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Von Donndorf ist rechts gegenüber (Fig. A) die trauernde Stadt Magde-
burg, eine Matrone, das tief verhüllte Haupt in Gram versenkt, zwischen
den Knieen das zerbrochene Schwert haltend, die ganze Gestalt gebrochen, ein
Marterbild voll herben, trostlosen Schmerzes, an alle Greuel des dreißigjäh-
rigen Religionskrieges erinnernd.
Je vier Zinnen erheben sich 1' hoch über die Mauer zwischen je zwei
Figuren-Untersätzen, pfeilerartig vom Boden aufsteigend und oben stumpfppra-
midal abgeschrägt. Auf der Innenseite der 24 Zinnen sind eherne Medaillons
mit den Wappen von 24 Städten eingelassen, welche für die Reformation ge-
stritten und gelitten haben. In alphabetischer Reihenfolge gehen sie, vorn
Norden zum Süden, vom Westen zum Osten, von Straßburg bis Riga, von
Constanz bis Emden. Aber wer wird sie am Denkmal kennen, da kein Name
sie nennt? Und wer auch die gedruckte Beschreibung hat, wie mühselig wird
es sein, die Namen vom Papiere abzulesen, und auf den Zinnen an den
Wappen nachzusehen, nachzuzählen!
Unbedingt sollten die Namen den Wappen beigeschrieben
sein. Und nicht nur dieß. Sondern auch unter den Erzfiguren
sollten Inschriften sein, wie der Brückner'sche Holzschnitt sie hat. Wir
waren Augen- und Ohrenzeugen, wie wenig sich die meisten Besucher in
diesem Wald von Figuren auskennen. Selbst ein Melanchthon war dem
pfälzer Landmann, der uns fragte, kein geläufiges Bild, wie viel weniger kann
ein 'Nichtstudirter den Reuchlin, die beiden Fürsten und die andern Figuren
erkennen. Der gemeine Mann und wer sonst Eile hat, kauft die Beschreibung
nicht einmal. Hier noch nachzuhelfen, wird der so verdienstvolle Ausschuß des
Denkmalvereins gewiß nicht versäumen. Kröne er sein hohes Verdienst um
das deutsch-evangelische Volk noch mit der Fürsorge, daß gerade dem Volke
nicht die Erkenntniß und der Genuß des herrlichen Denkmals mehr als zur
Hälfte verloren gehe durch die mangelnden Unterschriften. Wir bitten hiemit
im Namen von Tausenden um letztere. —
Den sieben Figuren der Ummauerung haben wir freudig in's glänzende
Antlitz geschaut; wir haben auch einigermaßen ihre Seitenansicht genossen.
Aber rings sie zu umwandeln und von allen Seiten zu sehen, wie ein plastisches
Kunstwerk es verlangen darf und soll, ist uns unmöglich gemacht durch die
Zinnenmauern. Das ist Schade. Die übrigen Vortheile, welche durch diese
Umfassung gewonnen wurden, wiegen den Nachtheil nicht auf. Die Verbindung
der sieben Figuren unter sich ist ja doch nur mehr angedeutet als vollzogen
durch die niedern und schwachen, fast nur zaunartigen Zwischenmauern, die nur
ein Gedanke von Mauern sind gegenüber und zwischen den gewaltigen Figuren-
Untersätzen. Diese Figuren, im Viereck um das Mittelbild gestellt, zeigen auch
ohne Weiteres hinreichend deutlich ihre Zusammengehörigkeit an. Der Gedanke
hieran bedarf keiner besondern Andeutung. Und was die Anspielung auf die
feste Burg betrifft, so ist sie wieder ein zwar höchst ansprechender, aber doch
nur ein Gedanke, welcher zu seiner wirklichen Vollziehung ganz andere Dimen-
sionen erforderte. In Wirklichkeit und vor oder in dem Monnmente selbst
erhält man von dieser fünf bis sechs Fuß hohen Zinnenmauer wohl den Ein-
 
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