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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 1): Die Bildhauer — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4968#0029
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I. Die Sage und die ältesten Künstlergruppen bis gegen Ol. CO.

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von Künstlern in Rücksicht auf Glaubwürdigkeit sich gewiss nicht mit Pausanias
messen dürfen, welcher trotz mancher Irrthümer seine Nachrichten über die
Geschichte der Künstler mit besonderer Aufmerksamkeit gesammelt hat. Diodor
dagegen schöpft aus der Ueberlieferung später aegyptischer Priester, von denen
schwerlich anzunehmen ist, dass sie sich um die Genealogien der Künstler vor-
zugsweise bekümmert haben. Erfuhr er aber auch aus ihrem Munde das Rich-
tige, so war noch immer ein Irrthum beim Wiedererzählen möglich. Noch
weniger dürften wir uns wundern, wenn Diogenes Laertius aus Versehen den
hekannten Genossen des Theodoras zu dessen Vater gemacht hätte. Wir legen
deshalb diese beiden Zeugnisse zunächst bei Seite und prüfen, wie weit in
allen übrigen Nachrichten die Uebereinstimmung reicht. Da finden wir nun
einen einzigen Theodoras, der noch dazu nicht einfach Hainas, sondern aus-
drücklich ö 2af/u>g genannt wird, -der bekannte Samier", den Herodot, Pau-
sanias gewiss noch näher bezeichnet hätten, sofern ihnen ein anderer in nicht
weit davon entfernter Zeit bekannt geworden wäre. Dieser Theodoras ist aber
immer Sohn des Telekles und Genosse des Rhoekos. Dadurch löst sich die
ganze Verwickelung in folgendem einfachen Schema auf:

Phileas Telekles

Rhoekos Theodoras.
Den Prüfstein dieser Genealogie werden nun die chronologischen Bestimmungen
abgeben, wenn wir nachweisen, dass diese sämmtlich sich auf einen einzigen
Theodoras beziehen lassen.

Den ersten sichern Haltpunkt bietet uns das silberne Mischgefäss des
Theodoras, welches Kroesus vor dem Brande des Tempels nach Delphi weihte,
d. i. vor Ol. 58, 1*). Ferner ist ein Werk des Theodoras der Ring des Poly-
krates, der Ol. 62—64 Tyrann von Samos war, diesen Ring jedoch schon früher
hesitzen konnte. Diesen Bestimmungen scheint nun freilich schnurstracks ent-
gegen zu laufen, was Plinius2) berichtet: Sunt qui in Samo primos omnium
plasticen invenisse Rhoecum et Theodorum tradant, multo ante Bacchiadas
Corintho pulsos. Auf diese Angabe gründet sich die Ansicht von Thiersch,
dass diese Erfinder der Plastik am Anfange der Olympiaden gelebt und von
einem späteren Geschlecht zur Zeit des Kroesus verschieden sein müssten.
Allein schon Welcker 3) hat auf den Irrthum hingewiesen, in dem Plinius sich
befindet, wenn er jenen Künstlern die Erfindung der Plastik anstatt des Erz-
gusses beilegt. Dieser Irrthuni aber hatte einen zweiten im Gefolge: da bei
der Vertreibung der Bacchiaden um Ol. 30 die Plastik nach Italien verpflanzt
sein sollte, so musste natürlich Plinius seine angeblichen Erfinder in ein noch
höheres Alter hinaufrücken. Diese Bestimmung aber fällt von selbst, sobald
die Voraussetzung, die Erfindung der Plastik, als falsch nachgewiesen ist.

Eine andere Angabe führt uns auf die Geschichte des ephesischen Tem-
pels. Diogenes Laertius und ebenso Hesychius Milesius (so wie, nur mit Weg-
lassung des Namens, auch Plinius)4) erzählen nemlich, auf den Rath des Theo-
doras habe man die Grundlagen dieses Tempels mit Kohlen ausgefüttert, um die

>) Herod. I, 51. Paus. X. 5, 13. 35, 152. 3) zu Phüostr. p. 196. •*) 36. !I5.
 
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