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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 11.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.7189#0005
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſvereins der Erzdiöceſe Freiburg.

(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 122.

Domine iloxi docorem domus tuae. Ps. 25, 8.

1872.

Die Kunſt in der neuen Hauptſtadt taliens.

die Piemonteſen einrückten, da blieſen ihre Muſikcorps zum
allgemeinen Staunen der Deutſchen die Melodie von ,,O Straß-.
burg, o Straßburg, du wunderſchöne Stadt'', und das Liedchen
kann man bis heute alle Tage hören. Von einem deutſchen
Volksliede hat man die Melodie entlehnen müſſen zu einem
dem Texte nach ganz werthloſen Nationalliede. Die Muſen der
Dichtkunſt und der Muſik alſo hat die ſogenannte nationale
Bewegung noch nicht zu wecken vermocht; ebenſo ſchlummern
die anderen Künſte, und wenn etwas ſie aufwecken könnte, dann
iſt es der Hunger, der ſie nach Brod betteln gehen heißt. Das
römiſche Municipium wird zumal von den Bildhauern und
Architekten mit Entwürfen und Plänen wahrhaft überſchüttet,
die einen noch kühner und ungehenerlicher, als die anderen.
Dem Himmel ſei gedankt, daß keiner ausgeführt wird. Die
neue Kunſt in dem neuen Jtalien hat uns in der Architektur
das geſchmackloſeſte und unpractiſchſte Parlaments-Gebäude auf
der Welt geſchaffen, hat uns in der Malerei alle Paläſte milch-
kaffee⸗braun angeſtrichen, alle in gleicher Farbe — ſelbſt die
altergeſchwärzten Travertinblöcke mußten ſich die unwürdige Ver-
ſchmierung gefallen laſſen —; hat es in der Bildhauerei nicht
über einige Gedenktafeln und über einige hundert — Piſſoirs
von Marmor gebracht. Die ſpeciell römiſche Kunſt des Moſaiks
hatte ſich durch die günſtigen Verhältniſſe der letzten Jahrzehnte
zu einer blühenden Höhe emporgeſchwungen; jetzt feiert ſie
gänzlich und die Moſaiciſten leiden bittere Noth, weil ſie keine
Beſtellungen und keine Käufer finden. Vor längerer Zeit führte
eine beſondere Veranlaſſung eine Anzahl hieſiger Künſtler zu
dem Vertreter einer auswärtigen Macht. Es konnte nicht fehlen,
daß die Frage, welche den Herren im buchſtäblichen Sinne
Lebensfrage war, zur Sprache kam. ,, Seien Sie über-
zeugt'', lautete die Antwort, ,daß die Zeiten, wo Rom die
Künſte pflegte und jede Kraft den Boden fand, um ſich zu
entfalten, unwiderbringlich dahin ſind, ſo lange Rom nicht
mehr das Rom der Päpſte iſt.''
Daß im Beſondern die der kirchlichen Richtung ſich zu-
wendende Kunſt unter den gegenwärtigen Verhältniſſen eine
verbannte in der ewigen Stadt iſt, das iſt ſelbſtverſtändlich.
Wenn man in mehr als einem der occupirten Klöſter geſchätzte
Kunſtwerke übertünchte oder mit dem Hammer zerſchlug, weil

Große nationale Bewegungen, wenn ſie wirklich, gleichſam
von einem höhern Hauche angefacht, ein ganzes Volk in den
Tiefen ſeiner Seele durchflammen, laſſen nicht bloß nach einer
Richtung hin das neue Leben zu Tage treten. Wie der Früh-
ling alle Bäume und jede Pflanze Knospen treiben läßt und
mit ſeinem warmen Odem den Grashalm ſo gut ergreift wie
die Ceder und den Eichbaum, ſo weckt auch eine wahrhaft
nationale Bewegung alle Kräfte, alle Anlagen auf den ver-
ſchiedenſten Gebieten. Da mehren ſich die Erfindungen, da
dehnt der Handel ſich aus, die Jnduſtrie entwickelt ſich; da
ſind es vor Allem die Wiſſenſchaften und die Künſte, in denen
das friſche Leben ſich regt und zum Schaffen drängt, in denen
der Dichter den Ruhm und die Thaten ſeines Volkes ſingt;
dann mag der Pinſel des Malers, der Meißel des Bildhauers,
die Kunſt des Architekten nicht ruhen, um gemeinſam zu arbeiten
an dem Denkmal der großen Bewegung ihrer Tage.
Wenden wir dieſe Sätze auf Jtalien, ſpeciell auf das
,,nuova Roma'' an, ſo iſt dort die nationale Bewegung ſeit
mehr als einem Vierteljahrhundert im Werke; der 20. Sept.
1870 hat mit der Eroberung der Capitale den Schlußſtein in
das Gebäude gefügt. War dieſe Bewegung eine wahrhaft
nationale, oder war das Feuer ein künſtlich gemachtes? War
es nicht die intenſivere Lebenswärme, ſondern war es Fieber-
gluth, was das italieniſche Volk erregt hat? Jſt es das
erſtere geweſen, dann dürfen wir erwarten, daß in dem Laufe
ſo vieler Jahre auch Entſprechendes geſchaffen worden iſt, daß
die Blüthe des Landes nach außen und innen neuen Aufſchwung
genommen, daß Künſte und Wiſſenſchaften friſches Laub ge-
trieben haben.
Daß das der Fall ſei, wird Niemand behaupten. Die
Schuldenlaſt Jtaliens iſt zu einer entſetzlichen Höhe geſtiegen,
die Steuerkraft des Volkes auf das Höchſte geſpannt; das
Proletariat wächst in furchtbarem Maße. Und die Wiſſen-
ſchaften, die Künſte? Das Land iſt ſo arm an nur einiger-
maßen renommirten Gelehrten, daß es unmöglich war, auch
nur die durch den Rücktritt mehrerer Profeſſoren vacant ge-
wordenen Lehrſtühle der römiſchen Univerſität zu beſetzen. Als
 
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