Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Editor]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 11.1872

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.7189#0002
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
Krippe und Kunſt.

(Schluß.)

— Karrikaturen des gebildeteren Opernſängers. Der veredelnde
Klang der Frauenſtimme bleibt ausgeſchloſſen, rohe Knaben-
ſoprane erſetzen ihn, wenn nicht gar, wie Berlioz erlebte, Fal-
ſettiſten. Die Orcheſterinſtrumente (ſie wären zu ,,weltlich'' und
,,frivol''!) erſetzt die begleitende Orgel mit Regiſtern, welche
Oboen, Klarinetten u. ſ w. nachahmen. Bei einem Hochamte
in S. Carlo de Catinari in Rom hörte ich einmal gar die
Sänger ſich in das Labyrinth eines fugirten Satzes hinein-
wagen; es lief indeſſen glücklich ab und zuletzt wurde kein
Mann vermißt. Das ſchlimmſte Kapitel in der italieniſchen
Kirchenmuſik iſt das Orgelſpiel. Hier hört aller Humor auf,
die Sache wird geradezu empörend. Die Orgelphantaſie, welche
das Offertorium einleitet, iſt insgemein ein Ragout aus allen
möglichen abgedroſchenen Phraſen, Wendungen, Melodiefetzen,
an denen wir uns bei Donizetti und Verdi überſatt gehört
haben, Läuferchen, Trillerchen, übel auf einander platzende
Accorde, Tanz-Rhythmen, dazwiſchen donnert zuweilen das
Rollen des Paukenregiſters oder fällt, bei beſonders brillanten
Stellen, ein helles Glockenſpiel ein. Die linke Hand des Org-
lers ergeht ſich faſt immerfort in ſogenannten Brillenbäſſen
oder in raſche Viertelnoten anſchlagenden Dreiklängen. — Jn
S. Maria in Cosmedin in Rom hörte ich den Orgauiſten beim
Kirchenfeſte auf der gräulich verſtimmten Orgel einen marſch-
artigen Satz staccatissimo herunterſpielen, es klang täuſchend
wie Gemecker! Am Himmelfahrtstage 1868 hörte ich — ich
muß es ſagen, mit einer Art innern Grimmes — in der
Unterkirche des Sacro Convento zu Aſſiſi den Orgler neben
dem Franciscusgrabe unmittelbar unter den vom großartigſten
Dante' ſchen Geiſte erfüllten Malereien Giotto's, eine Galoppade
herunterdreſchen (,, ſpielen'' konnte man nicht wohl ſagen), welche
etwa zu einer Orgie trunkener Matroſen die paſſende Muſik
abgegeben haben würde. Das Pedal vermeiden die Herren Or-
ganiſten, als ſeien es die glühenden Pflugſchaaren, über welche
einſt die heilige Kunigunde zum Erweis ihrer Tugend hinwan-
dern mußte. Höchſtens treten ſie zum Schluß ihrer Sätze zwei
Töne, Dominante und Tonica mit Pfundſtiefeln. So ſieht das
Orgelſpiel in dem Lande aus, an deſſen Orgelwerken einſt
Meiſter ſaßen, wie Andrea und Giovanni Gabrieli, wie Claudio
Merulo, wie Ercole Pasquini — wie Frescobaldi, der größten
Meiſter aller Zeiten einer! Die Profanation geht in's Unglaub-
liche Jn der Kirche S. Maria Novella in Florenz hörte ich
während der Militärmeſſe von der breit vor den Hochaltar hin-
gepflanzten Militärbande die Ouverture aus Flotow's ,,Martha''
ſpielen! Am Altare tönten die Glöckchen zum Momente der
Elevation, zugleich erklang das luſtige Motiv des Marſches der
Mägde nach Richmond! Hätte in dieſem Augenblicke Mephiſto
neben mir geſtanden, er würde mir vielleicht zugerufen haben:
,,Greifſt du nach dem Donner? Wohl, daß er euch elenden
Sterblichen'' u. ſ. f. Wer weiß, was ich gethan haben würde,
hätte mir ein kleiner Donnerkeil zur Verfügung geſtanden. Der
Nonnengeſang in Trinita de' Monti iſt noch anhörbar, er hat
etwas Unſchuldiges; aber die Melodien ſelbſt, welche man zu
hören bekommt, ſind doch wieder flache, ſüßliche Liedeleien.
Kurz die Kirchenmuſik in Jtalien iſt zu einer Entartung herab-
geſunken, welche in der Geſchichte der Muſik ganz ohne Bei-
ſpiel iſt. Für den Katholiken iſt es ein Schmerz und ein
Aergerniß, für den Nichtkatholiken ein Gegenſtand verachtungs-
vollen Spottes.

Da kam Franciskus mit ſeinen Ordensbrüdern und vielen
Geiſtlichen und ihnen folgten Schaaren andächtigen Volkes. Und
ſie alle prieſen die ganze Nacht hindurch den neugeborenen Hei-
land der Welt mit Gebeten, mit Pſalmen und Lobgeſängen. Kurz
nach Mitternacht wurde über der Krippe feierlich das erſte hl.
Meßopfer dargebracht, wobei der Heilige als Diakon mit über-
ſchwenglichem Jubel das Evangelium von der Geburt Chriſti
ſang und darauf über eben dieſes Evangelium eine eindringliche
Anrede zu Ehren des ,, Kindes von Bethlehem'' hielt. — Dieſem
Beiſpiele ihres ſeraphiſchen Vaters folgten bald auch die an-
deren Ordenshäuſer des hl. Franciskus nach, und von da ging
die Sitte allmählich in alle Kirchen über.
Und es iſt eine ſo liebe Sitte, dieſe Aufſtellung der Krip-
pen in den Kirchen und Kapellen, eine liebe Sitte beſonders
für die Kinderwelt. Und überall, wo katholiſche Herzen ihres
menſchgewordenen Erlöſers in Kindesgeſtalt froh ſind, da wird
dieſe Weihnachtsfreude auch eine Krippe ſich aufrichten, daß Alt
und Jung ſich daran erbaue.
So erfreulich es nun auch iſt, daß die Friſche kindlichen
Glaubens dieſer Sitte überallhin den Weg gebahnt und ſie
trotz des ſtarren Rationalismus bis auf den heutigen Tag er-
halten hat, ſo daß man in der Weihnachtszeit faſt keine Kirche
betreten kann, ohne darin eine Krippe anzutreffen: ſo iſt doch
andererſeits zu beklagen, daß leider die meiſten Krippenbildwerke
unſerer Tage kaum als Kunſtgebilde bezeichnet werden können.
Abgeſehen davon, daß die Figuren in der Regel durch Schnitt
und Form der Kleidung, womit man ſie zu ſchmücken ſich be-
müht, von den Launen der wechſelſüchtigen Mode abhängig
gemacht werden, ſo bieten auch die Darſtellungen ſelbſt zumeiſt
keine kunſtgerechten Statuen, ſondern gewöhnlich Wachsfiguren
oder gar Fabrikate aus Gyps, aus Papiermache oder wie die
ſtets neu auftauchenden Surrogate ſonſt heißen mögen. Solche
Produkte ſind keine Erzeugniſſe der Kunſt und ſie können auch
den Kunſtſinn nicht fördern; ſie bekunden kein Leben, als höch-
ſtens dann, wenn ihnen die rothe Farbe einen falſchen Lebens-
ſchein auf die Wangen gemalt hat, wie die Schminke einem
geiſtig und körperlich banquerotten Jndividuum. Wo dagegen
die Hand des echten Künſtlers ſelbſt ſchafft und arbeitet, ſchmie-
det, treibt, ciſelirt und ſchnitzt und meiſelt, da kann ſie auch
Allem und Jedem ein individuelles Leben einhauchen, und dann
muß jedweder Stoff, den die Menſchenhand berührt, die Herr-
ſchaft des Menſchengeiſtes bekunden. Durch ſolche Kunſtwerke
ſollte man, auch bei den Krippen, zur Belebung des wahren
Kunſtſinnes beitragen, damit endlich einmal wieder, wie es im
Mittelalter war, da Handwerk und Kunſt gemeinſam wirkten,
eine Zeit komme, wo auch der ſchlichte Privatmann ein Opfer,
ſelbſt ein bedeutendes, nicht ſcheut, wenn es gilt, durch ein
ſchönes, untadelhaftes Werk zur Verherrlichung des Gottes-
hauſes beizutragen. Es gibt keine bildliche Darſtellung, die in
kurzer Zeit ſo häufig betrachtet wird, als gerade die Krippen;
daher läßt ſich nicht läugnen, daß ſie, ſei es zum Guten oder
zum Schlechten, einen großen Einfluß auf den Kunſtſinn der
Beſchauer ausüben. Deßhalb ſollte man die ſchablonenmäßigen
Modelle und Fabrikproductionen, die ſich ja in keinem Falle
zur Ausſchmückung der Kirche ziemen, beſonders hier gänzlich
fernhalten. Treffend ſagt A. Reichenſperger: ,,Wohl hat der
Heller des Armen mit dem Goldſtücke des Reichen vor Gott
gleichen Werth; darum aber wird doch nimmer ein falſches
Stüick als Gottesheller auf den Altar gelegt werden dürfen.''
Noch hätten wir die erſte und vornehmſte der chriſtlichen
Künſte, gleichſam die Herrin derſelben, die Architektur, zu
 
Annotationen