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Christliches Kunstblatt für Kirche, Schule u. Haus — 50.1908

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Nr. 5 (Mai 1908)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44122#0187
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Wichern, der in seiner Person die Einheit von Christentum und Kultur
verkörpert, ist nun auck nicht müde geworden, praktische Arbeit zu leisten.
Vor allem durch den Kampf gegen die minderwertige Literatur, die
von Gesichtspunkten ausgeht, welche dem Heidentum der alten klassischen Welt
entlehnt sind. „Sehen wir — sagt er 1871 — auf diejenige Literatur, die sich
an den Namen des noch immer weiterlebenden jungen, noch nicht alt gewordenen
Deutschland und seiner Dichter knüpft! Welch eine Saat des Unverstandes, der
Liederlichkeit, des Hasses gegen das Christentum und seine Diener, ja des Hasses
gegen alle Religion, ist von diesen mitunter auch talentvollen Geistern ausge-
säet! Die Saat ist längst aufgegangen, sie steht zur Ernte reif... Die Selbst-
emanzipation vom positiven Christentum, und wie oft auch von seiner Moral,
gilt für ein selbstverständliches Zeichen der „wahren" Religion und der nllver-
breiteten „welterlösenden" Bildung, d. h. also: Jetzt nachdem das Christentum
sich als die von allen Nalurmächten und Beschränkungen emanzipierende geistige
Macht erwiesen und nun die Frucht sucht, daß man es selbst in seiner Herrlich-
keit aufnehme, damit es sein Werk vollende —, jetzt stößt man es mit Hohn
von sich!" Wichern erinnert ferner an die sozialen Romane von George Sand,
Alexander Dumas, Eugeu Sue und seinesgleichen, „sodann an die Gier, mit
der diese Literatur von unserem Volk verschlungen ist und noch verschlungen
wird, — wie unser Volk sich daran gesättigt und auch von dieser fremdländischen
Franzosenhand in schwerer Verschuldung sich hat erziehen und zur angeblich
wahren Bildung verführen lassen! Können wir uns wundern, wenn dement-
sprechend das wirkliche Leben im Volk denselben Weg gegangen ist?"
Wenn es sich instinktmäßig freut, die Bilder der leichtsinnigen und lüsternen
Phantasie verwirklicht zu sehen und sich amüsiert an der Frivolität von soge-
nannten Volkstheatern und Volksvergnügungen. Das sind die Gräber für unsere
lebendig zu Grab getragenen Jugend; denn gerade sie bildet die Kundschaft für
gewisse laszive Bücher und für „die phantastisch ungesunden, romanhaften Jugend-
schriften, die mit ihren abgeschmackten, unwahren, verlockenden, abenteuerlichen
Schilderungen namentlich der seeischeu und überseeischen Welt die Phantasie der
Kinder in ungesundester Weise reizen und irreleiten und unberechenbar auf die
Leichtfertigkeit des Willens und zwar in so entscheidender Weise wirken, daß
dadurch nicht selten die ganze Zukunft der Kinder zerstört wird." — Dagegen
hilft nur die Verbreitung guter Bücher und die Unterstützung der
anständigen Presse. Wichern begrüßt deshalb die Gründung von
illustrierten Unterhaltungsb lättern wie des „Daheim", gibt durch
die Agentur des Rauhen Hauses Volksschriften aus, sendet Kolpor-
teure unter das Volk, fordert die Einrichtung kleiner Volksbibliotheken
und veranlaßt den Zentralausschuß für Innere Mission, ein gedrucktes Verzeich-
nis von empfehlenswerten volkstümlichen Büchern auszugeben. „Die einzelne
Bücherei könnte in Schulen, Fabriken, Dörfern, einzelnen Stadtteilen aufgestellt
und unter der Voraussetzung, daß eine jede derselben andere Bücher enthielte
als die andere, gegeneinander nach den verschiedenen Stellen von Zeit zu Zeit
ausgewechselt werden; an vielen Stellen würde für den Zweck die Einrichtung
 
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