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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 50.1908

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Nr. 2 (Februar 1908)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44122#0074
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um den Stoff, um die Idee erweckt das
allgemeine Interesse. Die neuen Stoff-
formeln wirken sensationell, die konzen-
trierten Stoffgedanken locken die Gedanken
des Betrachters an, und man sieht sich
vor Kunstwerken, über die man sprechen
und streiten kann."
Auch unsere Soldaten sollen mehr
Kunst erhalten. Wer selbst in der
kalten Oede der Kaserne gedient hat,
weiß, welche ästhetischen Gefühlsroheiten
ihn dort umgaben. Daß man auch mit
mehr Gemüt und Poesie Soldat sein kann,
beweist eine Zuschrift an den „Tag" aus
militärischen Kreisen, die wir lebhaft be-
grüßen:
„Die Empfänglichkeit des Volkes für die
Kunst hat in den letzten Jahrzehnten,
nachdem sie im Laufe des 19. Jahrhunderts
durch die riesige Entfaltung der Industrie
und der exakten wissenschaftlichen Forschung
in ihrer Entwicklung gehindert war, er-
freulicherweisesichtlichzugenommen.Schöne
öffentliche Gebäude, geschmackvolle Woh-
nungseinrichtungen, auch für die aller-
bescheidensten Ansprüche, Verbreitung ästhe-
tisch befriedigender Erzeugnisse aller mög-
lichen Kunstgewerbe, Konzerte für Arbeiter
— kurz: der immer mehr sich offenbarende
Sinn für edle Erholung im Schauen,
Fühlen, Hören nach dem Denken, Wallen,
Hasten des Alltags beweist jene Empfäng-
lichkeit von Tag zu Tag mehr. Wenn
jemand gezwungen wird, sein Leben in
einer bestimmten Wohnung zuzubringen,
so hat doch wohl der, der ihn dazu zwingt,
die menschlich und sittlich eigentlich ganz
selbstverständliche Pflicht, ihm das Leben
in dieser Wohnung so angenehm wie mög-
lich zu machen. In dieser Lage befindet
sich der Staat gegenüber dem Soldaten.
Seine Pflicht aber tut der Staat in dieser
Beziehung nicht.
Gezwungen durch die allgemeine Wehr-
pflicht bringt der Soldat mehrere schöne
Jahre seines Lebens in der Kaserne zu
Es geschieht sehr viel, um ihm die Erin-
nerung an diese Zeit zu einer angenehmen
zu machen, aber was die künstlerische
Ausschmückung der Mannschaftsstuben be-
trifft, so geschieht dafür von Staats wegen
nichts. Wohl sind die Kompagnie-, Es-
kadron-, Batteriechefs vielfach mit Erfolg

bemüht, diesem Mangel abzuhelfen, aber
man vergesse nicht, daß dies nur in ziem-
lich engen Grenzen geschehen kann und
die Kosten aus privaten Mitteln — sei
es der Offiziere, der Unteroffiziere oder
der Mannschaften — bestritten werden.
Das ist bei der Wichtigkeit der Sache
nicht in der Ordnung. Jede Mannschafts-
stube muß ex ot'tioio schon beim Bau der
Kaserne mit Bildern, Büsten usw. ge-
schmückt werden. Unter den so ganz neuen
Eindrücken des Dienstes, nach der An-
strengung, der körperlichen und geistigen,
die speziell der erst kurze Zeit bei der
Truppe befindliche Soldat alltäglich stark
empfindet, wirkt eine würdig-ernste Aus-
schmückung der Kasernenzimmer wohl-
tuend, beruhigend, freundlich. Um Him-
mels willen denke man dabei aber nicht
an Schlachten- und Soldatenbilder: Die
gäben ja der geistigen Richtung, in die
der Mann durch den täglichen Dienst ge-
zwungen wird, gar keine Abwechslung,
wirkten vielmehr noch mehr auf Einseitig-
keit, hin.
Gegen zwei üble Schäden werden üb-
rigens solche würdige Ausschmückungen
der Mannschaftsstuben wirken: gegen das
Kneipenlaufen und gegen die Mißhand-
lungen. Wer sich in seiner Stube wohl-
fühlt und vielleicht noch ein gutes Buch
zur Hand hat, ist der Versuchung des
Alkohols und des Tanzbodens weniger
ausgesetzt, als einer, der zwischen vier
kahlen Wänden sitzt. Und ein gemütvoll
ausgestattetes Heim läßt Roheiten weniger
leicht aufkommen als die kalte, menschen-
unfreundliche Atmosphäre eben jener kah-
len Wände.
Es macht Kosten, ja! Bei gutem Willen
werden sie beglichen werden. Der Gewinn
aber wird groß sein: eine bedeutende Er-
leichterung der Erziehung und sittlichen
Hebung all der vielen Tausende von jungen
Leuten, die durch die Schule des Heeres
gehen, deren Zufriedenheit einst staats-
erhaltend wirken wird."
Und in der Tat: Für unsere Soldaten
sind schon allerlei Hände am Werk. So
hat der Stuttgarter Verein junger
Männer ein Liederbuch herausgegeben,
das die Poesie von der Zote befreit, und
der Kunstwart schreibt (XXI, 2) in seinem
 
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