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Christlicher Kunstverein der Erzdiözese Freiburg [Hrsg.]
Christliche Kunstblätter: Organ des Christlichen Kunstvereins der Erzdiözese Freiburg — 19.1880

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https://doi.org/10.11588/diglit.7197#0009
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Chriſtliche

Kunſtblätter.

Organ des chriſtlichen Kunſtvereins der Erzdiöceſe reiburg.

(Beilage zum Freiburger Kirchenblatt.)

Nro. 181.

Domine dilexi decorem domus iuae. Ps. 25, 8.

1880.

Der Einfluß des Mariencultes auf Kunſt und Poeſie.

entzückt, ja konnten ſich davon nicht mehr trennen. Nennen
wir noch Johannes und Paulus, die Apoſtel des Gekreu-
zigten, die ſich nur im Kreuze Chriſti rühmen wollten,
einen heil. Benedict, Auguſtin, Franz von Aſſis, Thomas
v. Aquin, Bernard, Jgnatius, Franciscus Xaverius, Carolus
Borromäus, eine heil. Katharina von Siena und Thereſia
— ſie konnten ſich mit unzähligen anderen Heiligen an der
ewigen Schönheit Chriſti nicht erſättigen und merkwürdiger-
weiſe erſchien ihnen Chriſtus ſchöner am Kreuze, als auf
dem Tabor. Das verheidniſchte Genie eines Goethe zog
freilich den olympiſchen Jupiter Chriſtus am Kreuze vor,
allein dieſer Schönheit gebrach es an Wahrheit und man
muß ſich unwillkürlich an den Ausſpruch des Fuchſes von
der Maske in der Fabel erinnern: O welch' ein ſchönes
Geſicht, aber es hat kein Gehirn! Was iſt eine blos er-
dichtete Majeſtät und Macht, ein leeres Jdeal gegen die
wahre, göttliche Majeſtät, deren unausſprechliche Liebe auf
Golgatha in der dichteſten Finſterniß am ſichtbarſten wurde!
Aber Jeſus iſt der Sohn Mariens, durch ſie allein hat
er Fleiſch angenommen, um ſichtbar unter uns zu wohnen,
durch ſie wurde er nicht blos der Gegenſtand unſeres
Glaubens und unſerer Hoffnung, unſerer Anbetung und
Nachahmung, ſondern auch die Quelle aller Poeſie und das
Jdeal aller Künſte. Als Mutter Jeſu iſt Maria deshalb
auch Mutter aller Schönheit, nicht blos der erſchaffenen,
ſondern auch der unerſchaffenen, denn ſie iſt nicht blos die
Mutter der menſchlichen Natur in Jeſus, ſie iſt Mutter
Gottes, Mutter der zweiten göttlichen Perſon. Darum
mußte ſie auch ſelbſt ganz ſchön ſein, wie der Prophet ſie
ſchilderte: ,, Du biſt ganz ſchön meine Freundin und keine
Makel iſt an Dir, Deine Augen ſind Taubenaugen.'' Alle
Schönheit, deren eine Creatur fähig iſt, iſt in Maria ver-
einigt und man kann ſagen, daß ihre Schönheit alle Schön-
heit der übrigen Schöpfung, der Sonne, des Mondes, der
Sterne ſo weit überſteigt, als ihre Würde über die aller
übrigen Geſchöpfe erhaben iſt.
Es gibt gleichſam drei Feuerherde der Schönheit, die
heißen: Gott, der Menſch, die Natur. Die Poeſie der hei-
ligen Sänger des Alterthums feierte vornehmlich das Weſen,

Mutter der Wahrheit und Reinheit iſt Maria, auch
Mutter der ſchönen Liebe, Mutter der Schönheit, da ſie
die Mutter der unerſchaffenen Schönheit iſt und der er-
ſchaffenen Schönheit in ihrer höchſten Anmuth. Das ewige
Wort iſt das Wahre und Gute, aber auch das Schöne an
ſich, da es Gott iſt, es iſt das Schöne in unendlicher Fülle,
weil der Abglanz des Vaters, der Glanz des ewigen Lichtes,
das getreue Abbild ſeiner Weſenheit, der Siegel ſeiner
Majeſtät. Was das ewige Wort an ſich iſt, als der uner-
ſchaffene Ausdruck Gottes, das iſt es in der Welt als ſein
erſchaffener Ausdruck, denn Alles iſt durch dieſes ewige
Wort gemacht, Alles wurde nach dieſem Modell geſchaffen.
Die Welt iſt, wie Dante ſich ausdrückte, ſein Heldengeſang,
weil ſie ſein Werk iſt, weil ſie ſeine Allmacht preist, weil
ſie ſeine Weſenheit einigermaßen reflectirt. Noch mehr, das
ewige Wort wollte das Antlitz der Erde erneuern, ſie mit
neuem Schmucke bekleiden, ſie für ſich bräutlich ſchmücken,
ja es wollte die Menſchheit nicht blos zu ſeiner Braut er-
wählen, es wollte mit ihr eine noch innigere Verbindung
eingehen durch die Menſchwerdung, es wollte ſich perſönlich
ſichtbar zeigen und die Menſchheit zu einem weſentlichen
Theil ſeiner ſelbſt machen. Chriſtus iſt darum die uner-
ſchaffene und erſchaffene Schönheit zugleich. Die Weſenheit
Gottes iſt die abſolute Schönheit und ſein Lebensgeſetz iſt
die Liebe, in Chriſtus iſt die Anmuth und Liebe Gottes
ſichtbar geworden. Dieſe erſchien ſofort an ihm in unverlier-
barer Weiſe. Wenn ſchon der Prophet von ihm weisſagte:
Es iſt an ihm nicht Geſtalt und Schönheit, wir ſchauten
ihn als den letzten der Menſchen; wenn er ſchon ſich ſelbſt
durch den Mund des Propheten beklagen mußte: Jch bin
ein Wurm und kein Menſch, der Auswurf der Menſchheit
und die Verachtung des Volkes: reine, gotterleuchtete, zart-
fühlende, hellſehende Geiſter haben die Strahlen göttlicher
Schönheit auch durch die Finſterniß des Calvarienberges
durchleuchtend geſehen und wurden durch ihren Anblick trotz
der klaffenden Wunden und des gräßlichen Speichels, womit
das heiligſte Antlitz Chriſti überdeckt wurde, unausſprechlich
 
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