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wiederhergestellt worden. Ein anderes Beispiel ist die merkwürdige Kirche zn
Freudenstadt im Schwarzwald, welche in den Jahren 1601 bis 1608 mit der
Stadt selbst von Herzog Friedrich I. durch den berühmten Baumeister Schickard
erbaut und ganz eigenthümlicherweise in zwei Flügeln, die in einem rechten Winkel
aneinanderstoßcn, angelegt ist. Am Ende der beiden Flügel stehen die beiden
Thürme. Die Kanzel ist in der Ecke angebracht, in welcher beide Flügel zu-
sannnenlaufen. In dem einen Fliigcl haben die Männer, im anderen die Weiber
ihren Platz, so daß sie einander nicht und nur den Prediger aus der Kanzel und
am Altar gemeinsam sehen können. Anziehende biblische Bilder, immer das alt-
testamentliche Vorbild zur neutestamentlichen Geschichte ziehen sich an den Emporen
um den einspringenden Winkel herum; noch anziehender ist der alte gothische
Chorstuhl und Crucifixus, so wie der uralte romanische Taufstein vom Kloster-
Alpirsbach. An dem hohen und schönen, ganz frei hängenden Gewölbe beider
Flügel sind nun auch statt der Schlußsteine in den Durchschneiduugen des Netzes
um das große und schöne, in der Mitte angebrachte württembergische Wappen
die Wappen anderer irgendwie verwandter Fürsten Europas, entfernter die
Wappen der Klöster, Städte und Marktflecken Württembergs zu sehen, welche
zur Erbauung der Stadt und Kirche für die 1599 vertriebenen protestantischen
Salzburger Bergleute beigetragen haben.
Weitere Antworten werden uns willkommen sein. H. M.

Chronik.
Drnkmaler. In Cadorc, der Vaterstadt Tizian's, ist am 5. September sein Denkmal
enthüllt worden. Es ist ein Erzstandbild, von dem Professor an der Akademie der bildenden
Künste zn Venedig Dal Zotto modellirt und von den Brüdern de Poli in Vittorio gegossen.
Tizian ist im Momente des Schassens aufgesaßt, die linke Hand hält die Palette, die rechte
den Pinsel, der Kops ist nach rechts gewendet, das Auge faßt scharf den zu malenden Gegenstand.
Neber die bis zur Hälfte der Oberschenkel reichende Schaube ist ein in Falten hinabfallcnder
Mantel geworfen, während unter dem Baret, das die Stirne umrahmt, eine Fülle von Locken
herabquillt. Die ausdrucksvolle Schönheit des Kopfes, die Vollendung der Formen wie der
Adel der Stellung erheben das Standbild zur Höhe eines wirklichen Kunstwerkes. Hervorzu-
heben ist auch die Art, wie Dal Zotto die verschiedensten Stoffe der Kleidung behandelt, wie
er jeden derselben in seiner Eigenart zur Geltung bringt. Jin Gegensätze zu der Härte, welche
sonst dem Erzbilde anhaftct, sind hier die kleinsten Unterschiede berücksichtigt; die Weichheit des
-sammtcncu Oberkleidcs läßt sich von der seidenen Glätte des Leibrockcs unterscheiden.
Am 5. September wurde das Standbild Blaise Pascals, des Schöpfers der neuen
französischen Prosa, des berühmten Verfassers der gegen die Jesuiten geschriebenen Provinzial-
briefe, des großen Mathematikers und tiefsinnigen, innigfrommen Mystikers in seiner Geburts-
stadt Clermont-Ferrand in der Auvergne feierlich enthüllt. Das Denkmal ist ein Werk des
Bildhauers Guillaume.
Maler Dirr in Ulm hat ein köstliches Werk des Bartholomäus Zeitblom, des Hauptes
der alten Ulmer Malerschnle, einen kleinen Altarschrein in der Stiftskirche zn Blaubeuren würdig
und schön wiederhergestellt.
Inhalt: Ans der Geschichte des Kölner Dombaues. — Die Amtskleidnng der Geistlichen.
Von Pf. vr. Bnnz. — Literatur: Geschichte der bildenden Künste von vr. Karl Schnaase.
— Anfrage und Antwort. — Chronik. _
Verantwortliche Redaktion: Prälat Or. Mer; in Stuttgart.
Druck und Verlag von I. F. Zteinkopf in Stuttgart.
 
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