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deutsche Kunst war auch zunächst eine nicht im Volksboden gewurzelte, sondern
von Fürsten und Herren nur gepflegte. So konnte das deutsche Volk mitten
im Ueberfluß an Kräften und Leistungen hoher Kunst doch zum Darben oder
zum Betteln in fremden Küchen verdammt bleiben. Es sollte froh sein, wenn
ihm die buchhändlerische Spekulation oder der gute Wille eiues srommen Vereins
entweder geradezn sremden Auskehricht in Massen von Stahlstichen und Holz-
schnitten oder doch die dürftigsten Brosamen, den geringsten Abhub von dem
heimischen Tische in elendem Steindruck zufallen ließ. Was diese Künste Großes
und Edles nach großen und edeln Vorbildern leisteten, blieb in den Kreisen der
Vornehmen und der Kenner. Zwischen dem Residenzschlosse, Herrenhause, Kirchen-
Gebäude und öffentlichen Museum und zwischen dem bürgerlichen Wohnhause,
Familien- und Kindertische war die allergrößte Klust besestigt. Gewiß war es
für das einst so kunsterfüllte und neuerdings wieder so knnstbegabte dentsche Volk
eine große Erniedrigung, daß ihm seine biblischen Geschichten und heiligen
Schriften mit englisch-französischen Zerrbildern und Abklatschen gefüllt werden
mußten.
Doch die Schmach sollte von uns genommen werden. Tüchtige deutsche
Küustler wollten nicht bloß in die allerdings weit vorgeschrittene Schule englisch-
französischer Technik gehen, sondern auch sich zu den Füßen der schlichten, ge-
müthvollen, herzhaft frommen deutschen Altmeister — zu den Füßen eines
Wohlgemuth, Dürer, Holbein, Kranach — setzen und also eine Kunst des Holz-
schnittes üben lernen, welche dem Größten und dem Kleinsten, der Natur und
dem Geiste, zumal dem heiligen Geiste der Schrift gerecht werden könnte in
aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Untzelmann in Berlin, Gaber in Dresden,
Caspar Braun in München sind die Heerführer der neuen deutschen Holzschneiderei
geworden, welche mehr und mehr ihren Beruf darin fand, nicht mit französischer
Leichtigkeit und englischer Ueberspanntheit es dem Stahl- und Kupferstich gleich
oder gar zuvor zu thuu, sondern Holz — Holz sein zu lassen und es in dem
Umsange und in der Tiese zu verwendeu, wozu es sich iu einfach biederer Weise
hergibt. Das gewährt nun wieder die recht volksthümliche Art und die rechte
biblische Weise, deren Wesen Einsalt, Kraft und Jnnigkeit ist.
Caspar Braun, zuerst in der Münchener Akademie zum Maler, danu
von Ursvisi'ss in Paris zum Holzschneider gebildet, ^ gründete 1839 in München
init seinem Genossen Schneider eine xplographische Anstalt, durch welche die
Cotta'sche Buchhandlung in Stuttgart mehrere deutsch-klassische Werke, wie
Schillers Braut von Messina, das Nibelungenlied, Götz von Berlichingen u. s. w.
uach Zeichnungen von Schnorr, Neureuther u. a. nnt vortrefslichen Holzschnitten
beleuchten ließ. Nach dieser meisterlichen Vorübung strebte die Cotta'sche Hand-
lung nach dem Ruhme eiues noch deutscheren Nationalwerkes. Sie wollte den
neuen Aufschwung der vaterländischen Kunst in der Malerei, die zuerst und am
glücklichsten ihr ältestes und eigenstes Gebiet — das religiöse — wieder betreten,
benützen und eine Anzahl der Besten unter diesen Künstlern sür die Schastung
* Siche das neueste allgemeine Künstlerlexiken aller Zeiten nnd Volker, das bei Cbner nnd
Seubert in Stnttgart erscheint und als knrzer Wegweiser in die Künftlerwelt sehr empfehlens-
werth ist.
deutsche Kunst war auch zunächst eine nicht im Volksboden gewurzelte, sondern
von Fürsten und Herren nur gepflegte. So konnte das deutsche Volk mitten
im Ueberfluß an Kräften und Leistungen hoher Kunst doch zum Darben oder
zum Betteln in fremden Küchen verdammt bleiben. Es sollte froh sein, wenn
ihm die buchhändlerische Spekulation oder der gute Wille eiues srommen Vereins
entweder geradezn sremden Auskehricht in Massen von Stahlstichen und Holz-
schnitten oder doch die dürftigsten Brosamen, den geringsten Abhub von dem
heimischen Tische in elendem Steindruck zufallen ließ. Was diese Künste Großes
und Edles nach großen und edeln Vorbildern leisteten, blieb in den Kreisen der
Vornehmen und der Kenner. Zwischen dem Residenzschlosse, Herrenhause, Kirchen-
Gebäude und öffentlichen Museum und zwischen dem bürgerlichen Wohnhause,
Familien- und Kindertische war die allergrößte Klust besestigt. Gewiß war es
für das einst so kunsterfüllte und neuerdings wieder so knnstbegabte dentsche Volk
eine große Erniedrigung, daß ihm seine biblischen Geschichten und heiligen
Schriften mit englisch-französischen Zerrbildern und Abklatschen gefüllt werden
mußten.
Doch die Schmach sollte von uns genommen werden. Tüchtige deutsche
Küustler wollten nicht bloß in die allerdings weit vorgeschrittene Schule englisch-
französischer Technik gehen, sondern auch sich zu den Füßen der schlichten, ge-
müthvollen, herzhaft frommen deutschen Altmeister — zu den Füßen eines
Wohlgemuth, Dürer, Holbein, Kranach — setzen und also eine Kunst des Holz-
schnittes üben lernen, welche dem Größten und dem Kleinsten, der Natur und
dem Geiste, zumal dem heiligen Geiste der Schrift gerecht werden könnte in
aller Gottseligkeit und Ehrbarkeit. Untzelmann in Berlin, Gaber in Dresden,
Caspar Braun in München sind die Heerführer der neuen deutschen Holzschneiderei
geworden, welche mehr und mehr ihren Beruf darin fand, nicht mit französischer
Leichtigkeit und englischer Ueberspanntheit es dem Stahl- und Kupferstich gleich
oder gar zuvor zu thuu, sondern Holz — Holz sein zu lassen und es in dem
Umsange und in der Tiese zu verwendeu, wozu es sich iu einfach biederer Weise
hergibt. Das gewährt nun wieder die recht volksthümliche Art und die rechte
biblische Weise, deren Wesen Einsalt, Kraft und Jnnigkeit ist.
Caspar Braun, zuerst in der Münchener Akademie zum Maler, danu
von Ursvisi'ss in Paris zum Holzschneider gebildet, ^ gründete 1839 in München
init seinem Genossen Schneider eine xplographische Anstalt, durch welche die
Cotta'sche Buchhandlung in Stuttgart mehrere deutsch-klassische Werke, wie
Schillers Braut von Messina, das Nibelungenlied, Götz von Berlichingen u. s. w.
uach Zeichnungen von Schnorr, Neureuther u. a. nnt vortrefslichen Holzschnitten
beleuchten ließ. Nach dieser meisterlichen Vorübung strebte die Cotta'sche Hand-
lung nach dem Ruhme eiues noch deutscheren Nationalwerkes. Sie wollte den
neuen Aufschwung der vaterländischen Kunst in der Malerei, die zuerst und am
glücklichsten ihr ältestes und eigenstes Gebiet — das religiöse — wieder betreten,
benützen und eine Anzahl der Besten unter diesen Künstlern sür die Schastung
* Siche das neueste allgemeine Künstlerlexiken aller Zeiten nnd Volker, das bei Cbner nnd
Seubert in Stnttgart erscheint und als knrzer Wegweiser in die Künftlerwelt sehr empfehlens-
werth ist.