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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 11.1872

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https://doi.org/10.11588/diglit.7189#0038
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— 228 —

von der obern Gitteröffnung der Eingangsthür unterbrochen
wird. Den Schmuck des Frieſes bilden zwei Reihen kleiner
Heiligenfiguren in dunklem Gewande, welche nach altchriſtlichen
Vorbildern ihre ſinnbildlichen Tugendkronen dem Heilande zu
opfern kommen. Es ſind fünf Mönche und fünf Nonnen aus
dem Benedictiner-Orden, die ſich in hohem Grade in jenen
Tugenden auszeichneten, welche ſie hier darſtellen ſollen. Zuerſt
begegnet uns Jldefons als Doctor Marianus mit der Krone:
Fides; Meinrad, aus dem Hauſe Hohenzollern, als Martyrer
mit der Krone: Fortitado (Starkmuth); Odilo, Abt von
Clugny, dem die Kirche ein neues Wachsthum der Marien-
verehrung und den Allerſeelentag verdankt; Hermanus Con-
tractus aus der nahen Reichenau, Verfaſſer des ſüßen Salve
Regina; Anſelm von Canterbury, ein bekannter Glanz der
Kirche. Die Tugendkronen dieſer drei letzteren heißen: Caritas,
Patientia und Zelus. Unter den heil. Jungfrauen begegnen
uns zuerſt die Fürſtentochter Gertrud von Nivelles mit der
Krone: Eumilitas; Kunigunde mit der auf ſie ſo paſſenden
Krone der Oastitas; Jda die Pietas ſinnbildend; Francisca
Romana wegen ihrer Obedientia bekannt; endlich die Abtiſſin
Lioba mit der Krone der Prudentia. Jn gleicher Linie an
der Jnnenſeite des Thürſtockes erläutern uns zwei anmuthige
Engelsgeſtalten das auf der Thür angebrachte: Venite ado-
remus, und die übrigen Seiten gegen Weſten und Oſten ſtellen
in Form eines Frieſes Scenen aus dem Leben der heiligen
Benedict, Maurus und Placidus vor, meiſt hellfarbig auf
dunklem Grunde.
Das Jnnere zeichnet ſich durch ein ehrfurchtgebietendes Halb-
dunkel aus, welches durch die ſchmalen und nur wenig Licht
einlaſſenden Fenſter ſelbſt bei hellem Sonnenſcheine bewahrt
bleibt. Das Auge wird gleich beim Eintritt durch das die
ganze Hinterwand ausfüllende Altarbild gefeſſelt, welches den
Tod Chriſti am Kreuze darſtellt. Wie das ,,Organ für chriſt-
liche Kunſt'' vor Kurzem eine Abbildung brachte, erblicken wir
auch hier das Kreuzesopfer gleichſam in idealer Verklärung,
und nicht in ſeiner hiſtoriſchen Wahrheit, die nur mehr das
Aeußerliche und Vorübergehende und nicht ſo faſt das Weſent-
liche und Jmmerwährende darzuſtellen im Stande iſt. Der
unbeſchreiblich ſchöne und doch wie überſinnliche Leib ſteht am
Kreuze viel mehr als daß er hängt, die ausgeſtreckten Arme
ſcheinen mehr das Kreuz zu tragen, als daß ſie daran gewalt-
ſam ausgeſtreckt wären. Das Todtenantlitz, frei von irgend
welcher Verzerrung, iſt in freiwilliger Ergebung nach vorn
geneigt, nicht auf die Seite geſunken. Die Blutstropfen au
der offenen Seite, an Händen und Füßen wecken mehr die
fromme Verehrung des koſtbaren Blutes und ſeiner Geheim-
niſſe, als daß ſie den ſchauerlichen Leidenskampf vergegenwär-
tigen. So und nicht anders würde ſich eine ſichtbare Erſchei-
nung des Frohnleichnams im Augenblicke der Wandlung beim
hl. Opfer darbieten und ſo hat auch die Kunſt im Dienſte
der Kirche den gekreuzigten Gottmenſchen für den Altarſchmuck
ſtets dargeſtellt.

Heilsquelle, aus welcher der Hirſch als Sinnbild der heils-
verlangenden Seele ſeinen Durſt löſcht. Die noch übrigen
Felder in den Ecken füllen Jnſchriften aus. Die Seitenwände
beleben Engelsgeſtalten in weißen Leviten-Gewändern, knieend
vor ſinnbildlichen Weihrauchſchaalen, weil ſie als die beſtän-
digen Zengen des heil. Meßopfers nie fehlen dürfen in der-
gleichen Darſtellungen. Schauen wir auf den Altarbau ſelbſt
herab, ſo bemerken wir eine nach drei Seiten offene Menſa,
unter welcher ein Marmorbild des Kirchenpatrons, wie im
Grabe ruhend, ausgeſtreckt liegt. Hübſch gebaute Säulchen
tragen die Altartiſchplatte und darauf erhebt ſich ein Taber-
nakel. An den unteren Feldern der Wände erſcheinen ſtyliſirte
Palmen und die farbigen Platten des Fußbodens ſtehen in an-
muthiger Harmonie mit den reich geſchmückten Feldern des
flachen Oberbodens aus Holz. Das Wandfeld über dem Ein-
gang nimmt die Darſtellung des ſterbenden hl. Maurus ein
und es dürfte dieſer doch wiederum abgeſonderte Raum ganz
angemeſſen ſein, da er dem Opferaltar gegenüber liegt, neben
dieſem aber keine geeignete Stelle zu finden war, weil der
Heilige mit ihm auch nicht in uäherer Verbindung ſtand. So
bildet das Ganze außen und innen ein ſchönes Bauwerk, das
als ein Verſuch ganz eigener Art daſteht.
Wir haben hiermit St. Maurus weitläufig beſchrieben, um
ſo den Kunſtfreund durch bereits Beſtehendes am beſten zu
belehren, wie Beuron durch ſeine Künſtler einen entſchiedenen
Verſuch gemacht hat, die altehrwürdige Kloſterkunſt wiederum
in's Leben zu rufen. Leider haben ſich die dabei betheiligten
Meiſter nicht frei nach ihren urſprünglichen Plänen entfalten
können, ſie mußten ſich mit beſcheidener Einfachheit begnügen,
immerhin erkennt man aber darans, was ſie doch wollen,
nämlich in's höchſte Alterthum innerhalb gewiſſer Grenzen
zurückgreifen, um ſo der modernen und verflachten Kunſtpraxis
gegenüber eine feſte Baſis zu finden und Beſſeres mit Sicher-
heit anzubahnen. Und die Kunſt kann gewiß nur dadurch zur
Vollendung reifen, daß die chriſtlichen Jdeen, welche ohne
Zweifel über Alles, was Alterthum und die neueſten, mitunter
gewiß ſchätzenswerthen Errungenſchaften bieten, weit erhaben
ſind, dargeſtellt werden, und zwar mit jener Natürlichkeit und
Beſtimmtheit, mit jener weiſen Mäßigung bei aller Kraft und
jener ſtillen Ruhe bei aller Bewegung, welche wir vor Anderm
bei den Alten bewundern. Mit Halbheiten, wie leider viele
chriſtlich denkende Künſtler vorgehen, kommt man gewiß zu
keinem erwünſchten Reſultate. Sei es auch, daß St. Maurus
vielen Künſtlern ſowie Kunſtfreunden und Laien ein Kopf-
ſchütteln oder Achſelzucken für den Augenblick unwillkürlich
abnöthigt, ja ſie vielleicht zu einer Aeußerung über hier vor-
kommende Einſeitigkeit oder gar Schwärmerei für's Alterthum
und Beiſeiteſetzen der Gegenwart hinreißt, ſo ſind Beurons
Künſtler doch gut daran und ſollen auf ihrer ſtrengernſten und
doch zugleich anmuthigen Richtung getroſt fortfahren, und ſie
werden durch ihre hoffnungsreichen und geſicherten Fortſchrttte
ein neues Monte Caſino für Deutſchland ſchaffen.
Tirol.C. A.

Jn weiterer Entfaltung unſeres Altarbildwerkes finden wir
zwei Reihen von Heiligen, drei und drei, wie ſie als lauter
jungfräuliche Seelen dem Lamme folgen, als: Maria und
Johannes Ev. in einer würdevollen Darſtellung, die ſie über
die gewöhnlichen Verhältniſſe menſchlichen Schmerzes erhebt;
dann Joſeph in geheimnißvoller, ruhiger Verzückung nach dem
hl. Pflegſohne hinſchauend, und Johannes d. T., mit prophe-
tiſchem Blicke auf das Lamm Gottes hinweiſend; endlich
Katharina und Cäcilia als Vertreter der kirchlichen Wiſſenſchaft
und Kunſt (zunächſt der Muſik). Nach oben ſchließen das
Bild die idealen Sinnbilder der Evangeliſten ab und zu den
Füßen des Kreuzes entſpringt die paradieſiſche, vierarmige

Moriz von Schwind
ſein Leben und ſeine Werke.
Schwind war ein deutſcher Maler im eminenteſten
Sinne des Wortes ſo wie es nur ein Albrecht Dürer oder ein
Kölner Meiſter je geweſen iſt, d. h. er hat die verborgenen An-
lagen und Vorzüge unſerer beſſern Natur zu künſtleriſchen Er-
ſcheinung und Darſtellung gebracht. Aller Ernſt und alle Milde,
welche uns aus altdeutſchen Männerköpfen, und alle Holdſelig-
keit und Junigkeit, die aus den Frauengeſichtern jeder lebens-
 
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