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Brunn, Heinrich von
Geschichte der griechischen Künstler (Band 2): Die Maler. Die Architekten. Die Toreuten. Die Münzstempelschneider. Die Gemmenschneider. Die Vasenmaler — Stuttgart, 1889

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https://doi.org/10.11588/diglit.4969#0114
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104

Die Maler.

sprochene Eigenschaft wirklich zukomme. Ganz freigesprochen kann also Pau-
sias von jenem Vorwurfe auf keinen Fall werden. Wie nun über Parrhasios,
der Einzelnes in dieser Richtung gearbeitet hatte, bemerkt ward, er habe es
mehr zur Erholung und als muthwilligen Scherz betrieben, so könnte man viel-
leicht von Pausias dasselbe annehmen. Sollte jedoch auch Pausias ernsthafter
und mit mehr künstlerischer Prätension hierbei verfahren sein, obwohl er ja
keineswegs ausschliesslich oder auch nur vorzugsweise in dieser Richtung sich
bewegte, so können wir ihn darüber freilich nicht rechtfertigen, aber eben so
wenig dürfen wir wegen solcher Auswüchse in einer Zeit gelockerter Sitten
sofort gegen die griechische Kunst im Allgemeinen ein Verdammungsurtheil
auszusprechen uns für berechtigt halten. Auf jeden Fall tritt auch bei Pausias
dieser gelinde Makel gegen seine sonstigen Verdienste in den Hintergrund.
Wir bestimmten dieselben zu Anfang unserer Erörterungen dahin, dass er von
den theoretischen Studien und Forschungen seines Lehrers die umfassendsten
154 praktischen Anwendungen zu machen verstanden habe. Wie wir nachher fanden,
war dies der Fall sowohl hinsichtlich der Kenntniss der Zeichnung, welche ihn
zur Lösung der schwierigsten Probleme befähigte, als hinsichtlich der Ausbil-
dung einer ganz neuen Malertechnik, welche das Golorit zu einer noch höheren
Naturwahrheit, als sie bisher möglich war, zu steigern erlaubte. Zum Schluss
aber müssen wir noch darauf hinweisen, dass er auch in einer dritten Bezie-
hung sich als seines Lehrers würdig erwies, nemlich darin, dass er selbst wieder
der Lehrer tüchtiger Schüler wurde, also auch zur ferneren Aufrechterhaltung
des Kuhmes der sikyonischen Schule das Seine beitrug.
Die erste Stelle unter ihnen mag einnehmen:
Aristolaos,

zugleich Sohn und Schüler des Pausias. Plinius J) nennt ihn einen der streng-
sten Maler und führt als seine Werke an: Epaminondas, Perikles, Medea, Virtus,
Theseus, ein Bild des attischen Volkes und ein Stieropfer. Ob jede dieser Fi-
guren für sich oder mit nicht angeführten Nebenfiguren ein Bild ausmachte,
oder ob mehrere der genannten zusammengehörten, lässt sich nicht mit Sicher-
heit bestimmen. Wichtig aber ist es, aus diesen Anführungen zu sehen, dass
die sikyonische Schule ihren Einfluss auch nach Attika ausdehnte. Denn der
Demos, Perikles, Theseus gehören diesem Lande an, vielleicht auch Medea; und
die von E. Braun herausgegebenen Darstellungen der sogenannten Kodrosschale
können uns wohl auf die Vermuthung führen, dass zwischen mehreren der von
Plinius angeführten Figuren, namentlich Medea, Virtus, Theseus und dem De-
mos eine bestimmtere Beziehung anzunehmen sei. Hinsichtlich der Verdienste
des Künstlers sind wir durchaus auf das Lob der Strenge bei Plinius beschränkt
und dürfen uns höchstens erlauben, dasselbe auf die Gründlichkeit der Bildung
als der sikyonischen Schule vorzugsweise eigen zurückzuführen.

Verwickelter sind die Untersuchungen über den zweiten Schüler des
Pausias:

N i k o p h a n e s.

155 Plinius fährt nemlich nach Erwähnung des Aristolaos fort*): „Einigen gefällt

!) 35, 137. 2) 35, 137.
 
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