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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 11.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.7189#0021
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen nnſtvereins der Erzdiöceſe Freiburg.

(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 126.

Domine dilexi decorem domus. tuae. Ps. 25, 8.

1872.

Pius JX. und die ſoggien des Vaticans.

als der befähigſte gelten mußte, das Werk des Urbinaten zu
Ende zu führen. Es ſind acht Loggien genau nach dem Syſtem
der Raphael'ſchen ausgeführt, wozu ſchon die architektoniſche
Anordnung die Veranlaſſung gegeben. An den Hauptpilaſtern
der Verbindungsbogen, wo auf weißem Grunde die großblätte-
rigen Mäander mit allerhand Gethier belebt ſind, wie an den
ſchwächern Nebenpilaſtern oder den Seitentheilen mit gelblichem
Grund und farbigen Zwiſchenfeldern wechſeln Reliefs in Stucco,
kleinere, größere Figuren und Darſtellungen, der heiligen Ge-
ſchichte entlehnt, in verſchiedenen geformten Rahmen mit ein-
ander ab; daneben, in den Feuſtereinfaſſungen hangen Frucht-
ſchnüre auf azurblauem Grunde. Ju mannigfachem Spiel von
Farben und Gold erglänzen die Gewölbe und mildern den Ernſt
der der Paſſionsgeſchichte entnommenen Bilder. Dazu ſcheint
das geſammte Thier- und Pflanzenreich beizutragen, das Man-
tovani in ſeine Ornamente aufgenommen, und das ſeiner Wir-
kung um ſo ſicherer ſein kann, als in jeder Feder eines Vogels,
in jedem Blatte einer Blume oder Pflanze das liebevollſte
Studium der Natur zu erkennen iſt. Die Stuccatur-Arbeiten,
die bald Bronce, bald oxydirtes Silber, bald Marmor nach-
ahmen, und fein und geſchickt ſich einordnen, ſind von Pro-
feſſor Pietro Galli.
Die ganze Arbeit, wie ſie jetzt in lachender Pracht vor uns
ſteht, gibt uns eine Vorſtellung von der Wirkung, die Raphael's
Loggien vor der Verwüſtung gemacht haben müſſen, und würden
es och mehr thun, wenn der Geſammtfarbenton etwas ge-
dämpfter und damit die Harmonie noch vollkommener erreicht
wäre, als ſie das unverkennbar feine Gefühl des Künſtlers
angeſtrebt. Die Compoſitionen Conſoni's ſind faſt ohne Aus-
nahme klar gedacht und tief empfunden; die Scene, wo Judas
dem hohen Rath das Blutgeld vor die Füße geworfen, iſt
erſchütternd. Jm Ganzen aber nähert Conſoni ſich mit dieſen
Bildern mehr den Meiſtern des 15. Jahrhunderts, ja, ſogar
der Overbeck'ſchen Auffaſſung derſelben, als — wie ſonſt wohl
dem Raphael. Die ganze Arbeit wurde von 1860 bis
1866 beendet.
Der Papſt ließ aber den Künſtler nicht feiern: die Loggien
des erſten Stockwerks bedurften der gleichen Hülfe, wie die des
zweiten, und Mantovani erhielt den Auftrag, zunächſt die be-

Unter der Ueberſchrift ,,Artiſtiſches aus Jtalien'' bringt die
Allg. Ztg. eine Reihe von intereſſanten Mittheilungen, welchen
wir aus der Beilage Nr. 292 Folgendes entnehmen:
,,Bekanntlich liegt vor jedem der drei Stockwerke des drei-
theiligen vaticaniſchen Palaſtes eine Loggienreihe, deren mittelſte
im linken Flügel von Raphael Kunſtſchmuck und Namen er-
halten. Die Loggien darunter ſind von Giovanni da Udine
ausgemalt; die Fortſetzung derſelben wie der Raphael'ſchen
Loggien im Mittelflügel hatten die Zuccheri übernommen und
die Ausführung vornehmlich dem Pomeranzio übertragen. Alle
dieſe Malereien haben bei den politiſchen Mißgeſchicken Roms
im 16. Jahrhundert und ſpäter noch durch die Zeit und durch
Menſchenrohheit viel gelitten, ſo daß man ihre heitere Schön-
heit, wie überhaupt ihren Werth, mehr nur errathen als er-
kennen kann — oder richtiger (in Bezug auf einige) als er-
kennen konnte.
Seit 1854 war es vom Papſt Pius J. beſchloſſen, die
Loggien des Vaticans herſtellen zu laſſen, und mit dieſer
Arbeit hatte er den Maler Aleſſandro Mantovani beauftragt,
und zwar ſollte der Anfang gemacht werden mit jenen Loggien
des zweiten Stockwerks, die 1572 im Auftrag von Papſt
Gregor XJJ. von Cav. Roncaglia, genannt delle Pomerancie,
und ſeinen Schülern ausgeführt worden waren, und, wie er-
wähnt, ſehr gelitten hatten. Obſchon in faſt unmittelbarer
Verbindung mit den Loggien Raphael's, und auch im Allge-
meinen dem Vorbilde folgend, erſcheinen ſie doch in Erfindung
wie Ausführung, in Zeichnung und Färbung ſehr viel ſchwächer,
was denn durch die Reſtauration nicht zu ändern war. Fünf
Jahre war Mantovani damit beſchäftigt, nach welcher Zeit er
im Auftrag des heiligen Vaters einen Plan entwarf zur Aus-
malung der bis dahin gänzlich ſchmucklos gebliebenen Loggien
des anſtoßenden dritten oder öſtlichen Flügels. Mantovani iſt
ausſchließlich Ornamentiſt; während ihm demnach der decorative
Theil der Aufgabe zufiel, mußte für die Deckenbilder aus dem
Evangelium ein anderer Künſtler gewonnen werden, und ward
es in Niccolo Conſoni, der durch ſeine gründlichen Studien
Raphael's, wie überhaupt durch den ernſten Styl ſeiner Kunſt,
 
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