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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 11.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.7189#0010
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— 196 —

getrotzt hat viele Jahrhunderte hindurch. Um dem Verputze
noch größere Haltbarkeit zu verleihen, kann uau ihn mit Waſſer-
glas überwaſchen. Durch dieſes Mittel kann man auch die
Färbung im Jnnern dauerhafter machen. Ziegelbauten, deren
Gemäuer eine ſchöne Structur aufweiſen, läßt man äußerlich
am beſten im natürlichen Zuſtande, wie man es z. B. an der
neuen Marienkirche in Graz ſieht. Jn Jtalien und Nieder-
deutſchland war und iſt dieſe Sitte ſehr verbreitet. Da jedoch
unſer Ziegelmaterial ſchnell verwittert, ſo iſt bei uns — um
ſo zu ſprechen — ein Fixativ nöthig; übrigens müſſen die Ziegel
jedenfalls doppelt gebrannt ſein. Näheres darüber und über
das Verfahren mit Waſſerglas ein andermal
(Kirchenſchmuck.)

Die farbige Ausführung geſchehe in der Weiſe, daß die
Ornamente in ihren Umriſſen und inneren Contouren auf far-
bigen oder weißen Scheiben mit brauner oder ſchwarzer Farbe
aufgemalt und entweder gar nicht oder gleichfalls mit dieſem
ſogenannten Schwarzloth modellirt werden. Wo demnach ver-
ſchiedene Localfarben abwechſeln ſollen, werden auch verſchiedene,
durch die Bleieinfaſſung getrennte Scheiben nöthig.
Von Farben ſollen verwendet werden Roth, Blau und
Gelb in erſter, Grün und Violett in zweiter Linie; hierzu trete
das weiße oder vielmehr farbloſe Glas. Dieſes letztere habe,
und zwar aus Rückſicht zur Geſammtharmonie, einen grünen
oder bräunlichen Anflug. Dieſer bräunliche Ton iſt aber nicht
mit der braunen Färbung zu verwechſeln, welche das weiße
Glas oft in Folge chemiſcher Veränderung nachdunkelnd annimmt.
Bunte Farben laſſe man meiſtens in reinen, tiefen, ſaͤtten
Töuen auftreten; das weiße Glas mattire man aber durchwegs,
weil es dadurch körperlich wird und in der Wirkung das ſog.
Herausfallen der weißen Scheiben den farbigen gegenüber ver-
mieden wird.
Die Stärke der allgemein kräftig angebrachten Contouren
ſoll wechſeln, weil darauf die Entfernung der Malerei vom Be-
ſchauer von Einfluß iſt, wie dieſe auch die einfachere oder mehr
ausgeführte Detaillirung überhaupt bedingt. Wohl zu beachten
iſt die Art, in welcher die Bleiſtränge die einzelnen Scheiben
umziehen ſollen, nämlich ſie ſollen die Contour nicht kleinlich
umſchließen, ſondern dieſelbe in größeren Zügen umſchreiben
und der Scheibe damit gleichſam nur die Boſſenform der auf
ihr gemalten Blätter u. dergl. geben. Die Differenzflächen
zwiſchen den gezeichneten Contouren und den Bleiſträngen werden
dann einfach ſchwarz ausgefüllt und es liegt in der hiedurch
entſtehenden Kraft der Umriſſe ein Hauptfactor für die Deut-
lichkeit und den guten Effect. Wo aber der tiefen Einſchnitte
z. B. eines Blattes wegen das ausfüllende Schwarz eine über-
triebene Geltung erlangen könnte, da werde dasſelbe durch kleine
leuchtende Pünctchen gelichtet. Die beſprochene Bleiführung
bringt vorzugsweiſe auch noch eine ſachgemäße Vereinfachung in
die Arbeit des Glaſers.
Die Modellirung bezweckt nicht die Angabe von Licht und
Schatten, wo ſie auf das Ornament Anwendung findet; es
ſind nur z. B. die Rippen der Blätter oder Ranken beider-
ſeits durch in ſchwächeren Tönen gehaltene, mit ihnen auslau-
fende Streifen vertieft.
Jn der Farbenwechslung hat ſich ein oberſtes Geſetz geltend
zu machen, daß nämlich das Ornament hell von dem dunklen
Grunde ſich abhebt. Für einſchlägige einfache Ausführung
von Fenſtern köunten große, freie Rankenzüge die Fläche
in innere und äußere Felder zerlegen, welche dann mit abzwei-
genden Ranken, Blättern, Knospen und Früchten gefüllt wer-
den. Jn den inneren Feldern wähle man einen tiefblauen
Grund, in den äußeren einen rubinrothen; Ranken und Blätter
ſeien weiß, die erſteren hier und da von gelben Schnallen (die
Stränge zuſammenfaſſenden Ringen) unterbrochen; überhaupt
werde das ganze Syſtem vom weißen Ornament auf wechſelnd
blauem und rothem Grunde nur mit wenigen Fleckchen von Gelb
und Grün aufgeputzt, jenes noch in mehr für den Mittelpunkt
concentriſchen Blattpartieen, dieſes in regelmäßig vertheilten,
nach Art von Trauben behandelnden Früchten erſcheinend.
Etwas reicher geſtalte ſich dieſe Art, wo nur für die Ranken
das Weiß, für die Blätter das Gelb gewählt werde. Wie
oben bemerkt, ſollen ſich dann die Blätter gegen die Ranken
umſchlagen, ſo daß bei dem geſammten Ornament eine weiße
und eine gelbe Seite vorausgeſetzt wird, von denen bald dieſe,
bald jene ſich nach außen kehrt. Auch kann man, immer aber
mit Beibehaltung der freien Bewegung des Ornaments und
der rothen und blauen Gründe, den geſammten reſtirenden

leber Glasmalerei.
Nach der Weiſe unſerer Vorfahren, die Gotteshäuſer wiederum
würdig herzuſtellen und auszuſchmücken, hiefür geben ſich die
regſten Bemühungen bei Hohen und Niederen, unter Clerus
und Volk allenthalben kund. Unter den verſchiedenen Kunſt-
zweigen, die ſich zu dieſem hehren Werke vereinigen müſſen,
nimmt die mit der Baukunſt ſo innig verſchwiſterte Glas-
malerei eine der erſten Stellen ein. Allein bei der neu er-
erwachten Pflege dieſes beinahe in Vergeſſenheit gekommenen
Kunſtzweiges hat ſich gleich eine Auffaſſung desſelben breit ge-
macht, die ihn nur theilweiſe und mit harter Mühe zu der
Blüthe kommen ließ, deren er ſich an einem und anderm Orte,
wo er betrieben wird, erfreut. Der Fortbeſtand der falſchen
Richtung in den meiſten Hauptſtätten des Betriebes der Glas-
malerei hat beinahe ausnahmslos ſeinen Grund darin, daß die
ſich dabei betheiligenden Männer den geſchichtlichen Entwicklungs-
gang nicht näher kennen, und in Folge deſſen beſtätigt ſich nur
neuerdings und laut die Wahrheit des Spruches:
Wer nicht erkennt ,den Geiſt des Alten'',
Kann auch das Neue nicht geſtalten. —
Darum möchten wir im Folgenden einen kleinen Beitrag
zur Erkenntniß des Geiſtes des Alten verſuchen und den Ent-
wicklungsgang der Glasmalerei auf eine, ſo viel möglich,
praktiſche Weiſe vor Augen führen.
Reichere Fenſter ſollen entweder figürliche Darſtellungen
oder nur vegetabiliſches Ornament enthalten oder Beides mit
einander verbinden. Einzelne Theile könnten auch durch eine
Moſaik geometriſcher Figuren gefüllt ſein und in den einfachſten
Fällen dieſe allein das Muſter bilden. Das Blattwerk ſei in
der Regel ſtreng ſtiliſirt, obgleich wir eine etwas mehr natura-
liſtiſche Auffaſſung nicht ausſchließen wollen. Gut nehmen ſich
jene in der Mitte gekitteten Blätter aus, die ſonach im Profil
erſcheinen und in drei oder mehrere einfache oder wieder ge-
ſpaltene, gerundete Lappen ſich theilen. Man laſſe ſie aber
nicht immer aus Stielen hervorwachſen, ſondern die Endigung
und meiſt zugleich den Umſchlag breiter Ranken bilden. Das
Blatt zeige in dieſem Falle die äußere Seite, wenn ſich die
Ranke von der innern bietet, was für die Farbengebung ein
ſehr günſtiges Motiv liefert. Die Ranken ſelbſt kann man mit
Längsſtrichen, mit Perlſtreifen und ſonſtigen Muſtern behandeln
oder ſeitlich mit Blattlappen beſetzen und, wo die Eintheilung
es verlangt, concentriſche, an die Form der Blumenkrone an-
knüpfende oder roſenähnliche, ſogenannte Roſetten anordnen.
Das Fenſtergemälde beſtehe aus zwei Haupttheilen, dem
Frieſe und der an der Größe weit überwiegenden innern Fläche.
Für die innere Fläche bilde entweder ein Schema geometriſcher
Streifen ein Netz und durchwachſe dasſelbe mit den von ein-
zelnen Knotenpunkten ausgehenden Ranken und Blättern, oder
die Ranken allein bewirken die Eintheilung, können aber in
dieſem Falle auch in geraden oder Kreislinien ſich bewegen.
 
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