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zu quälen; sie halten sie gleich in der Hand, um sie sofort wieder anzuwenden und
keine Unterbrechung eintreten zu lassen. Alle suchen ihren Schlägen besondere Kraft
und besondern Nachdruck zu geben. Der Jüngste scheint einen Anlauf zu nehmen
und zieht, wie der Kriegsknecht auf dem vorigen Bilde, die Hand hoch hinauf, damit
der Schlag stärker werde. Dadurch wird sein Gesicht bedeckt, als schäme er sich selbst
seiner That. Der Soldat hat die schmerzhafteste Geißel und er hat sie besonders
gefaßt, um ihre Schlüge noch schmerzhafter zu machen. Die Muskeln seines Arms
sind krampfhaft angespannt, das Bein ist gehoben, um den Schlag zu verstärken;
im Gesicht liegt die Freude über den Schmerz, den die Schläge bereiten. — Deut-
licher aber ist die Bosheit ausgesprochen in dem flammenden Auge des Dritten, das
wie das Auge eines Raubthiers (ein Thierfell hat er auch an sich hängen) flammt,
weil es Blut sieht — der zugebissene Mund scheint Zorn auszudrücken wider den
Jüngsten, der nicht hart genug schlügt. Er hat das Ruthenbündel weiter vorn ge-
faßt, um es mehr in der Gewalt zu haben; auch bei ihm sind alle Muskeln scharf
angespannt und die Hand fast krampfhaft um die Ruthe' geschlossen, die keuchende
Brust stützt er mit der andern Hand, die Ruthe hat er in den Gürtel gesteckt, in
dem auch Stricke sind, Reste von denen, mit welchen er den Heiland band, oder
neue, falls die alten reißen; aller Kleidungsstücke hat er sich entledigt, die ihn bei
dem blutigen Werk hindern könnten, und auch er nimmt wie der ihm Gegenüber-
stehende einen Anlauf wider sein Opfer und schreitet weit aus. Die Gesichtszüge
kennzeichnen ihn als Juden. Der römische Soldat schlägt, weil er muß, schlügt hart
aus Rohheit, der Jude aber aus dem Hasse, dessen eben nur ein Jude fähig ist.
Wie also Jüugling, Mann und Greis den Heiland geißeln, so auch — wollen wir
in dem lockigen Jüngling einen Deutschen sehen — Juden, Heiden und Christen.
Der Bosheit des Henkersknechts lohnt die größere Bosheit des zuschauenden Priesters
mit einem wohlgefälligen Blick. Die Bosheit ist so groß, daß die einzige Säule,
welche das Gemach trägt, zusammenstürzeu würde, die Frevler zu erschlagen; aber
der Herr, an diese Säule gebunden, hält sie.
V. Des Heilands Gesicht ist es, was uns auf diesem Bilde zuerst in die
Augen fällt: zwar zucken die Lippen noch von dem eben erduldeten und dem jetzt
neu bereiteten Schmerz, aber es liegt auf dein Gesicht eine Verklärung, die eines
seligen Gefühls des Duldens für Andre, des gerne Leidens. Helles Licht, wie gött-
licher Schein, füllt auf das Gesicht des Erlösers, so daß der vor ihm Knieende, der
im tiefen Dnnkel sitzt, trotz der thierischen Rohheit seiner Gesichtszüge ein scheues
Staunen nicht unterdrücken kann. Das Gesicht schaut auf keinen der Peiniger, es
schaut auf deu Beschauer des Bildes: Das that ich für dich, was thatest du für
mich? — Viel aber hat der Heilaud gelitten: er kann seinen Leib nicht aufrecht
halten. Die Hände, dick geschwollen von den Fesseln, sinken schlaff hinab und die
eine kann kaum den Rohrstab fassen. Die Muskelanspannung, welche wir auf dem
vorigen Bilde sahen, ist verschwunden und dafür ist eine todtühnliche Abspannung
eingetreten. Es scheint, als habe der ungeheure Schmerz seiue Glieder dünner ge-
macht, keine Muskel ist sichtbar uud nur noch vom Fuß herauf scheint der Krampf
des Schmerzes sie noch anzuspannen. Bekleidet ist er nicht. Ueber seinen zerfleischten
Rücken haben die Kriegsknechte den Purpurmantel gehängt, sie haben mit teuflischem
 
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