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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 14.1875

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https://doi.org/10.11588/diglit.7192#0002
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lange im Stillen fort, bis er ſich in jüngſter Zeit mit Hilfe
einer Künſtlerhand zur ſchönſten Blüthenkrone des Schwarz-
waldes entfaltet hat.

Ganz dasſelbe gilt auch von den Zähringer Herzogen, die
im Langhaus an den Wandpfeilern ſtehen, wo ſonſt die Statuen
der Apoſtel angebracht ſind. Es iſt auch unverkennbar, daß
für die Coſtüme die Geſchichte der Trachten im betreffenden
Jahrhundert zu Rath gezogen worden iſt. Die Statuen ſind
alle aus Gyps gefertigt und konuten von ihren Standorten
nicht entfernt werden; während ſie aber früher den natürlichen
Gypston hatten, ſind jetzt alle gefaßt und maleriſch in ſo weit
verbeſſert, als es eben anging. Das Volk hat einen großen
Gefallen an den Statuen, aber darnach fragen wir Nichts, da
ja die Kunſt ſich nicht zum Volksgeſchmack herablaſſen, ſondern
denſelben veredeln ſoll. Unſer Urtheil geht vielmehr dahin,
daß, obgleich die Statuen heute noch vielen Kunſtkennern miß-
fallen, der Künſtler es dennoch durchaus verſtanden hat, ſie ſo
herauszuputzen, daß ſie das Auge nicht mehr beleidigen und
daß ſie jetzt beſſer zum Ganzen paſſen, als in ihrer urſprüng-
lichen Geſtalt.

Wie es ein höchſt einſeitiges und unrichtiges Urtheil wäre
daß nur gothiſche Kirchen wahrhaft ſchön ſeien — die roma-
niſchen Bauten, zumal dem Rhein entlang, beweiſen das Gegen-
theil , ebenſo unrichtig wäre die Behauptung, daß im ſog.
Zopfſtil nicht auch ſchöne Kirchen gebaut werden können. Wohl
iſt der Renaiſſance eine Abkehr von der alten kirchlichen Bau-
tradition eigen, wohl zeigt ſich in ihr das Streben nach weiten,
lichten und großartig wirkenden Räumen — daher breite Chor-
anlage, breites Mittelſchiff, caſſetirte Tonnengewölbe, Maſſen-
wirkung, Haſchen nach Großartigkeit und Effect, Mauertechnik
ſtatt Steinmetzkunſt, was Alles ein Verlaſſen der idealen Rich-
tung und eine Hinkehr zur realiſtiſchen kundgibt —, aber in
der Geſchichte der Renaiſſance müſſen genan mehrere Perioden
unterſchieden werden. Von den Verunſtaltungen, die dieſer
Stil im Zeitalter des XJV. Ludwig erfahren hat, iſt in der
Kirche zu St. Peter Nichts zu finden. Da findet man keine
gewundenen Säulen, willkürliche Curven, Laubwerk, Muſcheln,
Schnörkel, unterbrochene Simſe, volute, ſchneckenförmige Con-
ſolen, Früchte, Genien und Ornamente aller Art, ſondern die
ganze Architektonik iſt edel und harmoniſch gehalten. Wir finden
Proportion der Theile, Ebenmaß und Rythmus, geſchmackvolle
Harmonie und Einfachheit, Großartigkeit und maleriſchen Effect
in Vertheilung der Maſſen. Hier iſt bereits die Reaction ſichtbar,
welche gegen die Mitte des letzten Jahrhunderts gegen die Aus-
ſchreitungen des Roccocoſtils eingetreten iſt.

Gewiß hätte es große Summen erfordert und die Geld-
mittel, welche flüſſig waren, hätten lange nicht gereicht, wenn
man die Herzogsſtatuen durch ueue erſetzt hätte. Aber wir
glauben kaum, daß man eine Fehlbitte gethan, wenn man das
großherzogl. Haus gebeten hätte, an dieſem für die Geſchichte
Badens ſo denkwürdigen Orte, wo die Aſche der alten Zäh-
ringer ruht, edle und würdige Statuen aufzuſtellen.
An den Wand- und Deckegemälden iſt die urſprüngliche
ſchöne Gruppirung und gelungene Auswahl der Sujets zu be-
wundern. Jm Chor ſind die Hauptbilder an der Decke an-
gebracht und vier im Langhaus, die ſich alle auf Begebenheiten
aus dem Leben des hl. Petrus beziehen. Um dieſe größeren
Gruppen zieht ſich ein Kreis von kleineren Bildern über der
Galerie, die gleichfalls Bezug auf das Leben des hl. Kirchen-
patrons nehmen. Auch bei den Fresken iſt die Reſtauration
ähnlich wie bei der Plaſtik nicht nur eine Auffriſchung, ſondern
theilweiſe eine neue Schöpfung, überall aber eine durchgreifende
Verbeſſerung, ſo daß ſämmtliche Gemälde viel gewonnen haben
und als gelungen bezeichnet werden müſſen.

Auch der ſ. g. Jeſuitenſtil ſcheint dem Baumeiſter in der
practiſchen Anlage vorgeſchwebt zu ſein. Oft iſt man bei Voll-
endung einer gothiſchen Kirche in Verlegenheit, wohin die Neben-
altäre und die Beichtſtühle zu ſtellen ſind; anders iſt es beim
Jeſuitenſtil und auch in der Kirche zu St. Peter. An die Stelle
der Seitenſchiffe iſt eine Galerie getreten, unter der eine An-
zahl Seitenaltäre und Beichtſtühle Platz gefunden haben.

Gehen wir von der Betrachtung der architektoniſchen Ver-
hältniſſe zu der bildenden Kunſt über, ſo müſſen wir geſtehen,
daß die Sculptur vou Anfang an mit der Baukunſt nicht im
Einklang ſtand, d. h. nicht ſo edel durchgeführt war. Gar
vielen Leſern ſind noch die verzerrten Geſtalten in Erinnerung,
die im Chor, an den Altären und im Langſchiff ſtanden und
die an die Zeit des ſchlechteſten Roccoco erinnerten. Da erhob
ſich nun die große Frage bei der Reſtauration, in wie weit
Eingriffe in die urſprüngliche Compoſition geſtattet werden
können. Bald kam man jedoch zu der Einſicht, wenn man
Einiges entferne und Anderes an die Stelle ſetze, ſo müſſe
Alles entfernt und durch Neues erſetzt werden, wie es z. B.
gegenwärtig in der im gleichen Stil erbauten Kloſterkirche zu
Beuron geſchieht. Dachte man ferner daran, den Hauptfiguren
Benedict und Scholaſtika am Hochaltar das wirkliche Ordens-
gewand zu geben und es allenfalls mit Gold zu verbrämen,
ſo hätten die Figuren nicht mehr zum ganzen polychromiſchen
Altare gepaßt. Daher wurde bei der ganzen Reſtauration als
Princip feſtgehalten, Nichts von dem Vorhandenen zu entfernen,
um das harmoniſche Enſemble nicht zu ſtören, ſondern blos
das Unſchöne zu verſchönern und das Unpaſſende zu vervoll-
kommnen. Dies iſt auch geſchehen bei allen plaſtiſchen Figuren
der Altäre, im Chor und im Langhaus, und man muß geſtehen,
daß ſämmtliche Figuren durch die Reſtauration viel gewonnen
haben, daß überhaupt aus ihnen das gemacht worden iſt, was
ſich aus ihnen machen ließ. So ſind z. B. bei den Figuren
manche Blößen beſſer überkleidet und die Geſichtszüge ſind
durch angemeſſene Polychromie natürlicher geworden, während
ihre Stellung freilich dieſelbe bleiben mußte.

Am meiſten wird man jedoch beim Eintritt in das Gottes-
haus überraſcht durch den wunderbaren Lichteffect, den die
Farbentöne an den Wänden und der Decke hervorbringen. Es
iſt wohl wahr, daß durch dieſe Wandfarben ein Element in
die Kirche hineingekommen iſt, das man ſonſt bei dieſem Stil
nicht zu ſehen gewohnt iſt, weil man in allen Roccoco-Kirchen
den einfachen Weißel findet, aber die Wirkung, welche der
Künſtler durch dieſe Neuerung erzielt hat, iſt eine recht wohl-
thuende. Man fühlt ſich innerlich gehoben und feierlich ge-
ſtimmt, man empfindet ein Gefühl, daß man in einem gehei-
ligten Raume der Ruhe und des Friedens weilt. Bei vielfachem
Farbenwechſel iſt die Einheit und Harmonie doch vollſtändig
gewahrt und die Altäre heben ſich durch dunklere Farben von
der nächſten Umgebung ſehr ſcharf ab. Vom dunklen Grau,
das an dem Sockel der Pfeiler angebracht iſt, werden die Farben
in vier- bis fünffacher Abwechslung immer heller, bis ſie an
der Decke in einem gelblichen Weiß endigen, das mit hellweißen
Stuckaturverzierungen durchzogen iſt. Solch' herrliche Stuckatur-
gurten ſieht man auch an den Pfeilern. Beſonders ſchön nehmen
ſich die prachtvollen Capitäle und Geſimſe aus, die wieder
ziemlich hell gehalten ſind. Scheint nun vollends Nachmittags
oder Abends die Sonne durch die Fenſter, ſo iſt auch ohne
Glasgemälde die Lichtwirkung durch das Spiel der einzelnen
Farben geradezu herrlich zu nennen. (Es iſt dadurch/ dg die
Farbentone immer lichter werden, gewiſſermaßen die de wieder-
gegeben, welche in gothiſchen Bauten realiſirt eeen ſoll:
Bewältigung und Vergeiſtigung der Maſſe durch die Vaterie)
Dieſen Farbentönen mußte der Harmonie wegen auch der ur-
 
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