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hinbauenden Neustadt, stößt unmittelbar an den Heyl'schen Garten, ist also im
Angesicht des alten Domes, ganz in der Nähe der geschichtlichen Stätte, wo
einst die Burgunder Könige Hof hielten, Brunhilde und Chriemhilde sich zankten,
die deutschen Kaiser die Reichstage hielten und das Mönchlein seinen Gang
ging, „um einen solchen Stand zu thun, dergleichen Held Frundsberg und
mancher Obrister in der allerernstesten Schlachtordnung nicht gethan haben." —
Der Festjubel ist verrauscht. In stiller Morgenfrühe wallen wir hinaus
zum Denkmal am hohen, herrlichen Dome vorüber, in dessen stillen Hallen
kein Bischof mehr das Hochamt hält, von dessen vier Thürmen aber auch noch
nicht die klangvollen Glocken mit ehernem Munde miteinstimmen dursten in
Luthers Fest und Lied. Doch selbst an nichtprotestantischen Häusern in den Gassen
hingen noch manche Tage nach der Enthüllungsfeier Kränze zu Ehren des einst
Gebannten und Geächteten, welchen der katholische Bürgermeister nun öffentlich
zum Ehrenbürger der Stadt Worms ernannt hat. Neben einer altberühmten
jüdischen Synagoge, neben zwei katholischen und drei protestantischen Kirchen hat
in der alten Bischofs- und Kaiserstadt ja auch eine Freimaurerloge „zum
wiedererbauteu Tempel der brüderlichen Liebe" Duldung gefordert und geför-
dert .... So geduldet, ja so gefördert theilweise das Lutherdenkmal auch von
dem katholischen Drittheil der Stadt nun ist, so gewiß „Luther in Worms"
der ergreifendste Moment in der deutschen Reformationsgeschichte ist, so können
wir uns zu ihm hinauswandelnd doch der Frage nicht erwehren, warum dieses
Denkmal hier?
Worms, einst so bedeutend, jetzt so unbedeutend, vom Hauptschauplatze des
reformatorischen Wirkens abgelegen, zu einem Drittheil katholisch geblieben,
im klebrigen wenig kirchlich, hat es eigentlich ein Recht, das Haupt- und
Gesammtdenkmal des lutherischen Reformationswerkes vor seinen Mauern zu
haben? Luther hat hier kaum acht Tage geweilt. Der Heldenmut!), mit dem
er hier vor Kaiser und Reich gestanden, der schönste und volksthümlichste
Moment in seinem Leben, ist doch nicht von entscheidender Bedeutung gewesen,
Luther hat nur festgestanden auf dem, was er zuvor gethan. Das Refor-
mationsfest hat man wohl auf den 25. Juni hier und auf den 31. Oktober dort
im evangelischen Deutschland gesetzt, aber niemand könnte es einfallen, am
18. April, dem Tage von Worms, es zu begehen. Denn unmöglich ist es, das
ganze Reformationswerk mit seinen Vorbereitungen und Nachwehen an Worms
und den Reichstag zu knüpfen. Für Worms paßte nun gewiß ein individuelles
Erinnerungsbild jener standhaften Ueberzeugungstreue, jenes freien, in Gott
gebundenen Gewisfensmuthes, welcher Bann und Acht nicht fürchtend durch
keinen Tod und Teufel sich von dem eingenommenen Stand verdrängen läßt.
Aber so, wie Rietschel's Geist das Mal erschaffen, als Gesammtmonument eines
fünfhundertjührigen Streitens und Leidens um das Evangelium, wie jenes in
> Luther seinen Höhe- und Mittelpunkt hat, wäre wohl Wittenberg, die lutherische
Hauptstadt, die einzig berechtigte Heimath für das Denkmal.
Doch, es steht nun in Worms, der alten Kaiserstadt. Wir gönnen dieser
nicht bloß diese neue Herrlichkeit, die es von neuem zum Wallfahrtsort des
Protestantismus macht. Wir sehen in dem, gewiß auch nicht ohne höhere Fü-
 
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