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1573 stammt, in der Weise wieder, daß die Kanzel ans diesen Schildern gebildet
wird, in deren Mitte also der Prediger steht. Ohne Zweifel hat man, obwohl
die Erbauung der Kirche in das 16. Jahrhundert fiel, wie aus den Wappen
an Kanzel und Gewölben klar wird, so zu sagen den romanischen Stil gewählt
in Anlehnung an den ursprünglichen Ban, der nach den spärlich auf uns gekom-
menen Nachrichten in den Anfang des 13., wenn nicht in das 12. Jahrhundert
oder noch früher zurückreichte. Eben dahin weist auch das einzige in ursprüng-
licher Form erhaltene, kleine rundbogige Fenster, während alle übrigen Fenster
bei Einbau von Emporen zu viereckigen, großen Löchern erweitert sind und eine
in der Mitte der Südseite befindliche mit romanischem Ornament einfachster Art
geschmückte Thür. Hiernach wären nun die uns interessirenden Fragen folgende zwei:
1. Kommt es mehrfach vor, daß der Schlußstein der Gewölbe in ostenta-
torischer Weise mit Wappenschildern adliger Familien geschmückt ist, wie hier?
2. Ist aus der Anbringung dieser Schilder ein sicherer Schluß darauf zu
ziehen, daß die betreffenden Famlien die Erbauer der Kirche find? Letzteres
würde sich wahrscheinlich am ehesten bei Patronatskirchen Nachweisen lassen. So-
wohl der in Wappenschildern bestehende Schmuck der Kanzel, als auch die An-
bringung der Familienzeichen im Kern des Gewölbes vcrräth ohne Zweifel einen
heruntergekommenen Geschmack, und mehr noch einen Sinn, der weniger zur
Ehre. Gottes, als zu seiner Selbstverherrlichung einen kirchlichen Bau ausführt.
Dies würde im 18. Jahrhundert durchaus nicht auffallend sein, daß man aber
dergleichen im 16. Jahrhundert schon fertig brachte, hat uns befremdet, so daß
wir uns nur durch die unzweifelhaft richtige Jahreszahl (1573) an der Kanzel
gezwungen sahen, die Thatsache anzucrkennen. Es wäre daher nicht ohne In-
teresse, zu erfahren, wie weit dergleichen Abweichungen von der guten altkirch-
lichcn Regel in jener Zeit sich finden, da man bei der Nähe der Stadt Minden
mit seinem Dome nicht annchmcn kann, daß die besprochene Sache mit der da-
mals in sehr großer Einsamkeit liegenden Gemeinde oder mit ländlicher Unwissen-
heit zu entschuldigen ist. —


Eine erste Antwort hierauf sei Folgendes: Was die aus Rundbögen zu-
sammengesetzten Kreuzgewölbe betrifft, so sind sie reines Erzeugniß des 16. Jahr-
hunderts und nicht Anlehnung an den ursprünglich romanischen Bau; sie gehören
der Renaissance an. Daß es dieser wohlgefiel, statt der in gothischen Gewölben
herkömmlichen Schlußsteine mit Heiligenbildern Wappenschilder anzubringen, da-
von gibt es in Württemberg zwei hervorragende Beispiele. Einmal in der
Königlichen Schloßkapelle zu Stuttgart, deren Beschreibung aus Grüncisens
Hand sich im Christi. Kunstblatt 1866 Nr. 4 befindet. Da laufen die Gewölbe-
rippen in der Mitte zusammen in den alten herzoglichen Landeswappen, um
welches die kleineren Wappen von Brandenburg, Sachsen, Bayern, Hessen,
Baden, Aragonien, Masovicn u. s. w. gereiht sind, um an die Herkunft der
ältcrn Gräfinnen und Herzoginnen des Landes zu erinnern. Die Schloßkapcllc
ist 1560 durch den frommen Herzog Christoph erbaut und 1865 durch König Karl
 
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