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„demütige Bitt, es wolle um Gottes und seiner Kirche willen Rat und Hilfe
mitteilen, dieweil unser ruinierter Kürchthurm noch nicht gar restauriert und
ausgcbant, auch die Handwerksleut, so noch nicht ausbezalt, uns alle Tag zu
heischen für die Thür laufen." Im August 1692 ist der Kirchturm „durch
einen grausamen Streich vom Hochgewitter also zerschmettert und zerschlagen
worden, daß bisher bei einfalleudem Regcnwctter allemal das Wasser gar häufig
in die Kirchen hereintringet, derentwegen sie auch in nicht geringer Gefahr stünde,
daß der gänzliche Hin- und Niederfall nächstens daraus entspringen dörffte." Im
Jahr 1693 „ist ein feindlicher Einfall (der Franzosen) beschehen lind Plünderung
alter Kirchenornaten, von Kanzel-, Altar- und Tanfsteintüchern und all übrigen
Kürchcngeräts, vornehmlich auch ihres gehabten doppelten Uhrwerks beraubt worden,
benebcnst aber sowohl die Bürgerschaft als die Stiftung daselbsten offenbarlich in so
schlechtem Zustand und großer Armut sich befinden, daß Sie mit denen zu solcher
Reparation erforderlichen Baukosten, so sich wenigstens auf dritthalbhundert Gulden
belaufen, unmöglich aufzukommen vermöchten." Erst im Jahr 1702, nachdem
das Land sich von den Räubereien und Verwüstungen der französischen Mord-
brenner ein wenig erholt hatte, wurde vom Herzog Eberhard Ludwig verfügt
„nebst einiger mildfürstlicher Beisteuer auch einige Stätt und Ämter zu dergleichen
Ersaunnlung assignieren zu lassen," allwo „männiglich zu freiwillig mildreicher
Beisteuer nachtrucklich erinnert, daraus vor allen Kirchtiiren Beckheter (Becken)
aufgestellt und das Gefallende urkundlich eingeliefert werde." — Am 22. Sep-
tember 1796 macht Magister Hölder an das Konsistorium die Anzeige, daß neben
andcrm durch „die Feinde der Menschheit" (die Franzosen, welche damals über
Rnith nach Eßlingen gegen die Österreicher vorrückten) „das ältere Taufbuch von
1608 bis 1768 meist auseinander gerissen und solches mit großer Mühe wieder
unter den zerstreuten Papieren vorgesnndcn worden, aber weil es nun 124 Jahr
in der feuchten Studicrstube ist, nicht mehr stichhaltig," also neu abzuschreiben sei.
Im Jahr 1817 wurde das noch stehende hölzerne Türmchen -— recht ein Kind
seiner Zeit — erbaut. In den folgenden Friedenszeiten mehrte sich die Einwohner-
zahl und das Kirchlein gewährte schon nach einem Bericht von 1827 weit nicht hin-
reichenden Raum. Allenthalben wurden Ein- und Ausbauten an- und cingeslickt,
Emporen und Stühle in rohester Zimmerarbeit; da war kein Maß, geschweige
Gleichmaß, keine Würde und Schöne; jede Spur kirchlichen Stils war verschwunden.
Immer unerträglicher wurde der Mangel an Raum, welcher die Jugend geradezu
vom Gottesdienst ansschloß. Endlich setzte der jetzt verstorbene Schultheiß die
Einleitungen zu einem Umbau der Kirche durch. Der Verein für christliche Kunst
lieferte durch die Hand seines Ausschuß-Mitglieds, des Obcrbaurats Dr. v. Leins
einen ebenso genialen als einfachen Bauplan, ein wahres Muster der hohen
Kunst, aus altem neues, ja fast ans nichts etwas zu machen. Die Ober-
kirchenbehörde trat mit Anordnung einer allgemeinen Landeskirchenkollekte, der
Staat mit namhaften Beiträgen ein. Der genannte Verein sorgte mit für drei-
fache Bekleidung des neuen Altars, Taufsteins und Predigtstuhls, stiftete an
letzterem vier Evangclistcngemälde durch Pros. Grünewald, gab Rat zu den von
Frauenhand gestifteten Weißen Überwürfen für Altar und Taufstein, sowie zu einem
 
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