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nach den Zeiten der Antike überhaupt geblüht hat. Die Gothen waren längst
vom Schauplatze abgetreten, bevor die ersten Anfänge der heute sogenannten
gothischen Kunst sich entwickelten.
Es verdankt diese ihre Benennung, wie es scheint, dem Kunstgeschichts-
schreiber Vasari. Die Italiener sahen sich im 13. und 14. Jahrhundert', als
ihre eigne Baukunst tief gesunken war, genöthigt, ausländische, vor allen deutsche
Architekten herbeizurusen, wenn es galt, irgend ein bedeutendes Monument aus-
zuführen. Diese fremden Architekten bauten nun aber, auch in Italien, in
dem ihnen gewohnten Style, und die italienischen Baukünstler mühten sich ver-
geblich ab, es ihnen gleich zu thun. Als sie nun im 15. Jahrhundert, dieses
Zwanges müde, auf die Nachahmung der in Italien noch vorhandenen antiken
Bauwerke verfielen, wurde es bald üblich, die von den Ausländern herrührenden
Gebäude als Werke der Barbarei zu betrachten, und Vasari war, wie erwähnt,
unter den Schriftstellern der erste, welcher sie für Schöpfungen der Gothen
ausgegeben hat. In Deutschland aber wußte man seit dem 16. Jahrhundert
nichts besseres zu thun, als, wie in der praktischen Kunstübung, so auch in der
Kunstgeschichte, die Italiener nachzuahmen. So wurde bei uns der Name
„gothisch" gäng und gebe und setzte sich dermaßen fest, daß er selbst durch den
viel richtigeren Namen „germanisch" nicht hat verdrängt werden können. So-
viel vom Namen. Gehen wir nun zur Sache über!
Es ist die Blüthezeit des Mittelalters, die färben- und liederfrohe Zeit
der Hohenstaufen in Deutschland, Philipp Augusts, seiner Vorgänger Ludwig
des Dicken und des Jüngeren, sowie seines Nachfolgers, des heiligen Ludwig,
in Frankreich, welche sich vor uns aufthut. Es ist die Zeit der aufopserungs-
sähigsten und nachhaltigsten christlichen Begeisterung, die Zeit jener Züge,
welche fast zweihundert Jahre viele Tausende zur Befreiung der.Stätten aus
den Händen der Ungläubigen unternahmen, an denen der Gottes- und Menschen-
sohn gewandelt und sein Leben zum Lösegelde für die Schuld der Welt dahin-
gegeben hatte, jener Züge, die, wenn auch zuletzt vergeblich, doch den reichsten
Gewinn für die Entwickelung des Abendlandes eintrugen. Nicht minder, als
in jenen großen Bewegungen der Völker, äußert sich diese Begeisterung in den
anspruchslosen Thaten der heiligen Elisabeth, der Landgräfin von Thüringen,
und des Franz von Assisi. Beide verzehrten sich in der Liebe dessen, der den
Dienst an den Annen und Kranken, wie an ihm selbst geschehen, betrachten
will. Die von Franciscus und seinem Sinnesgenossen Dominicus gestifteten
Bettelmönchsorden sollten für die kirchliche Entwickelung, wie für die Ausbrei-

Orten wurde dieselbe durch Zeichnungen und Photographien, in Cassel auch durch Gewölbc-
modelle erläutert. Um für dieselben dem Leser des hier gegebenen Abdruckes Ersatz zu bieten,
habe ich einige Zeichnungen hinznfügen und außerdem ans Abbildungen der besprochenen Danten
verweisen zu müssen geglaubt, welche die in jeder Bibliothek vorhandenen Werke von S chnaase
(Geschichte der bildenden Künste. Düsseldorf 1842 ff.), 1?ei->mssc>n (n Iiistorx- ob uroMteeturs
in all conntriö8. iMirckon 1865 tk.), Vio 11 s t-Is - O n v (ckiotionnuirs rnisonns ckö 1'urelii-
teetnro Iruutzuiss. knris 1858 fs.), Dtte (Geschichte der deutschen Baukunst. Leipzig 1861 ff.)
enthalten.
Marburg, 15. Juni 1868.

Der Verfasser.
 
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