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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 6.1867

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https://doi.org/10.11588/diglit.7149#0035
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— 79 —

den Gehorſam gekündigt und ſich vorzugsweiſe der kirchlichen
Goldſchmiedekunſt zugewandt haben.
Dieſe haben in den letzten Jahren nicht ohne bedeutende Er-
folge die ſchwierige Aufgabe zu löſen verſucht: für die Feier der
heiſigen Geheimniße ſolche Gefäße zu ſchaffen, die ihrer hohen
Beſtimmung in Bezug auf Form und Ausarbeitung würdig
ſeien. Soll dieſes von einigen Meiſtern des Goldſchmiedegewerkes
rüſtig angeſtrebte lobenswerthe Ziel ohne viel mißlingende Kreuz-
und Quer-Verſuche einiger Maaßen erreicht werden, ſo iſt es
unerläßlich nothwendig, daß beiden Factoren, die zur Ver-
wirklichung dieſes ſchönen Zieles mit vereinten Kräften mitwirken
müſſen, daß den Beſtellgebern ſo wie den ausführenden Meiſtern
die unvergleichlichen Muſterwerke aus der Blüthezeit der mittel-
alterlichen Goldſchmiedekunſt wieder vorgeführt werden.
Ein uäheres Studium und die öftere Betrachtung jener
harmoniſch ſchönen und kunſtvoll gearbeiten Gefäße, die früher
die unvergleichlichen Zierden unſerer Kirchen ausmachten, wird
einestheils im Clerus Vorliebe und Jntereſſe für einen ſeither
wenig geachteten Zweig der chriſtlichen Kunſt heben; ein näheres
Bekanntwerden mit den würdigen bedeutungsvollen Formbildungen
der mittelalterlichen Gefäße, denen man es abſehen kann, daß
ſie nicht dem Eigennutz, ſondern der Pietät des Meiſters ihr
Entſtehen verdanken, wird aber auch anderentheils die Beſtell-
geber vor dem leider oft vorkommenden Mißgriff bewahren, daß
ſie bei nöthigen Anſchaffungen von den zierlich gepreßten Schau-
ſtücken der Maſchine ſich täuſchen laſſen, die meiſtens unter
einer hinkenden gothiſirenden Form die Leerheit der Jdee und
die Unſolidität des Materials verbergen. Der andere Factor
aber, der ausführende Meiſter nämlich, erhält durch Vorfüh-
rung alter Originalgeſäße die nöthigen Muſterbilder, wodurch
ſein tieferes Eindringen in den Geiſt der alten Kunſt erleichtert,
ſein Geſchmack geläutert und gehoben und der praktiſchen Aus-
führung würdige Anhaltspuncte und Vorbilder geboten werden.

breiten. Der Organiſt kann hier am leichteſten einen weiten
unbeengten und zur Wahrnehmung des Cultus geeigneten Sitz
finden. Der Raum unter der Orgel läßt ſich in den meiſten
Fällen vielleicht noch zu einem anderen liturgiſchen Zwecke, ins-
beſondere zu einer Taufcapelle einrichten. Ueberhaupt verbinden
ſich mit dem weſtlichen Standorte der Orgel weitaus nicht jene
Bedenken rückſichtlich des Cultus und der Architektur, wie mit
den vorher erwähnten Standorten. Hier iſt von feinen Unter-
lagern, von künſtlichen Durchbrechungen und neuen Bautheilen
faſt gar keine Rede. Die Außen-Architektur leidet nie von einer
weſtlichen Orgel, die Jnnen-Architektur kann leiden, und leidet
ſie nur wenig, ſo muß ſie das dem günſtigen Stande eines wich-
tigen kirchlichen Ton-Jnſtrumentes opfern.
Ueberblicken wir alle bisher erwähnten Standorte, ſo zeich-
nete ſich der an einem Kreuzflügel oder ſeitlich am Oſt- Ende
eines Nebenſchiffes höchſt vortheilhaft aus gegenüber dem Stand-
orte neben dem Chore, und übertraf alle anderen Standpuncte
der weſtliche; dieſer muß alſo bei alten wie bei neuen Kirchen
zuerſt ins Auge gefaßt, und, wenn nicht beſondere Gründe,
welche auf dem Cultus, der Architektur und den Tönen beruhen,
dagegenſprechen, auch beibehalten werden. Wird er verlaſſen,
ſo kommt der andere Platz im Kreuzflügel oder am Oſt- Ende
eines Nebenſchiffes in Betracht, und da in den meiſten Fällen
der eine oder andere von dieſen Standpuncte ſich empfehlen wird,
ſo dürfte ſelten Veranlaſſung eiutreten, zu den übrigen erwähn-
ten Plätzen neben dem Chore oder an einer Langwand zu greifen.
Der weſtliche Standort bietet der Orgel meiſtens auch eine
gleichmäßige Temperatur, alle übrigen Standorte unterliegen,
da ſie nicht ſo ſymmetriſch die Mitte der Kirche einnehmen,
den Veränderungen derſelben. Jm Norden bildet ſich zu leicht
Feuchtigkeit, um das Pfeifenwerk und ihren Organismus anzu-
greifen, im Süden iſt der Standort trockener, aber doch auch
vielfach dem Wechſel der Hitze und der Kälte unterworfen. Jn
jedem Falle iſt die Südſeite der Nordſeite vorzuziehen, wenn es
die Architektur eben geſtattet. Dabei bleibt aber zu bedenken,
daß die älteren Baumeiſter die Südſeiten der Kirchen nur höchſt
ungern mit Nebenbauten beläſtigten, dieſe zumal die Sacriſteien
in den Norden verlegten, um die Architektur der Südſeite, das
Sonnenlicht, und das Spiel des Lichtes in den Bauformen
nicht zu verhindern. Die neueſte Zeit dagegen opfert gern et-
was von dieſen Vortheilen, um nur gute Nebenräume im Sü-
den zu erhalten, und den oft werthvollen Jnhalt derſelben con-
ſerviren zu können. Und man muß es zugeben, daß dieſer Ge-
danke an ſich praktiſch iſt und unter geſchickten Händen ſich in
den meiſten Fällen wird ſo ausführen laſſen, daß die Nach-
theile der Architektur andererſeits durch beſondere Wendungen
ſich verdecken, compenſiren oder gar völlig entſchädigen laſſen.
Das wird bei alten Kirchen allerdings oft ſchlecht zu bewerk-
ſtelligen ſein, da hier in den meiſten Fällen ganze Bauglieder
durchbrochen oder zerſtört werden müßten, bei Neubauten
dagegen läßt ſich ſtets, wo es ſein muß, eine geeignete Ein-
richtung treffen.
Bei alten Bauten empfiehlt ſich deßhalb auch wiederum der
weſtliche Standort für die Orgel.
Es fragt ſich ſchließlich nur noch, ob der Standort der
Orgel im Weſten mittels einer Holzconſtruction zu bewerkſtelligen
iſt, oder ob derſelbe mittels eines Steinbaues völlig in die Archi-
tektur der Kirche hineinzuziehen iſt. Wir möchten das letztere
bejahen und möglichſt annehmbar zu machen ſuchen. Wir fan-
den die Orgel einer Kirche, die allerdings in einem Kreuzflügel
aufgeſtellt war, durch Arcaden im Style des Baues geſtützt,
aber blos mit einer Holzdecke verſehen. Die Arcaden nahmen ſich
gut aus, die Holzdecke indeß miſchte ſich zu unegal in die Stein-
Architektur des ganzen Baues. Daher dürfte das Orgelhaus
im Weſten am zweckmäßigſten mittels einer gewölbten Empore

JJ. Fingerzeige bei Aufſtellung von Orgeln.
(Eine Stimme aus Weſtfalen.)
(Fortſetzung und Schluß.)
Endlich langen wir an das Weſtende der Kirchen
an, wo ſeither meiſtens die Orgeln ſtanden. Und hier iſt
für gewöhnliche Kirchen der geeignetſte und beſte
Platz. Sie werden hier nämlich an die Weſtwand des Haupt-
ſchiffes oder, wo der Thurm mit in die Kirche hineingezogen iſt,
in den Thurm verlegt. Es iſt wahr, nicht alle Kirchen können dieſen
Stand, ohne an ihrer architektoniſchen Schönheit zu leiden, ertragen.
Bei den einen würde ſie ein großes Weſtfenſter oder Weſt-
portal bedecken: bei den anderen, zumal bei langen Kirchen
würde ihr Ton zu ſpät zum Chore dringen. Wo dieſe Be-
denken gegründet ſind, iſt allerdings der Standort im Weſten
zu verlaſſen. Eine Theilung der Orgel würde allerdings manche
Schwierigkeiten haben, ein Weſtfenſter z. B. in ſeiner Wirkung
belaſten; allein dieſe Theilung iſt wiederum deßhalb nicht an-
zurathen, weil ſie ein gewiſſes theatraliſches Ausſehen nicht aus-
ſchließt, wie ſie denn auch in der Zopfzeit gern zur Anwendung
kam. Jn den meiſten Fällen wird der weſtliche allen übrigen
Standorten in Baſiliken wie in Hallenkirchen, in alten wie in
neuen Bauten vorzuziehen ſein. Hier an der Weſtſeite ſteht ſie
ſo frei, daß ſie möglichſt von allen Seiten mit dem Auge
wahrnehmbar iſt, daß ihre Töne ſymmetriſch und gleichmäßig
die ganze Kirche durchdringen und die Maſſe derſelben möglichſt
gemildert wird. Sie ſteht hier allerdings näher dem Volke als
Chore, allein der Volksgeſang iſt auch eher zu berückſichtigen
als der Choral, obgleich auch dieſer in den wenigſten Kirchen
durch den weſtlichen Stand der Orgel leiden wird. Die
Töne ſtrömen hoch zum Gewölbe empor und können ſich ohne
viele Modulation und Brechung in der ganzen Kirche aus-
 
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