Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Die Bücherstube: kleine Mitteilungen aus der Bücherstube — 2.1922/​1923

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.41355#0014
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
4

Oeclsnken rum illustrierten schönen Kuclre

auf die eigentlichen Bilder, sondern erstreckt sich auch auf die Schrift in Initialen,
Zterbuchstaben, Randleisten, Rubriken, Zwischenlinien, so zieht sich der Prunk durch
den ganzen Band und gibt ihm ein einheitliches Gepräge. In Frankreich liebt man
es, in bibliophilen Publikationen die alten illuminierten Prunkbücher zu imitieren;
derartige Drucke sind für unseren Geschmack, gelinde gesagt, mehr archaistisch als schön.
-Mit der innern Einstellung aus ein zu illustrierendes Buch soll sich jeder Künstler
selbst abfinden. Ich meine: Der Stoff muß ihn im Innersten packen, in ihm arbeiten
und gären, bis mit ursprünglicher Kraft der Extrakt hervorbricht und zu künstlerischer
Gestaltung zwingt. Kein handwerkliches -Nachbilden dessen, was der Dichter schon
mehr oder weniger ausführlich dargestellt hat, sondern ein einsühlendes Weiterbilden,
ein Wecken des in der Dichtung Schlummernden, vom Dichter unbewußt in Schlaf
gelassen. Steigerung der Dichtung durch das Mittel des Bildes. Der Künstler soll
neben dem Dichter stehen, mit Berechtigung sagen können: „Dichtung von A und
Bilder von B". Das Werk soll von beiden sein, wie die Mörike-Lieder Hugo Wolffs
von Mörike und Hugo Wolfs sind. - Es gibt wenige Bücher, die sich so illustrieren
lassen, weil sie zu gut oder weil sie zu schlecht sind, und es gibt wenige Künstler, die
so illustrieren können. Wer fühlt, daß er dieses Ziel nicht erreichen kann, der lege den
Stift des Illustrators beiseite. Wir bekämen dann nur selten ein illustriertes Buch,
doch ein echtes, das Berge von Talmiware auswöge.
Alle diese Forderungen verstehen sich für einen Bücherfreund eigentlich von selbst.
Wie wenig sie von denen, die sie von Grund aus kennen sollten, beachtet werden,
lehrt ein Blick in die Masse der sogenannten „illustrierten schönen Bücher" der letzten
zwei oder drei gahre. Was wurde und wird nicht alles illustriert! -Und wie wurde
und wird es illustriert! Kein Werk des Schrifttums alter und neuer Zeit, Bedeutendes
und Nichtiges, Deutsches und Ausländisches, ist mehr sicher vor der Gefahr, von einem
tllustrationswütigen konjunkturkundigen Verleger einem Graphiker zur Bebilderung
zugetrieben zu werden. Denn bei vielen, den meisten Buchillustrationen hat man nicht
den Eindruck des unbedingt zur Form drängenden künstlerischen Muß, sondern des
nüchternen Auftrags. Der Künstler nimmt ihn an und führt ihn aus (was man ihm
nicht verdenken kann, es ist immer noch angenehmer als Fahnenstangen zu streichen),
- recht, wenn er sich die Mühe macht, mit dem Text in Fühlung zu kommen, das
gelingt oft gerade den noch strebenden und begeisterungssäyigen Kleineren, schlecht,
wenn er nur darauf bedacht ist, mit gewandter Hand den Auftrag zu erledigen und
das Honorar zu kassieren, wovor auch die saturierten Großen nicht zurückscheuen.
- Alle bösen Geister der „Buchkunst", die man in den letzten Friedensjahren gebannt
wähnte, treiben wieder ihr -Unwesen. Es herrscht ein Mangel an Gefühl dafür, daß
Art, Größe, Stärke der Schrift, Licht und Dunkel der Seite (Durchschuß und leere
Ränder), Format, ja Stärke und Gefüge des Papieres sich der Eigenheit von Sprache
und Inhalt des Textes anzupassen haben. Die Illustrationen erdrücken, zerreißen das
 
Annotationen