Berliuer TageWatt
Druck undVerlag von Rudolf Mosse in Berlin
KOBEIS MCHLASS.
MAJOLIKEN, TEPPICHE OTD BÜ.CHER.
A. D. Am Nacbmittag des 5. Novembers wird bei Paul Cassirer
in Berlin der Nacfilass Wilhelm von Bodes versteigert werden.
Die Witwe des grossen Museumsorganisators und Kunstforsehers
verlässt. die Bode-Villa in der Uhlandstrasse, um nach Dahlem
zu ziehen, und muss sick deshalb von dem künstlerischen Milieu
trennen, in dem der Kenner gelebt und gearbeitet hatte. In
der Einleitung zum Katalog, degsen wissenschaftliche Anmerkun-
gen Robert Schmidt und Ernst Kühnel zu danken sind, betont
Schmidr, uer Direktor des Schlussmuseums Berlin, dass Bode
nur wenig für sich zum „Schmuck des Hauses“ behalten habe
und dass es sich bier in der Hauptsache uta zwei Gebiete des
Kunstgewerbes handelt, in denen er Entdecker gewesen ist, um
cien orientalischen Teppich und die frühe italienische Majolika.
Die Werke, die er über diese beiden Materien niederschrieb —
für sein bej Klinkhardt & Biermann iu Leipzig erschienenes
Werk iiber den Orientteppich war Kühnel sein Mitarbeiter —,
bleibeu grundlegend für die Forschung.
Robert Schmidt sagt, dass über diesen Dingen des Bodeschen
Nachlasses „ein Schimmer persönlicher Weihe“ liege. Es ist
aber, meiae ich, nicht nur ein „Schimmer persönlicher Weihe“,
sondern für alle, die Bodes Hefm gekannt haben, ein Schimmer
persönlicher Wehmut. Die Stuudeu, die man dort zugebracht
hatte, bleiben unvexgesslich- Das letzte Mal war es im November
1928. Valentiner, der Direktor des Museums in Detroit, war
damals mit mir bei Bode zum Tee. Bode plauderte aus seinen
Erinnerungen, sprach über alle Tagesfragen und über jene
„Ewjgkeitsfragen“ der Kunst, die ihn mehr als ein halbes .Tahr-
hundert lang beschäftigt hätten. Und kurz nachher warf ihn
däe Krankheit nieder, der er am 1. März 1929 erliegen musste.
Der Nachlass enthält 58 italjenische Majoliken, von dem raren
Napf um 1400 ab, der Faönzakanne aus dieser Zeit bis zu den
Albarelli der zweitem Hälfte des 15. Jahrhunderts und bis zu der
grossen Florentiner Kanne von 1520. Und danu kommen die
sechzehn kostbaren Knüpfteppiche, die er in seinem Hause
liatte, von dem seltenen Stück mit dem Vogelmuster aus dem
16. Jahrhundert, dem kleinen asiatischen Teppich auf weissem
Grund mit dem Motiv „Wolken und Mond“ bis zu dem so-
genannten Holbein-Teppich mit dem hellroten Grund und der
Z.eichnung in Gelb. Dieser Orientteppich heisst deshalb Holbein-
Teppich, weil ihn der Augsburger Meister wiederholt in seinen
Bildern als Beiwerk gemalt hat. Wir finden ihn aber auch auf
Zablreichen Bildern der italienischen Renaissance. Und neben
den Teppicben sieht man bei Bode ein einziges Bild, das Bildnis
des Ariost von Sebastiano del Piombo, dem Venezianer, der
1547 iu Rom gestorben ist.
Ara 8. November bringen schliesslich Cassirer-IIelbing den
Rest der Bodescben Bibliothek. Der grösste Teil der Bücher-
reihe ist schon Ende 1921 bei Lepke versteigert worden. Damals
kamen drei Millionen Mark zusammen, und das waren immerhin
an 20 000 Dollar. Bode wollte den Auktionserlös zum Ausbau
des Asiatischen Museums in Dahlem verwenden, aber man lehnte
damals, wie. erinnerlich, sein grossherziges A.nerbieten ab.
Meister des 19. Jahrhunderts bej Wertheim. Am 12. No-
vember wird' bei Wertheim in Berlin eine hervorragende Samm-
iSII§TlARKT
tif • ■
Jüfc. 514
Donnerstag, 31. Oktober 1929
K BJ» ST.-llJK.TItSEN
Der 5. So'vena'ber bedeutet
einea hschweren“ Tag für das
deutsche Auktionswesen. An
diesein Tage beginnt bei Cassirer-
Helbing iu Berlin der Verkauf der
Sammlung Theodor Simon, der
des Nachla.sses Bode, von dem
icb an der Spitze dieser Iüunst-
seite sprecbe, dann die Versteige-
rung der Sammlungen Lanna und
Murray, a.n diesem Tage eröffnet
Boerner in Leipzig seine Ver-
steigerung seltener Kupferstiche,
die bier schon gewürdigt worden
sind, und Lempertz in Köln bietet
die Sammlung Dr. Theodor
Loewe-Breslau aus. So eine An-
bäufung von Auktionen an ein
und demselben Termin ist, das
muss icb schon sagen, ausser-
ordentlicb gefährlicb. Die Auk-
tionsbäuser sollten sich unterein-
ander verständigen, denn es gibt
unter den Amateuren der alten
Graphik sicher nocb solche, die
aueb für Qualitäten aus anderen
Kuustgebieten etwas übrig baben,
und es gibt sicher wieder auch
Sammler, die einen Teppieb aus
Bodes Berliner Besitz haben
möchten und anderseits irgend-
eins der Bilder der Sammlung
Loewe in Köjn. Kurzum: wenn
aucb Beriiu Berlin - ist, so sind
Leipzig und Köin nicht zu unter-
schätzeu. Aber an zwei Orten
kann inan „bekanntlich“ nicht zu
gleicher Zeit Hocbzeit macher,
geschweige denn an drei Orten,
Der November hat im ganzen
dreissig Tage. Und da die Inhaber
der erwähnten drei Auktionshäuser
wolil in ein und derselben Ver-
einigung sitzen, nämlich im Ver-
band des deutschen Kunst- und
Antiquitätenhandels, wäre es ein
leicbtes gewesen, die richtige
Einteilung zu treffeu. Jetzt aber
ist es'zu spät.
❖
Thcodor Simqns Be-
sitz, der, wie erwäbnt, bei
Cassirer ausgerufeu wird, umfasst
in der Hauptsache chinesisehe
Kunstgegenstände, die L. Reide-
meister katalogisiert hat, und
dann Gemälde, Möbel, Porezllane
des 18. Jahrbunderts, für deren
Kataloganmerkungeu C. F. Foer-
ster verantwörtlich zeichnet, In
der China-Abteiiung steben Grab-
figuren der ' Wei-Dynastie (386
bis 534). und Grabfiguren der
T’ang-Zeit (618 bis 906) an der
Spitze. Mehrere von den cbarak-
teristischen Stücken dieser Serie
lernte die breite Oeffentlichkeit
in der grossen chinesiscken
Kunstaussteiluug kennen, die zu
dßeginn 1929 _v0n der Geselischaft
für Ostasiatische Kunst gemein-
sam mit der Akademie der
Künste in den - Räumen der
Akademie veranstaltet worden
war. Man sah dort. die . grosse
stehende Frau aus der Wei-Zeit,
von der ein ähnliches Exemplar
bei Eumorfopoulos in London ist,
und von den T’ang-Sachen inter-
essierte vor allem das scbreiende
K.amei rait Führer. Doch auch
das klassische Kang-Hsi-Porzellan
(1662 bis' 1722) ist hier unter
anderm mit den beiden Habichten
in email sur biscuit klangvoll ver-
treten. Der Sohn Eduard Simons
besass aber auch eine reicbhaltige
Serie der Kunst des 18. Jahr-
hunderts. Die „Riva - degli Scia-
voni“ von Canaletto hing auf der
Ietztea Ausstellung des - Privat-
besitzes, die Bode 1925 vorbereitet
batte. Neben Canaletto fesseln
Dresden-Ausschnitte von Bernardo
Belotto und Veduten des die bei-
den anderpn Venezianer über-
ragenden Francesco Guardi. Ein
Rniestück „The Strawberry
Girl“ von Reynolds ist besonders
zu.nenneu. Und nach der Samm-
lung gimon kommt am Nachmittag
des 5. Novembers der Nachlass
Bo'des bei Cassirer zur Verstei-
gerung. Am 6. November nimmt
an der gleicben Stelle der Ver-,
kauf der nachgelassenen Samrn-
iung Albert ■ Freiberr von Lanna
(München) seinen Anfang. Lanna
war der Sobn des berühmten
Prager. Sammlers Adaibert von
Lanna, dessen Kunstschätze
1910/11 die gesamte internationaie
Kunsttvelt bei Lepke in Berlin
vereinigteu. .. Der Sobn des
grossen Sammlers batte, angeregt
durch den Weiterfolg der Auk-
tion, sicb eines Tages dem Kunst-
sammeln hingegeben, und er hatrte
ailes daran gesetzt, um sicb noch
eine Reihe von Werken aus der
väterlichen Sammlung zu sichern.
Er hat Plastik gekäuft, alte Ge-
mäide usw. und die Anfänge sei-
nes Besitzes durch Erwerbungen
in den Auktionen Emden, Dr.
Oertei, Friedrich Lippmann, We-
ber,. die. zwiscbeu 19.10 . und 1913
bei Lepke vor sich gegangen sind,
beträcbtlich . erweitert. Bei Cas-
sirer finden wir jetzt unter den
Plastiken ein Werk aus dem
Kreis des Nino Pisano, ferner den
schwebenden Engel . des Veit
Stoss, ein Porträtmedaillon ’ des
John Gregor van de Schardt, das
von E. F. Bange publiziert wurde.
Unter den alten Gemalden ist ein
Werkstattbild des Perugino aus
der Sammlung Weber, der jugend-
liche Cbristus des Luini aus der
Lippmann-Sammlung, ein Apostel-
kopf des van Dyck, der „Heiiige
. E’ranziskus“ d^s Greco aus der
Sammlung Berüete usw. In der
auf Lanna folgenden Auktion der
Florentiner , Sammlung Murray
interessieren italienische Majoii-
ken des 15. und 16. Jabrhunder’ts.
alte italieniscbe Stoffe, vorzüg-
lichs toskanische Möbel, Bilder
von -Paris Bordone, Luca Gior-
dano, Pönssin. Ausserordentlich
wertyöll ist die Sammlüug der
italienischen Miniaturmalereien
des 14, Jahriiunderts. :
*
Die Sammlung des öirek»
tore locwe aus Breslau, der
seipe Schätze gewiss nicht ver-
steigern würde, wenn. er es niclit
tun müsste — denn er ist ein
sebr, ernster und . feinfühliger
Kunstfreuud —, enthält in erster
Linie: eine erlesene Abteilung
österreichischer Kunst. Leo Grpn-
stein hat diese Serie wissenscbaft-
lich bearbeitet. Sie begirint mit
den Bildern des Barocks, mit den
Meistern Kremser-Schmidt, Maul-
pertscb usw. und zeigt aus den
Perioden des 19. Jahrhnnderts
BÜdnisse von Füger, Peter Krafft,
Jöhann Ender, Danhauser, Amer-
ling und Lieder, der übrigens ein
gebürtiger Potsdamer war. Land-
schaften von Marko, Schindler,
sowie eine scbön6 Reibe von Wie-
ner Miniaturen schliessen sich an.
Uijter den Bildern des 19. Jahr-
hunderts ist ein von Professor
Konräd Buchwald (Breslau) wis-
senschaftlicb gewürdigtes Porträt
H.eines und seiner Frau Mäthilde
von Ernst Kietz (f 1892 Dresden)
erwähnenswert. Loewe sammelte
aber auch Italiener des 16. bis
18. Jahrhunderts, unter ihrieu
Luca Giordano Reni, Pittoiü u. a.
Unter den . Franzosen seiner
Sammlung hängeri Pesne, Jacques
Louis David (Schwur der Horatia),
uriter seinen Holläridern und
Fiamen zivei Arbeiten des
van Dyck. Ueber die Einzel-
heiten des wertvollen BesitzCs
orientiert der Katalog, dcr von
Lempertz in Köln ausgegeben
wordeu ist. .
Adolph Bonath.
AÜKTIOIS.KALENDER.
31. Okjober bis' 2. November: Hollstein & Puppel (Berlin): Alte
Meister,. Graphik und Handzeichnungen.
31. Oktober: F. A. C. Prestel (Frankiurt a. II.): Moderne Graphik,
Gemälde des 19. Jahrhunderts,
1. und 2. Kovember: Georg A. S a m t e r (Berlin): Interieurs, Bendler.
strasse 5.
l.Nqvember: Hermann Ball-Paül Graupe (Berlin): Sammlung Maro
Bosenberg: Gold- u'nd Silberschmuck.
4. November: Sotheby & Co. (London): Selteue Biicber, moderne
Grapbik.
ö. bis 8. November: Paul O a s s i r e r - Hugo H e 1 b i n g (Berlin): Samm-
lung Theodor Simon, Nachlass W. von Bode, Sammlung A. von Lanna,
sammlung Murray-Florenz, Bibliothek W. von Bode.
5. pis 7. November: C. G. Boerner (Leipzig): Kupierstiche alter Meister,
tranzosiscbe und engliscbe . Kupfersticbe des 1S. Jabrbunderts, Hand-
zeiebnungen nlederländischer- Meister.
t). und 6. November: Math. Lemperta (Köln): Sammiuag Dr. Theodor
Loewe (Breslau).
lvtng von Bildern des 19. Jahrhutjderts versteigert. Den Katalog I die noch zu sprechen sein wird, befinden sich Werke vön Feuer-
hat Hans Rosenhagen eingeleitet. Unter den Gemälden, über I bach, Spitzweg, Munkasy, Klinger, Ferdinand von Rayski,
Druck undVerlag von Rudolf Mosse in Berlin
KOBEIS MCHLASS.
MAJOLIKEN, TEPPICHE OTD BÜ.CHER.
A. D. Am Nacbmittag des 5. Novembers wird bei Paul Cassirer
in Berlin der Nacfilass Wilhelm von Bodes versteigert werden.
Die Witwe des grossen Museumsorganisators und Kunstforsehers
verlässt. die Bode-Villa in der Uhlandstrasse, um nach Dahlem
zu ziehen, und muss sick deshalb von dem künstlerischen Milieu
trennen, in dem der Kenner gelebt und gearbeitet hatte. In
der Einleitung zum Katalog, degsen wissenschaftliche Anmerkun-
gen Robert Schmidt und Ernst Kühnel zu danken sind, betont
Schmidr, uer Direktor des Schlussmuseums Berlin, dass Bode
nur wenig für sich zum „Schmuck des Hauses“ behalten habe
und dass es sich bier in der Hauptsache uta zwei Gebiete des
Kunstgewerbes handelt, in denen er Entdecker gewesen ist, um
cien orientalischen Teppich und die frühe italienische Majolika.
Die Werke, die er über diese beiden Materien niederschrieb —
für sein bej Klinkhardt & Biermann iu Leipzig erschienenes
Werk iiber den Orientteppich war Kühnel sein Mitarbeiter —,
bleibeu grundlegend für die Forschung.
Robert Schmidt sagt, dass über diesen Dingen des Bodeschen
Nachlasses „ein Schimmer persönlicher Weihe“ liege. Es ist
aber, meiae ich, nicht nur ein „Schimmer persönlicher Weihe“,
sondern für alle, die Bodes Hefm gekannt haben, ein Schimmer
persönlicher Wehmut. Die Stuudeu, die man dort zugebracht
hatte, bleiben unvexgesslich- Das letzte Mal war es im November
1928. Valentiner, der Direktor des Museums in Detroit, war
damals mit mir bei Bode zum Tee. Bode plauderte aus seinen
Erinnerungen, sprach über alle Tagesfragen und über jene
„Ewjgkeitsfragen“ der Kunst, die ihn mehr als ein halbes .Tahr-
hundert lang beschäftigt hätten. Und kurz nachher warf ihn
däe Krankheit nieder, der er am 1. März 1929 erliegen musste.
Der Nachlass enthält 58 italjenische Majoliken, von dem raren
Napf um 1400 ab, der Faönzakanne aus dieser Zeit bis zu den
Albarelli der zweitem Hälfte des 15. Jahrhunderts und bis zu der
grossen Florentiner Kanne von 1520. Und danu kommen die
sechzehn kostbaren Knüpfteppiche, die er in seinem Hause
liatte, von dem seltenen Stück mit dem Vogelmuster aus dem
16. Jahrhundert, dem kleinen asiatischen Teppich auf weissem
Grund mit dem Motiv „Wolken und Mond“ bis zu dem so-
genannten Holbein-Teppich mit dem hellroten Grund und der
Z.eichnung in Gelb. Dieser Orientteppich heisst deshalb Holbein-
Teppich, weil ihn der Augsburger Meister wiederholt in seinen
Bildern als Beiwerk gemalt hat. Wir finden ihn aber auch auf
Zablreichen Bildern der italienischen Renaissance. Und neben
den Teppicben sieht man bei Bode ein einziges Bild, das Bildnis
des Ariost von Sebastiano del Piombo, dem Venezianer, der
1547 iu Rom gestorben ist.
Ara 8. November bringen schliesslich Cassirer-IIelbing den
Rest der Bodescben Bibliothek. Der grösste Teil der Bücher-
reihe ist schon Ende 1921 bei Lepke versteigert worden. Damals
kamen drei Millionen Mark zusammen, und das waren immerhin
an 20 000 Dollar. Bode wollte den Auktionserlös zum Ausbau
des Asiatischen Museums in Dahlem verwenden, aber man lehnte
damals, wie. erinnerlich, sein grossherziges A.nerbieten ab.
Meister des 19. Jahrhunderts bej Wertheim. Am 12. No-
vember wird' bei Wertheim in Berlin eine hervorragende Samm-
iSII§TlARKT
tif • ■
Jüfc. 514
Donnerstag, 31. Oktober 1929
K BJ» ST.-llJK.TItSEN
Der 5. So'vena'ber bedeutet
einea hschweren“ Tag für das
deutsche Auktionswesen. An
diesein Tage beginnt bei Cassirer-
Helbing iu Berlin der Verkauf der
Sammlung Theodor Simon, der
des Nachla.sses Bode, von dem
icb an der Spitze dieser Iüunst-
seite sprecbe, dann die Versteige-
rung der Sammlungen Lanna und
Murray, a.n diesem Tage eröffnet
Boerner in Leipzig seine Ver-
steigerung seltener Kupferstiche,
die bier schon gewürdigt worden
sind, und Lempertz in Köln bietet
die Sammlung Dr. Theodor
Loewe-Breslau aus. So eine An-
bäufung von Auktionen an ein
und demselben Termin ist, das
muss icb schon sagen, ausser-
ordentlicb gefährlicb. Die Auk-
tionsbäuser sollten sich unterein-
ander verständigen, denn es gibt
unter den Amateuren der alten
Graphik sicher nocb solche, die
aueb für Qualitäten aus anderen
Kuustgebieten etwas übrig baben,
und es gibt sicher wieder auch
Sammler, die einen Teppieb aus
Bodes Berliner Besitz haben
möchten und anderseits irgend-
eins der Bilder der Sammlung
Loewe in Köjn. Kurzum: wenn
aucb Beriiu Berlin - ist, so sind
Leipzig und Köin nicht zu unter-
schätzeu. Aber an zwei Orten
kann inan „bekanntlich“ nicht zu
gleicher Zeit Hocbzeit macher,
geschweige denn an drei Orten,
Der November hat im ganzen
dreissig Tage. Und da die Inhaber
der erwähnten drei Auktionshäuser
wolil in ein und derselben Ver-
einigung sitzen, nämlich im Ver-
band des deutschen Kunst- und
Antiquitätenhandels, wäre es ein
leicbtes gewesen, die richtige
Einteilung zu treffeu. Jetzt aber
ist es'zu spät.
❖
Thcodor Simqns Be-
sitz, der, wie erwäbnt, bei
Cassirer ausgerufeu wird, umfasst
in der Hauptsache chinesisehe
Kunstgegenstände, die L. Reide-
meister katalogisiert hat, und
dann Gemälde, Möbel, Porezllane
des 18. Jahrbunderts, für deren
Kataloganmerkungeu C. F. Foer-
ster verantwörtlich zeichnet, In
der China-Abteiiung steben Grab-
figuren der ' Wei-Dynastie (386
bis 534). und Grabfiguren der
T’ang-Zeit (618 bis 906) an der
Spitze. Mehrere von den cbarak-
teristischen Stücken dieser Serie
lernte die breite Oeffentlichkeit
in der grossen chinesiscken
Kunstaussteiluug kennen, die zu
dßeginn 1929 _v0n der Geselischaft
für Ostasiatische Kunst gemein-
sam mit der Akademie der
Künste in den - Räumen der
Akademie veranstaltet worden
war. Man sah dort. die . grosse
stehende Frau aus der Wei-Zeit,
von der ein ähnliches Exemplar
bei Eumorfopoulos in London ist,
und von den T’ang-Sachen inter-
essierte vor allem das scbreiende
K.amei rait Führer. Doch auch
das klassische Kang-Hsi-Porzellan
(1662 bis' 1722) ist hier unter
anderm mit den beiden Habichten
in email sur biscuit klangvoll ver-
treten. Der Sohn Eduard Simons
besass aber auch eine reicbhaltige
Serie der Kunst des 18. Jahr-
hunderts. Die „Riva - degli Scia-
voni“ von Canaletto hing auf der
Ietztea Ausstellung des - Privat-
besitzes, die Bode 1925 vorbereitet
batte. Neben Canaletto fesseln
Dresden-Ausschnitte von Bernardo
Belotto und Veduten des die bei-
den anderpn Venezianer über-
ragenden Francesco Guardi. Ein
Rniestück „The Strawberry
Girl“ von Reynolds ist besonders
zu.nenneu. Und nach der Samm-
lung gimon kommt am Nachmittag
des 5. Novembers der Nachlass
Bo'des bei Cassirer zur Verstei-
gerung. Am 6. November nimmt
an der gleicben Stelle der Ver-,
kauf der nachgelassenen Samrn-
iung Albert ■ Freiberr von Lanna
(München) seinen Anfang. Lanna
war der Sobn des berühmten
Prager. Sammlers Adaibert von
Lanna, dessen Kunstschätze
1910/11 die gesamte internationaie
Kunsttvelt bei Lepke in Berlin
vereinigteu. .. Der Sobn des
grossen Sammlers batte, angeregt
durch den Weiterfolg der Auk-
tion, sicb eines Tages dem Kunst-
sammeln hingegeben, und er hatrte
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eine Reihe von Werken aus der
väterlichen Sammlung zu sichern.
Er hat Plastik gekäuft, alte Ge-
mäide usw. und die Anfänge sei-
nes Besitzes durch Erwerbungen
in den Auktionen Emden, Dr.
Oertei, Friedrich Lippmann, We-
ber,. die. zwiscbeu 19.10 . und 1913
bei Lepke vor sich gegangen sind,
beträcbtlich . erweitert. Bei Cas-
sirer finden wir jetzt unter den
Plastiken ein Werk aus dem
Kreis des Nino Pisano, ferner den
schwebenden Engel . des Veit
Stoss, ein Porträtmedaillon ’ des
John Gregor van de Schardt, das
von E. F. Bange publiziert wurde.
Unter den alten Gemalden ist ein
Werkstattbild des Perugino aus
der Sammlung Weber, der jugend-
liche Cbristus des Luini aus der
Lippmann-Sammlung, ein Apostel-
kopf des van Dyck, der „Heiiige
. E’ranziskus“ d^s Greco aus der
Sammlung Berüete usw. In der
auf Lanna folgenden Auktion der
Florentiner , Sammlung Murray
interessieren italienische Majoii-
ken des 15. und 16. Jabrhunder’ts.
alte italieniscbe Stoffe, vorzüg-
lichs toskanische Möbel, Bilder
von -Paris Bordone, Luca Gior-
dano, Pönssin. Ausserordentlich
wertyöll ist die Sammlüug der
italienischen Miniaturmalereien
des 14, Jahriiunderts. :
*
Die Sammlung des öirek»
tore locwe aus Breslau, der
seipe Schätze gewiss nicht ver-
steigern würde, wenn. er es niclit
tun müsste — denn er ist ein
sebr, ernster und . feinfühliger
Kunstfreuud —, enthält in erster
Linie: eine erlesene Abteilung
österreichischer Kunst. Leo Grpn-
stein hat diese Serie wissenscbaft-
lich bearbeitet. Sie begirint mit
den Bildern des Barocks, mit den
Meistern Kremser-Schmidt, Maul-
pertscb usw. und zeigt aus den
Perioden des 19. Jahrhnnderts
BÜdnisse von Füger, Peter Krafft,
Jöhann Ender, Danhauser, Amer-
ling und Lieder, der übrigens ein
gebürtiger Potsdamer war. Land-
schaften von Marko, Schindler,
sowie eine scbön6 Reibe von Wie-
ner Miniaturen schliessen sich an.
Uijter den Bildern des 19. Jahr-
hunderts ist ein von Professor
Konräd Buchwald (Breslau) wis-
senschaftlicb gewürdigtes Porträt
H.eines und seiner Frau Mäthilde
von Ernst Kietz (f 1892 Dresden)
erwähnenswert. Loewe sammelte
aber auch Italiener des 16. bis
18. Jahrhunderts, unter ihrieu
Luca Giordano Reni, Pittoiü u. a.
Unter den . Franzosen seiner
Sammlung hängeri Pesne, Jacques
Louis David (Schwur der Horatia),
uriter seinen Holläridern und
Fiamen zivei Arbeiten des
van Dyck. Ueber die Einzel-
heiten des wertvollen BesitzCs
orientiert der Katalog, dcr von
Lempertz in Köln ausgegeben
wordeu ist. .
Adolph Bonath.
AÜKTIOIS.KALENDER.
31. Okjober bis' 2. November: Hollstein & Puppel (Berlin): Alte
Meister,. Graphik und Handzeichnungen.
31. Oktober: F. A. C. Prestel (Frankiurt a. II.): Moderne Graphik,
Gemälde des 19. Jahrhunderts,
1. und 2. Kovember: Georg A. S a m t e r (Berlin): Interieurs, Bendler.
strasse 5.
l.Nqvember: Hermann Ball-Paül Graupe (Berlin): Sammlung Maro
Bosenberg: Gold- u'nd Silberschmuck.
4. November: Sotheby & Co. (London): Selteue Biicber, moderne
Grapbik.
ö. bis 8. November: Paul O a s s i r e r - Hugo H e 1 b i n g (Berlin): Samm-
lung Theodor Simon, Nachlass W. von Bode, Sammlung A. von Lanna,
sammlung Murray-Florenz, Bibliothek W. von Bode.
5. pis 7. November: C. G. Boerner (Leipzig): Kupierstiche alter Meister,
tranzosiscbe und engliscbe . Kupfersticbe des 1S. Jabrbunderts, Hand-
zeiebnungen nlederländischer- Meister.
t). und 6. November: Math. Lemperta (Köln): Sammiuag Dr. Theodor
Loewe (Breslau).
lvtng von Bildern des 19. Jahrhutjderts versteigert. Den Katalog I die noch zu sprechen sein wird, befinden sich Werke vön Feuer-
hat Hans Rosenhagen eingeleitet. Unter den Gemälden, über I bach, Spitzweg, Munkasy, Klinger, Ferdinand von Rayski,