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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0436

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Allgemeines über die Fingerrnuskeln.

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8. Die Muskeln der Finger als aktive Bewegungsfaktoren (die kurzen Hand-
muskeln und die Sehnenapparate der langen Fingermuskeln).

a) Allgemeines.

Die Finger sind das eigentliche Greiforgan und verdienen deshalb eine diSell)S^n1:f
biologische Sonderstellung. Der Schultergürtel. Arm und Hand sind Träger organ (und
dieses Organs. Wie beim Kran zum Fußgestell und Hebelsystem schließlich mittel) "
die Greifklaue gehört, welche den eigentlichen Verkehr des ganzen Apparates
mit der Umwelt ausübt, so sind bei den oberen Extremitäten die Finger wirk-
liche Vollzugsorgane, denen alles Übrige zu dienen hat. Es hat sich unter
ihnen eine besondere Differenzierung zwischen den vier dreigliedrigen Fingern
und dem zweigliedrigen Daumen vollzogen, welche die griechische Bezeichnung
%eiQ und avuxtiQ sehr klar zum Ausdruck bringt. Der Daumen kann sich
der Handfläche in einem ihm eigenen Gelenk, dem Sattelgelenk, gegen-
überstellen und wirkt so nicht nur gegen die dreigliedrigen Finger, sondern
seiner Kleinheit wegen auch gegen den Handteller selbst und die Mittelhand-
knochen in diesem. Er reicht mit seiner Kxippe in der Regel ein wenig über
die Mitte der Grundphalanx des Zeigefingers hinaus (Abb. 187). Dadurch, daß
die Mittelhandknochen der dreigliedrigen Finger fest und unverschieblich mit
den Handwurzelknochen an der Stelle verbunden sind, welche dem beweg-
lichen Punkt des Daumens (Sattelgelenk) entspricht, wird ein Gegenarbeiten
des Daumens mit seinem beweglichen Metakarpale als Gegenhand gegen den
einheitlichen Handteller und ein festes Zugreifen möglich. Der Handteller
selbst ist ein passiver Bestandteil in diesem Getriebe. Deshalb können wir die
Finger als das aktive Element, trotzdem viele ihrer Teile in den Handteller
hinein- und sogar weiter aufwärts am Arm hinaufreichen, als etwas Beson-
deres abgrenzen.

Der Handteller ist der Träger der kurzen Handmuskeln, welclie nur mit
Seimen bis zu den Fingern reichen, und welclie selbst auf ein Minimum an Raum
und Größe reduziert sind, um die Hand möglichst zu entlasten. Viele Fingermuskeln
haben wir bereits am Unterarm angetroffen, ihre Ursprünge reichen sogar meistens
bis auf den Oberarmknochen hinauf; nur Sehnen erreichen vom Arm aus wie Trans-
missionsriemen die Finger. Letztere sind nur ,,Haut und Knochen"; denn je mehr
ihr Gewicht vermindert ist, um so weniger werden die zartesten und feinsten Bewe-
gungen durch Gewicht und Plumpheit der Muskeln erschwert. Sämtliche Motoren
müssen wir außerhalb der Finger suchen.

Die Erwerbsbeeinträchtigung bei vollkommenem Verlust des Daumens der
Arbeitshand wird bei der militärischen Begutachtung mit 25—331/3°/0 der Gesamt-
erwerbsfähigkeit bewertet, bei Verlust des Zeige- oder Mittelfingers mit 15%, des
Ring- oder Kleinfingers mit 10%. Darin kommt die Sonderstellung des Daumens
zum Ausdruck. Die Bewertung ist ähnlich wie bei Verlust eines Auges (33x/3%).

Neben der Greiftätigkeit der Finger können auch der Arm und die Hand
zum Greifen, Halten oder Tragen verwendet werden. Der rechtwinklig gebeugte
Arm beispielsweise ist wegen seiner Hakenform und des günstigen Momentes der
Beugemuskeln in dieser Stellung ein viel gebrauchter Träger; Henkelkörbe und
dergleichen sind dem angepaßt. Aber die Spezifikation der Finger wird von
keinem anderen Teil des Körpers auch nur annähernd erreicht. Sie sind den
Greifklauen der Technik, der Krebsschere und anderen Apparaten ähnlicher Art
bei Tieren, was Vielseitigkeit des Greifens angeht, ganz außerordentlich überlegen.

Die Finger spielen eine große Rolle als Ausdrucksmittel, Gestikulieren,
besonders bei südlichen Rassen. Durch das hohe Tastvermögen der Fingerkuppen
sind sie eine Art besonderen Sinnesorganes, für welches wiederum der große Ver-
kehrsraum, den ihnen das Hebelsystem von Arm und Hand gewährt, das wert-
bestimmende Prinzip ist (S. 221). Das Dekadensystem ist von der Zehnzahl der
Finger abgeleitet.

Der Daumen ist zwei-, und die übrigen Finger sind dreigliedrig; dem- abringe?,
entsprechend finden wir am Daumen zwei, an den übrigen Fingern drei Knochen, r£^g6
 
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