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Vereinigung zur Erhaltung Deutscher Burgen [Hrsg.]
Der Burgwart: Mitteilungsbl. d. Deutschen Burgenvereinigung e.V. zum Schutze Historischer Wehrbauten, Schlösser und Wohnbauten — 16.1915

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Nr. 5
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Diez, Ernst: Burgen in Vorderasien
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https://doi.org/10.11588/diglit.32141#0119
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M. Dieulafoy, der als einer der ersien persische Baudenkmäler genau untersuchte und aufgenommen hat,
versucht den Beweis für das Schloß Gaillard, das der Normannenkönig Nichard Löwenherz im Iahre 1198
südlich von Nouen gegen die Franzosen gebaut hat*). Mit dessen innerer Befestigungsmauer, die durch
eine dichte Aolge von Rundtürmen gebildet ist, lebte der Geist der alten assyrischen Festungsmauer mit
einem Male im Westen auf. Alle verteidigungstechnischen Hauptgesehe des orientalischen Befestigungs-
baues, die Anabhängigkeit der einzelnen Abschnitte und die vollkommene Flankierung sind am Chateau
Gaillard durchgeführt. Ganz ähnliche Beobachtungen machen wir aber auch au den Burgen der Hohen-
staufen in Apulien. Da steht z. B. auf einer Anhöhe bei Barletta die im Auftrag Friedrichs II. um 1240
erbaute Burg Castell del Monte, ein achtseitiger Bau mit acht polygonalen Türmen. Das Kastell steht
heute blank da, war aber ursprünglich von einem dreifachen Mauerring umzogen, von dem noch Spuren

zeugen. Hier verlebte der verratene schwergeprüste Kaiser, als Burgherr nach morgenländischer Art
geschützt von seiner sarazenischen Leibwache, manches Iahr. Schubring suchte in seiner Studie „Schloß-
und Burgbauten der Hohenstaufen in Apulien" (Spemanns Hefte „Die Baukunst" 2, 5) vergebens nach
einem Vorbild für diesen höchst eigentümlichen Grundriß in Italien und dem Westen, und mußte es bei
einem Hinweis auf die achtseitige Kapelle San Vitale in Ravenna bewenden lassen. Auch Richard
Löwenherz baute einige Vorwerke seiner Burg an der Seine polygonal. Die Burg Dschelal eddins bei
Dschadscharm und mehrere andere neuere Burgen in Persien zeigen, woher solche Baugestalten viel-
leicht eingeführt wurden.

Die oben zitierten Verse aus Südarabien erösfneten uns einen Ausblick auf das Alter des Rittertums
im Orient. Es blühte dort zu einer Zeit, in der in Westeuropa noch keine Burg stand. Wenn wir davon
absehen, in schwer kontrollierbare Zeiten zurückzugreisen und uns aus das Mittelalter beschränken, so
können wir unserem „lehten Ritter" Kaiser Maximilian den Schwiegersohn des Propheten °Al! als ersten
Ritter gegenüberstellen. Als der erste Ritter, oder besser, als der Ritter katexochen des islamischen Osten
wurde er vom Propheten selbst nach der Schlacht von OhoL (624) auf Grund einer Ofsenbarung des Erz-
engels Gabriel eingesetzt und stets verehrt. „Es gibt kein Schwert außer SülsazLr, und keinen Ritter
(Feta) außer 'Ali", so lautete das geflügelte Wort das die Damaszener in die Schwertklingen tauschierten.
Längst wurde am Chalifenhof zu BaghdLd, dem Zentrum des persischen Rittertums im Mittelalter die
Zeremonie des Nitterschlages geübt, bevor sie im Westen eingesührt wurde. Dabei trank man einen Toast
aus dem KLs al futuwwet, der Schale der Nitterschaft, der Schale des heiligen Graal. Das Einkleidungs-
stück war ein kurzes Beinkleid, ein Bogenschuß der symbolische Akt des ritterlichen Kampfes. Doch damit
kommen wir auf ein Gebiet, das einer eigenen Abhandlung vorbehalten bleibe.

*) Oaillarä st 1'Xrodit66tur6 8pliilit3.ir6 XIII Zisolk p. LI. Dioulalo)'; Lxtr. ä68 Nömoir68 I^Xog-äbmio 6

iri8oript. 6t I>6ll68 I^ttro? XXXVI; Paris 1898.
 
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