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aufragt. Aber beim Näherkommen wandelt sich der erst so bedeutende und ersreuliche Eindruck des Ganzen
leider sehr bald. Das schöne romanische Portah durch welches der Besucher die Ningmauer durchschreitet,
lätzt ihn in einen Guts- und Viehhof eintreten, wo wuchernder Graswuchs, Schmutz und erbärmliches
Pflaster das Weitervordringen erschweren. Die Einzelgebäude erscheinen je nach Willkür zu den ver-
schiedensten landwirtschastlichen Zwecken umgemodelt, und der herrliche Dom erweist sich als zur Scheune
degradiert, mit brettervernagelten Fenstern, desekten Dächern und riesigen Holzeinbauten, wodurch das
Licht aus dem einst so hehren Naume sast ganz verbannt worden ist. —
Trotz alledem aber sind Kirche und Kloster auch im Stadium der übelsten Verwilderung noch schön,
von einer wehmütigen Schönheit, die den Kunst- und Architektursreund mit eigenartigem Zauber um-
bannt und ihm nahelegt, sich nicht nur in die Geschichte der Anlage zu vertiesen, sondern auch auf Mittel
und Wege zu sinnen, wie dem sortschreitenden Versall hier zu begegnen wäre. Es sei somit gestattet, im
solgenden kurz über die Vergangenheit des Klosters zu berichten und im Anschlutz hieran einigen Gedanken
und Erwägungen über die Gegenwart und Zukunst des Bauwerks, speziell der Kirche, Raum zu geben.
Ein Ort „Vetzra" kommt schon um 9OO in den Fuldaischen Schenkungen vor. Das Kloster selbst wurde
um 11ZO vom Grafen Gottwald von Henneberg und dessen Gemahlin Liutgard gegründet und mit regu-
lierten Klerikern (Prämonstratensern) besetzt, seinen Namen erhielt es vom nahen Flützchen Vescera.
Von den ersten Daten der Klostergeschichte ist noch das Aahr 1134 erwähnenswert, wo das Kloster dem
Altar des hl. Petrus in Bamberg übergeben wird, dann 1138 die Weihe der neuen Anlage durch Bischof
Otto von Bamberg und endlich 1141 die Bestätigung aller Besitze und Rechte durch Papst Annozenz II.
Seitdem bewegt sich die Entwicklung der jungen Gründung in stets aufsteigender Linie bis zur Ne-
sormation. Über die Art und Weise, wie das Kloster den ihm zufallenden Kulturaufgaben, insbesondere
der geistlichen Versorgung seiner näheren Amgebung, der Pslege der Wissenschast und des Anterrichts
obgelegen hat und inwieweit es diesen Aufgaben gerecht geworden ist, wird zurzeit noch verschieden
geurteilt. Dagegen unterliegt es keinem Zweisel, datz Vetzra in wirtschastlicher und politischer Hinsicht
von jeher aus der Höhe war und datz es zumal vermöge der Finanzgeschicklichkeit seiner Ansassen die be-
merkenswertesten weltlichen Erfolge errang. Von 1186 ab bis zum Ausgang des Mittelalters verzeichnete
das Kloster sast jedes Aahr Neuerwerbungen an Zehnten, Leibeigenen, liegenden Gütern, Kapitalien u. a. m.
Seine hauptsüchlichsten Wohltäter und Gönner waren die Grafen von Henneberg, die auch seit 1182 hier
ihre Begräbnisstätte hatten. Anter ihrem kräftigen Schutze konnte sich Vetzra nach jeder Nichtung hin
ungestört weiterentwickeln, es wurde nach und nach sür seine Umgebung, sür den eingesessenen Adel, ja
sür das Herrscherhaus selbst das hauptsächlichste Geldinstitut. Seine Einkünfte beliefen sich am Ende des
16. Fahrhunderts auf 4OOO Gulden, 1OOO Malter Korn, je 2OO Malter Weizen und Gerste, 16OO Hafer,
1OO Erbsen, 3O Dinkel und 26 Fuder Wein. Die Pröbste nannten sich seit 1333 Äbte und Kaiser Sigis-
mund brauchte 1437 sogar den sürstlichen Titel gegen sie.
Vetzra hat allerdings das Glück gehabt, von allgemeinen Landschäden oder Rnglücksfällen (z. B.
Feuer) sast ganz verschont zu bleiben. Nur vom Aahre 13O4 wird erwähnt, datz Walter v. Barby hier mit
lOOOReitern als I108P68 uou 1uvitatu8, auf einem Raubzuge begrisfen, geweilt habe. Selbst der Bauern-
krieg, der ja den meisten Klöstern in schlimmer Weise mitspielte, berührte Vetzra nur wenig. Das Kloster
ward geplündert, aber nicht verbrannt, und es befand sich noch immer im Vollbesitz seiner Güter und Nechte,
als sich der Konvent später der Reformation unterwars. Dies bedeutete selbstverständlich das Ende der
klösterlichen Existenz.
Die Auflösung des Klosters vollzog sich friedlich und ohne gewaltsame Eingrisse von oben her. Graf
Georg Ernst von Henneberg wartete erst den Tod des letzten Abtes Aohannes ab, ehe er die Güter einzog,
die nun zur herrschaftlichen Kammer geschlagen wurden. Hier in Vetzra wie in Nohr wurde eine Stuterei
eingerichtet — es entstand die noch heute vorhandene Domäne. — Will man gerecht sein, so dars man sich
der Einsicht nicht verschlietzen, datz die damals erfolgte Prosanierung der Kirche und deren Benutzung
als Scheune uns das Gebäude überhaupt erhalten hat. Hätte man es leer und unbenutzt stehen lassen,
dann wäre es sicher ähnlich wie in Paulinzella gegangen, wo man ja die berühmte Basilika im Laufe
aufragt. Aber beim Näherkommen wandelt sich der erst so bedeutende und ersreuliche Eindruck des Ganzen
leider sehr bald. Das schöne romanische Portah durch welches der Besucher die Ningmauer durchschreitet,
lätzt ihn in einen Guts- und Viehhof eintreten, wo wuchernder Graswuchs, Schmutz und erbärmliches
Pflaster das Weitervordringen erschweren. Die Einzelgebäude erscheinen je nach Willkür zu den ver-
schiedensten landwirtschastlichen Zwecken umgemodelt, und der herrliche Dom erweist sich als zur Scheune
degradiert, mit brettervernagelten Fenstern, desekten Dächern und riesigen Holzeinbauten, wodurch das
Licht aus dem einst so hehren Naume sast ganz verbannt worden ist. —
Trotz alledem aber sind Kirche und Kloster auch im Stadium der übelsten Verwilderung noch schön,
von einer wehmütigen Schönheit, die den Kunst- und Architektursreund mit eigenartigem Zauber um-
bannt und ihm nahelegt, sich nicht nur in die Geschichte der Anlage zu vertiesen, sondern auch auf Mittel
und Wege zu sinnen, wie dem sortschreitenden Versall hier zu begegnen wäre. Es sei somit gestattet, im
solgenden kurz über die Vergangenheit des Klosters zu berichten und im Anschlutz hieran einigen Gedanken
und Erwägungen über die Gegenwart und Zukunst des Bauwerks, speziell der Kirche, Raum zu geben.
Ein Ort „Vetzra" kommt schon um 9OO in den Fuldaischen Schenkungen vor. Das Kloster selbst wurde
um 11ZO vom Grafen Gottwald von Henneberg und dessen Gemahlin Liutgard gegründet und mit regu-
lierten Klerikern (Prämonstratensern) besetzt, seinen Namen erhielt es vom nahen Flützchen Vescera.
Von den ersten Daten der Klostergeschichte ist noch das Aahr 1134 erwähnenswert, wo das Kloster dem
Altar des hl. Petrus in Bamberg übergeben wird, dann 1138 die Weihe der neuen Anlage durch Bischof
Otto von Bamberg und endlich 1141 die Bestätigung aller Besitze und Rechte durch Papst Annozenz II.
Seitdem bewegt sich die Entwicklung der jungen Gründung in stets aufsteigender Linie bis zur Ne-
sormation. Über die Art und Weise, wie das Kloster den ihm zufallenden Kulturaufgaben, insbesondere
der geistlichen Versorgung seiner näheren Amgebung, der Pslege der Wissenschast und des Anterrichts
obgelegen hat und inwieweit es diesen Aufgaben gerecht geworden ist, wird zurzeit noch verschieden
geurteilt. Dagegen unterliegt es keinem Zweisel, datz Vetzra in wirtschastlicher und politischer Hinsicht
von jeher aus der Höhe war und datz es zumal vermöge der Finanzgeschicklichkeit seiner Ansassen die be-
merkenswertesten weltlichen Erfolge errang. Von 1186 ab bis zum Ausgang des Mittelalters verzeichnete
das Kloster sast jedes Aahr Neuerwerbungen an Zehnten, Leibeigenen, liegenden Gütern, Kapitalien u. a. m.
Seine hauptsüchlichsten Wohltäter und Gönner waren die Grafen von Henneberg, die auch seit 1182 hier
ihre Begräbnisstätte hatten. Anter ihrem kräftigen Schutze konnte sich Vetzra nach jeder Nichtung hin
ungestört weiterentwickeln, es wurde nach und nach sür seine Umgebung, sür den eingesessenen Adel, ja
sür das Herrscherhaus selbst das hauptsächlichste Geldinstitut. Seine Einkünfte beliefen sich am Ende des
16. Fahrhunderts auf 4OOO Gulden, 1OOO Malter Korn, je 2OO Malter Weizen und Gerste, 16OO Hafer,
1OO Erbsen, 3O Dinkel und 26 Fuder Wein. Die Pröbste nannten sich seit 1333 Äbte und Kaiser Sigis-
mund brauchte 1437 sogar den sürstlichen Titel gegen sie.
Vetzra hat allerdings das Glück gehabt, von allgemeinen Landschäden oder Rnglücksfällen (z. B.
Feuer) sast ganz verschont zu bleiben. Nur vom Aahre 13O4 wird erwähnt, datz Walter v. Barby hier mit
lOOOReitern als I108P68 uou 1uvitatu8, auf einem Raubzuge begrisfen, geweilt habe. Selbst der Bauern-
krieg, der ja den meisten Klöstern in schlimmer Weise mitspielte, berührte Vetzra nur wenig. Das Kloster
ward geplündert, aber nicht verbrannt, und es befand sich noch immer im Vollbesitz seiner Güter und Nechte,
als sich der Konvent später der Reformation unterwars. Dies bedeutete selbstverständlich das Ende der
klösterlichen Existenz.
Die Auflösung des Klosters vollzog sich friedlich und ohne gewaltsame Eingrisse von oben her. Graf
Georg Ernst von Henneberg wartete erst den Tod des letzten Abtes Aohannes ab, ehe er die Güter einzog,
die nun zur herrschaftlichen Kammer geschlagen wurden. Hier in Vetzra wie in Nohr wurde eine Stuterei
eingerichtet — es entstand die noch heute vorhandene Domäne. — Will man gerecht sein, so dars man sich
der Einsicht nicht verschlietzen, datz die damals erfolgte Prosanierung der Kirche und deren Benutzung
als Scheune uns das Gebäude überhaupt erhalten hat. Hätte man es leer und unbenutzt stehen lassen,
dann wäre es sicher ähnlich wie in Paulinzella gegangen, wo man ja die berühmte Basilika im Laufe