die eben beschriebene Öffnungsbewegung kann an der Leiche passiv durch
eine ganz andere ersetzt werden und wird tatsächlich beim Herabfallen des
Kiefers im Tode in einer Weise ausgeführt, Avelche im Leben gar nicht möglich
ist. Bei der Leiche bewegt sich der Unterkiefer um eine quere Achse, welche
durch beide Kieferköpfchen geht, solange sie in der Gelenkgrube stehen, wie
in einem echten Scharniergelenk (Abb. 373a, A). Der Kieferast pendelt wie
 
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