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Die Bücherstube: kleine Mitteilungen aus der Bücherstube — 2.1922/​1923

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https://doi.org/10.11588/diglit.41355#0015
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Oe6anken rum illustrierten sckönen bucke

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Satzbild oder werden von ihm verschluckt, stehen aus eingefügten Tafeln, selbst zu
groß oder zu klein für den Satzspiegel, abgesondert vom Text in freudloser Einsamkeit
da. Sie sind mit Vorliebe wiedergegeben in graphischen Verfahren, die sich gerade
nicht für das Buch eignen, vom aufgeklebten Drei- und Vierfarbendruck Wiener
Provenienz über Lichtdruck, Gravüre, Lithographie bis zur vornehmen, durch einge-
klebte säuberliche Seidenpapierblättchen geschützten Radierung. Die Formate monu-
mental, Folio, Groß-Folio, Ausmaße und Stil einer Kathedrale für einen Krämer-
laden. Sähe ein Unbefangener eine Reihe moderner illustrierter Luxusdrucke im Fache
nebeneinanderstehen, er müßte glauben, eine Sammlung alter -Meßbücher, -Bibeln
oder Atlanten vor sich zu haben, keine Bücher aus unserer Zeit. Der Gedanke macht
sich breit, als wollten die Verleger und die sonst mit dem Buche zu tun haben (die
Künstler nicht ausgenommen) die innere -Nichtigkeit ihrer Erzeugnisse durch äußerliche
Größe verdecken, um denen zu imponieren und einen Köder htnzuwersen, die sich des
Massigen noch nicht ganz entwöhnt haben.
Alle die „illustrierten schönen Bücher" der gerügten Art, dieser Haufen von Bilder-
büchern im üblen Sinne, nur dazu angetan, die Schaulust zu reizen, vom Wort und
Gedanken des Dichters abzulenken und jedes eigene Vorstellungsvermögen des Lesers
zu ersticken oder in fremde Bahnen zu lenken, sie alle sind im Grunde um nichts besser
als die vtelgeschmäyten greulichen „illustrierten Prachtwerke" der siebziger und acht-
ziger gahre, die illustrierten Klassikerausgaben, der Trompeter von Säckingen mit
Goldschnitt usw. usw. Der äußere Schliff hat sich der Zeit angepaßt, wie der Arri-
vierte von heute sich im Klubsessel rekelt, während die Väter seiner früheren Herren
noch das Kameltaschensofa für den Gipfel der Vornehmheit hielten, die Unkultur ist
die gleiche. Damals süßer Kitsch, jetzt saurer oder süß-saurer Kitsch, aber Kitsch, das
ist das Gegenteil von Qualität.
gch bin kein Gegner des illustrierten Buches schlechthin, die Freude über ein in
jeder Hinsicht schönes illustriertes Buch wiegt bet mir sogar doppelt wegen der Selten-
heit dieses Ereignisses. Aber mein Herz (und das Herz manches Gleichgesinnten) ge-
hört doch dem schlichten, rein-typographischen Buche. Dem Buche, das durch seine
unaufdringliche Schönheit den Dichter ehrt und den Geist aus das Wort sammelt,
nicht durch illustrierendes Beiwerk die Phantasie notzüchtet. Dieses Buch, Lesebuch
im höchsten Sinne, soll den Ehrenplatz haben. Wer ein Buch durch unnützes und
unwürdiges Bebildern zum bloßen Schaustück erniedrigt, versündigt sich am Geiste
des Dichters. 8cnui.ie-äi^7tt^u8
 
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