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Buchner, Ernst [Hrsg.]
Augsburger Kunst der Spätgotik und Renaissance — Augsburg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.28869#0288
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denen der Franensteiner Beter. deren Gesichtsaus-
drnck mir durch die entstellende barocke Bema
hing ein starrer, glotzender geworden ist. Der
Faltenwurf der Heiligen läßt sich vorzüglich mit
dem der Frauensteiner Schützlinge und der Cister-
zienser derKaisheimerin vergleichender ruhigere,
stralfere hl. Benedikt mit dem der Faisheimerin
seihst.
In der Zwettler Madonna liegt nun ein weicher,
fülliger Schwung, der sie von ihren hieratischen
Schwestern ahrückt und mehr an die Madonna des
AugsburgerMaximiliansmusemns.mit deren Fnäb-
lein ihr Jesuskind sich auch berührt, denken
läßt. Die Entstehung dieser Madonna vor 1500
ist mir nicht einleuchtend. Ich will also neuerlich
die Schwierigkeit des Händescheidens hei den eng
zusammengehörigen Werken betonen. Nun läßt
sich für die, seihst von ihren männlichen Nach-
barn abweichende ,,barockere" Erscheinung der
Zwettlerin eine Erklärung tinden. Sie ist durch ein
Vorbild der österreichischen Plastik bedingt, von
dem sie auch ikonographisch abhängt (Madonna
mit der Weintraube): Michel Pachers Spätwerk in
der Salzburger Franziskanerkirche. Von ihr kommt
der diagonale Zug und Schwung der Falten, von
ihr kommt das liebliche, etwas puppenhaft kind-
liche Oval des Antlitzes mit der mächtig überhöh-

ten Stirn*). Der Meister der Zwettlerin hat das
dann ins Schwäbische übersetzt.
Zwettler. Faisheimer, Frauensteiner Madonna bil-
den irgendwie eine Gruppe, die mit den übrigen,
dem ,,Blauheurer Meister" zugeschriebenen Wer
ken aufs engste verwurzelt ist, während mir die
Beziehungen zu mutmaßlichen Steinplastiken des
Gregor Erhärt weniger einleuchten; doch müssen
wir hierüber Feuchtmayrs angekündigte For-
schungsresultate abwarten.
Der Schnitzer der Zwettler Figuren ist jedenfalls,
wenn auch nur vorübergehend, im Österreichischen
gewesen; das lehrt uns der Zusammenhang mit
der Pachermadonna. Daß es der noch jüngere
Gregor Erhärt war, wäre ganz einleuchtend, wenn
man die Beauftragung des jungen Breu mit den
Flügelgemälden bedenkt. Der Orden, der den
Schrein bestellte, war derselbe, der die Kaisheimer
Madonna in Auftrag gab. Das ethnisch-geogra-
phische Problem ist jedenfalls für die Entwicklung
des Malers wie des Schnitzers ein analoges. Von
dem übrigen bildnerischen Schmuck des Altars
sind nur noch die Figuren imGespreng alt — wenig
bedeutende provinzielle Arbeiten. Der architek-
tonische Über- und Unterbau sowie der Sockel der
Schreinhguren sind völlig neu.

Exkurs n. AE!bOHEER UN)) DER „DONAUSTIE".

So wie ihre schöpferische Eigenart Cranach und
Breu befähigte, auf vorhandenen Grundlagen
einen starken persönlichen Stil zu schallen, der in
Österreich den Beginn der neuen Zeit bedeutet, so
befähigte Altdorfer seine individuelle Künstler-
schaft, auf den Schöpfungen seiner Vorgänger als
Grundlage einen persönlichen Stil zu schallen, der,
im Gegensatz zu dem seiner Vorgänger, zu einem
breiten Allgemeinstil seiner Zeit werden sollte. Es
kann keinem Zweifel unterliegen, daß die primäre

schöpferische Leistung Cranachs und Breus grö-
ßer ist als die Altdorfers. Der Abstand, der zwi-
schen ihnen und dem 15. Jahrhundert trotz aller
entwicklungsgeschichtlichen Zusammenhänge be-
steht, ist ungleich größer als der zwischen ihnen
und Altdorfer. Ihre heroische Zeit war erfüllt vom
Wachsen starker Persönlichkeiten, das Verlangen
nach einer allgemein verbindlichen Stilformel, wo
man eben erst die des 15. Jahrhunderts abgeschüt-
telt hatte, bestand noch nicht. Doch um 1510 ist

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