Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
114

nationalen gemacht. Eine große Vergangenheit feiernd ist es auch ein Herold
deutscher Zukunft.
Zu dem herrlichen Feste, das Millionen iu und außer Deutschland im
Geiste mitfeierten, fehlte nichts als der Meister des unvergleichlich großen und
schönen Werkes, Ernst Rietschel, der fromme, geisterfüllte, gottbegabte
Künstler. In ihm hat dasselbe Sachsen, welches den Reformator gebar, dem
deutschen Volke auch den Mann geschenkt, welcher, wie kein anderer wohl, fähig
war, uns jenen in der Vollkraft seines Wesens zu schildern. Welch einen köst-
lichen Beruf hat damit der edle, anspruchlose Bildner erfüllen dürfen, indem
er in aufsteigender Linie die Helden des deutschen Geistes in Literatur, Kunst
und Religion, zuerst (1853) den einzigen Lessing in Braunschweig, dann (1857)
die Zwillingssterne Schiller und Göthe in Weimar, und nun in Worms den
alles überwiegenden Luther inmitten seiner Vor- und Mitkämpfer leibhaftig
der Mit- und Nachwelt vor Augen stellen durfte! War's doch, als ob der
kurze Tag, der ihm noch vergönnt war, ehe die Nacht kam, da niemand wirken
kann, noch rasch benutzt werden.sollte zu diesem Monument, in welchem er,
der schon früher in einer Lutherbüste für die Walhalla seine Meisterschaft in
der historischen Bildnerei bekundet, zum Schluffe seiner Laufbahn sich selbst
übertreffen sollte. Mr erkennen auch darin Gottes Fügung.
Als der erste Gedanke zu einem Lutherdenkmale in Worms protestantische
Herzen begeisterte, wagte wohl niemand so Großes zu ahnen. Aber Gott hat
zu dem rechten Momente den rechten, Mann gegeben, in dessen Geist und Herz
jener Gedanke und der daraus entstandene Auftrag so zündete, daß er die ganze
gereifte Künstlerkrast in schöpferische Bewegung setzte. Aus breitester Grundlage
das Hochbild des deutschesten aller Deutschen zu erheben, in den Einzelgestalten
das ganze Reformationswerk und in diesem das Höchste darzustellen, was seit
Jahrhunderten der streitenden Kirche hienieden gegeben und gelungen ist, das
war für den kindlichfrommen und männlich strebenden Rietschel eine Glaubens-
that und ein Werk der Liebe, dem er freudig seine letzte Kraft geopfert hat.
Arbeitend und betend rang er nach innerer und äußerer Vollendung des Werkes.
In ihm wirkte derselbe Geist, dessen Wirken Luther selbst so treffend schildert:
„es ist ein unruhiger Geist in der höchsten Ruhe, das ist, in Gottes Gnade
und Friede, daß er nicht kann stille noch müßig sein, sondern immerdar dar-
nach ringet und strebet mit allen Kräften, als der allein darum lebt, daß er
Gottes Ehre und Lob weiter unter die Leute bringe, daß Andere solchen Geist
der Gnaden auch empfahen und durch denselbigen auch ihm helfen beten und
danken." Was Rietschel also Gott zu Lob, dem Evangelium zu Lieb, der
deutschen Nation zum Ruhm erfunden und entworfen hat, fand von Anfang
den größten Beifall der Kenner und besonders begeisternden Anklang bei dem
Verein, der sich zu Worms für Aufbringung der Mittel und für Ausführung
des Plans unter dem Vorsitz ches protestantischen Dekans Keim und des
vr. Eich gebildet hatte.
Das im Jahre 1856 begonnene Werk zu Ende zu bringen war aber dem
Meister nicht vergönnt. Jugendfrischen Geistes, obschon mit dem Todeskeim
in der Brust, war der damals 52jährige an die kolossale Ausführung des Mo-
 
Annotationen