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Braus, Hermann
Anatomie des Menschen: ein Lehrbuch für Studierende und Ärzte (Band 1): Bewegungsapparat — Berlin, Heidelberg, 1921

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https://doi.org/10.11588/diglit.15149#0030

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Baumaterialien.

L9

D. Die Baumaterialien des menschlichen Körpers.

Der Körper ist letztlich aus Zellen zusammengesetzt. Wir nennen so Struktur-
kleinste abgegrenzte Mengen der lebendigen Substanz. Sie wurden zuerst bei (zeüe,6
Pflanzen entdeckt und nach den — allerdings abgestorbenen — mikroskopisch Gewebe>
kleinen, wabigen Elementen des Flaschenkorkes benannt. Gerade die den Pflanzen-
zellen eigene Hülle der Zelle, die aus Zellulose besteht, ist der am wenigsten
wichtige Bestandteil der Zelle. Man sieht z. B. bei Algen unter dem Mikroskop,
wie die Hülle platzt und der Inhalt seine „Zelle" verläßt, um herumzuschwärmen
und eine neue Alge zu bilden. Der frei gewordene Häftling ist also die Haupt-
sache. Man nennt ihn Zelleib, Protoplasma. Tierische Zellen haben meistens
nur eine krustenartige Abgrenzung des Zelleibes, keine separate Hülle. Zu der
Zelle gehört regelmäßig ein Kern, Nucleus, der eine besondere Rolle bei
der Vermehrung der Zelle spielt. Er ist ihr Teihmgsorgan. Eine färbbare
Substanz des Kerns, das Chromatin, ordnet sich zu Beginn der Teilung in
Fäden von bestimmter Zahl (beim Menschen 48 Stück, Chromosomen).
Jeder Faden spaltet sich der Länge nach in zwei Fäden. Durch einen besonderen
Mechanismus werden die Hälften der Fäden an zwei einander gegenüberliegenden
Polen der Zellen gesammelt und dann zu einem neuen Kern vereinigt. Nachdem
sich der Zelleib so geteilt hat, daß in jeder Hälfte je ein neu gebildeter Kern liegt,
ist die Zellteilung zu Ende: aus einer Zelle sind zwei entstanden. Man nennt
den ganzen Zyklus wegen der Auflösung des Kernes in Fäden: mitotische
Teilung (oder indirekte Teilung). Eine unmittelbare (direkte) Halbierung
des Kerns in zwei oder mehr Kerne kommt zwar bei vielen Zellen vor; sie ist
aber meistens nicht von einer Zellteilung gefolgt. Der Umweg über die mitotische
Zerlegung des Kerns hat Bedeutung für die Vererbungsprozesse. Die einzelnen
Kernfäden der Mutterzelle sind spezifische Individuen, Vererbungsträger, deren
Abkömmlinge durch die Längsteilung eines jeden Fadens jeder Tochterzelle
mit auf den Weg gegeben werden.

Es gibt noch eine Reihe anderer Bestandteile der Zelle außer Protoplasma
und Kern. Es scheint aber, daß kein Stück der Zelle für sich lebensfähig ist,
wenn auch früher die einfachsten Zellen aus einzeln lebenden Bestandteilen
der jetzigen Zellen entstanden sein mögen. Einzeln lebende Zellen gibt es dagegen.
Die niedersten Tiere, die Protozoen, sind solche. Einzelne Zellen höherer Wesen,
auch des Menschen, lassen sich aus dem Verband des Körpers lösen und durch
Züchtung auf dem Objektträger isoliert am Leben erhalten, so daß sie sich
vermehren. Das Ei und der Samenkörper, aus deren Vereinigung das Kind
entsteht, sind natürliche, aus dem Körperverband ausscheidende Einzelzellen.
Wir nennen deshalb die Zelle den Elementarorganismus. Die Lehre von
den Zellen heißt Zytologie.

Die Zellen ordnen sich durch Vermehrung zu Zellverbänden. Da sich
Zellen dabei verschieden verhalten, indem entweder sie selbst im Verband ver-
schiedene Form annehmen oder verschiedenartige Abscheidungen von Zellen,
Zellderivate, in den Vordergrund treten, kommen sehr verschiedene Zell-
verbände zustande. Bei manchen sind die erzeugenden Zellen ganz durch ihre
Derivate zurückgedrängt; ihnen zu liebe ist für die Zellverbände der Name
Gewebe geprägt worden. Man nannte so die den Textilstoffen unserer Technik
vergleichbaren faserigen Substanzen, welche unter der Epidermis in der Lederhaut
(Korium) und an vielen anderen Stellen des Körpers vorkommen. Man nennt
danach allgemein die Lehre von den Zell verbänden Gewebelehre, Histiologie.
Es gibt folgende Gewebe:

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