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Chrzanowski, Tadeusz; Żygulski, Zdzisław; Czerwiński, Ryszard [Hrsg.]
Polen - Schätze der Jahrhunderte — Kraków, 2001

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https://doi.org/10.11588/diglit.41523#0009
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Das Wort „Schatz” assoziieren wir mit Kisten voller Schmuck, mit zartem chinesischen
Porzellan, mit glitzernden, edelsteinverzierten Kronen, mit wertvollen Gemälden großer
Meister, mit einmaligen Handschriften und seltenen Büchern. Wenn nur diese Kriterien
maßgeblich wären, könnte Polen als armselig erscheinen. Denn als Schatzgruben gel-
ten allgemein die großen Galerien wie der Louvre, der Prado oder die Eremitage, die
kugelsicheren Vitrinen im Kreml und in der Hofburg, die riesigen Schreine im Vatikan
und im British Museum. Für Polen waren die letzten 350 Jahre mehr eine Zeit der Aufbrüche und
Niederlagen als eine der Siege und Triumphzüge. Die Schätze der Könige wurden verstreut und
vernichtet, die silbernen Kunstgegenstände der Kirchen sind entweder konfisziert oder für na-
tionale Zwecke gespendet worden: Archive und Bibliotheken wurden Opfer von Bränden, Paläste
wurden zerstört, die Menschen, deren Besitz beschlagnahmt wurde, wurden nach Sibirien oder
in die Konzentrationslager verschickt. Die Kostbarkeiten sind zwar verschollen, erhalten ge-
blieben sind jedoch glücklicherweise Schätze, die zwar nicht aus wertvollen Metallen und Edel-
steinen bestehen, ohne die jedoch die polnische Geschichte tot und stumm wäre: Rüstungen und
handverfaßte Kodizes, Schloßmauern und Kirchtürme, Universitätszepter und Königsgräber,
Rathäuser und Patrizierhäuser, wertvolle Gewebe, Sattel, Säbel... Die Tatsache, daß sie da sind,
berührt die empfindsamsten Saiten im Menschen - die Erinnerung und die Vorstellungskraft.
Das heutige Polen ist lediglich ein Teil eines der bedeutendsten Staatsgebilde, die das Europa
der Neuzeit hervorgebracht hat — ein Teil der Republik der Beiden Völker, eines Staates, der über das
Schicksal Mittel- und Osteuropas entschied, um dessen Gunst Kaiser und Zaren, Könige und Sultans,
Chans und Hospodaren rangen und dessen Wahlkönigtum der Traum der Prinzen aus ganz Europa
war. Die Republik war eine Heimat für viele Völker. Besonders eng waren jedoch die Bande zwischen
Polen und Litauern. Dies bedeutete keinesfalls eine Diskriminierung anderer Völker. Die russischen
Adeligen und Magnaten griffen mutig nach den höchsten Ämtern; wesentlich kleinere Minderheiten
bildeten die Juden und die Deutschen. Es entstand eine Kultur, in der es zu einer Verflechtung der
polnischen Wurzeln mit den scheinbar gegensätzlichen Einflüssen des Abendlandes und des Orients
kam. Es entstand eine Welt, in der es niemanden wunderte, daß die Katholiken die Ikonen ehren, daß
das Augsburger Silber die Höfe aus Lerchenholz schmückt, und daß persische, in Panoplien kompo-
nierte Waffen italienische Kurdibans als Hintergrund haben. In den orthodoxen Holzkirchen der
Karpaten und in den Backsteinkathedralen in Pommern, in den Ruinen der gotischen Schlösser im
Jura und in den imponierenden Mauern von Podhorce, in den Klosterschlössern des Kreuzritteror-
dens in Warmia und in den multireligiösen Gotteshäusern Lwows ist die Erinnerung an den ehema-
ligen Universalismus eingeschlossen. Erinnerung an eine Zeit, in der es niemanden wunderte, daß ein
von einem Holländer entworfenes Gebäude von polnischen und schlesische Maurer gebaut, von
Italienern mit Skulpturen und Stuck versehen wurde, daß seine Wände die Gemälde eines deutschen
oder tschechischen Malers schmückten und daß der Stifter des Ganzen ein polnischer Magnat russi-
scher Herkunft und protestantischen Glaubens war.
Die zahlreichen Kriege und politischen Niederlagen haben uns die Möglichkeit genom-
men, die ehemaligen Schätze zu bewundern. Vor allem die schwedische „Sintflut” (1655-1660)
stellte eine grausame Zäsur dar. Die Eindringlinge erwiesen sich auch als Meister im Kunstraub.
Die Kathedrale und die unterirdischen Königsgräber auf dem Wawel in Krakau sind acht Mal
geplündert worden. Ein Zeuge dieser barbarischen Taten schrieb: „Die goldenen Ringe, Ketten
und Wappen wurden von den Leichen runtergerissen’’. Die Schweden zertrümmerten den herrli-
chen Sarg von Wladyslaws IV. nur um zweier (!) silberner Nägel willen, mit denen er zusammen-
gehämmert war. Dieser brutale Mechanismus wiederholte sich in unterschiedlichem Maße während
der Kriege im 18. Jh., während der Nationalaufstände im 19. Jh. und während der beiden
Weltkriege. Tragische Verluste erlitten die Schätze der Kultur insbesondere infolge des letzten
Krieges und der Okkupation, wobei mehr Kunstwerke gezielten Aktionen der Besatzungsmacht
zum Opfer fielen als dem Kriegsgeschehen. Noch trauriger stimmen die sinnlosen Zerstörungen
während der Agrarreform, der Nationalisierung, der Repatriierung, die in den ersten Monaten
und Jahren nach dem Krieg erfolgt sind.
Trotzdem können wir auf das stolz sein, was den Stürmen der vergangenen Jahrzehnte
standgehalten hat. Hinsichtlich der Attraktivität der Architekturdenkmäler und ihrer maleri-
schen Einbettung in die reiche Landschaft gehört Polen zu den interessantesten Gebieten auf der
touristischen Landkarte Europas. Diese Schätze müssen lediglich gut erhalten und entspre-
chend bewußt gemacht werden. Anfängen müssen wir bei uns selbst, wir müssen uns auch klar
machen, daß der Begriff Schönheit nicht nur für Italien oder Spanien gilt, schön ist auch das
Dach einer Goralenhütte mit der Tatra im Hintergrund, ein mit Weiden bewachsener Ackerrand,
eine orthodoxe Kirche an den Mäandern des San. All das bildet den richtigen Hintergrund für
die Schätze des Weltkulturerbes im Weltmaßstab, für den Wawel, für Gdansk, Malbork, Zamosc,
Wieliczka oder Kalwaria Zebrzydowska.
Dem Bildband „Polen - Schätze der Jahrhunderte” kann leicht vorgeworfen werden, daß
darin nicht alles gezeigt wird, was schön ist, was wir lieben und was uns nahe steht. Diese
Forderung ist jedoch nicht zu erfüllen und jeder Zwang zur Auswahl birgt Unzulänglichkeit in
sich. Es ist jedoch eine Unzulänglichkeit besonderer Art - sie regt zum Reisen, zum Anschauen
der Schätze aus unserer Vergangenheit an, sie regt uns an, sich ihnen zu stellen und eine persönli-
che Schatztruhe einzurichten.
Der Verleger

MALOPOLSKA 6-101


SLASK 102-127


WIELKOPOLSKA UND KUJAWY 128-145


MAZOWSZE UND PODLASIE 14^165


WARMIA, MAZURY,POMORZE 166-189


DAWNE KRESY WSCHODNIE 190-199


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