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Wimperge, die mit Maßwerk in reichster Weise ausgcfüllt sind. Im mittelsten
ist die sogen. Lutherrose angebracht, als Zeichen des evangelisch-lutherischen Gottes-
dienstes. An den vier Strebepfeilern haben die überlebensgroßen Standbilder
der alten Kirchcnheiligen der Stadt Chemnitz, dies sind die Apostel Jacobns,
Petrus, Paulus und Johannes, ihre Ausstellung gefunden. In der Giebelrosette
des nördlichen Seitenschiffes ist die Dreizahl als Sinnbild der heiligen Drei-
einigkeit und in der Rosette des südlichen Seitenschiffes die Vierzahl als Sinn-
bild der vier Himmelsgegenden re. enthalten. In der Rose des großen Giebel-
fensters ist die Fünf- und in dem großen Nundfenster im oberen Giebel ist die
Sechszahl vertreten, während auf der Spitze des Giebels das Kreuz seine im-
ponirende Stellung erhalten hat.
Nicht allein das Aeußere des Gotteshauses hat in dieser Weise seine reiche
und stilvolle Ausschmückung erhalten, sondern auch das Innere, indem alle Wand-
und Gewölbeflächen verziert worden sind mit dem der Spätgothik eigenthümlichen
Ranken- und Quaderwerk rc. Alles Holzwerk erhielt einen eichenholzartigen
Oelfarbenanstrich, der auch bei den leider vorhandenen und nicht zn beseitigenden
Emporen zur Anwendung kam. Auf dem Altarplatz ist ein großer, sehr reich
geschnitzter, mit vielen Figuren ausgestatteter Hochaltar aufgestellt worden, ebenso
ein in seinem Sandstein ausgearbeiteter Taufstein und am Uebergang zum Kirch-
haus eine in Eichenholz gefertigte Kanzel. Übereinstimmend mit solcher Aus-
stattung sind sämmtliche elf Chorfenster mit prächtigen Glasgemälden ausgesetzt
worden, auch alle anderen Kirchenfenster bekamen die sogen. Bleiverglasung mit
bunten Randeinfassungcn in verschiedenartigen Mustern, während die Gicbelrosetten
mit einer durch die Glasbläserei erzeugten Ornamentirung ausgeschmückt wurden.
Diese Wiederherstellung der Stadtkirche in Chemnitz ist die großartigste,
welche gegenwärtig in Sachsen zur Ausführung gekommen ist. Es ist in der
That höchst anerkennenswert!), daß diese Stadt, die im allgemeinen nicht gerade als
besonders religiös und kunstsinnig gilt, zur Wiederherstellung ihres Gotteshauses
geschritten ist und hierfür ein Baukapital von ca. 250000 Mark ausgenommen
hat, da ein Kirchenvcrmögen nicht vorhanden war. Gewiß ein höchst erfreulicher
Zug in unserer sonst so materiell gesinnten Zeit und ein Zeugniß, daß sie recht
wohl zu idealen Bestrebungen geeignet ist, die denen des Mittelalters nicht nach-
stehen dürften. Wir können nur wünschen, daß dieses Unternehmen der Stadt
Chemnitz recht viele Nachahmungen finden möchte.
Leipzig. H. Altendorff, Architekt.

Die iMrflirsten-Didel."
In den Tagen des dreißigjährigen Krieges, der in staatlicher und wirth-
schastlicher wie sittlicher Hinsicht unserem Volke so tiefe, jetzt noch nicht völlig
vernarbte Wunden geschlagen, ist die sog. KurfürstemBibel entstanden. Diesen
Namen hat man ihr um der Bildnisse der sächsischen Kurfürsten willen gegeben,
welche mit je einer kurzen Lebensbeschreibung von Friedrich dem Weisen bis zu
 
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