Overview
Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911

DOI issue:
4. Heft
DOI article:
Ausstellungen
DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.24118#0167
Overview
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
AUSSTELLUNGEN

feitigkeit des Künftlers noch deutlicher erkennen.
Inhalt und Form find für den Wert der Kunft-
leiftung in gleichem Maße ausfchlaggebend.
Taucht im Kunftleben der Wunfch nach einem
neuen Stil auf, muß er in beiden Hinfich-
ten befriedigt werden. Unfere junge Künftler-
generation fcheint noch, unter der Nachwirkung
der l’art pour l’art-Theorie des Impreffionismus,
diefer einfachen Wahrheit nicht bewußt zu fein
und Pör leidet auch gewaltig unter der Ein-
feitigkeit feiner Auffaffung.

Änftatt die Befeelung feiner Leitungen anzu-
ftreben, fucht er neulich die Aushilfe in rein
formaler Hinficht bei alten Meiftern wie Michel-
angelo, ja fogar Signorelli und outriert dabei
beide. Wie er feinerzeit keinen anderen Ehr-
geiz hatte als hervorragender Arbeiter zu fein,
fo kennt er der Kunft gegenüber auch jet^t nur
rein vifuelle Forderungen. Deshalb ift er nicht
imftande, in feine Landfchaften, in denen die
Harmonie der Farben überzeugend ift, Stimmung
hineinzubringen. Der Mangel an Wärme und
Erfindungskraft ift die Radfperre feiner Kunft
und kann auch leicht zu feinem Verderben
führen, wenn ihm nicht gelingt in die Seele
des Menfchen und der Natur tiefer zu dringen.

Takäcs.

FLORENZ Im KUPFERSTICH-KABINETT
DER UFFIZIEN wird eine Ausftellung von Por-
trätftichen vorbereitet, die eine ausgezeichnete
Ergänzung zu der großen Porträtausftellung im
Palazzo Vecchio bilden dürfte, deren Eröffnungs-
tag foeben auf den 12. März feftgefe^t worden
ift. Der von Vafari gefchaffene Schwibbogen
zwifchen Palazzo Vecchio und Uffizien wird
eine bequeme Verbindung zwifchen den beiden
Schaufteilungen ermöglichen. W. B.

GENF Das Mufee Rath brachte eine Aus-
ftellung der drei Berner Tieche, Colombi und
Hans Widmer. Tieche war als Landfchafter
von kultiviertem Gefchmack vertreten, auch als
architektonifch geftaltender Maler. Colombi
und Widmer bringen hauptfächlich Landfchaft-
liches in zeichnerifch ftrenger, farbig lebendiger
Faktur. Befonders intereffant war die Kollektion
von Alexandre Cingria, die in eigens einge-
richteten Sälen ein künftlerifch fein abgeftimmtes
Ambiente hatte. Cingrias Kunft geht auf große
dekorative Wirkung, wie fie als vornehmftes
Ziel feiner Art Geftaltung vor allem hiftorifcher
Erlebniffe, gelten muß. — Im Athenäum findet
eine Ausftellung von Aquarellen des ausgezeich-
neten Neuenburger Mofaikkünftlers Clement
Heaton ftatt. Die Studienblätter aus den
Schweizer Alpen vermitteln die Bekanntfchaft

mit einem feinfinnigen Landfchafter, der auch
etwas anderes — wir hüten uns zu fagen
„mehr“ — fein kann als Dekorateur. J. C.

KARLSRUHE TRÜBNER-AUSSTELLUNG
(2. Februar bis 2. März 1911). Die impofante
Trübner-Ausftellung, die der Karlsruher Kunft -
verein bietet, zeigt vor allem, daß des Meifters
Schaffen Arbeit war, unausgefetjte, auf das be-
ftimmte Ziel reiner Malerei gerichtete Arbeit.
Der durch feine wiffenfchaftliche Bearbeitung
dokumentarifchen Wert befit$ende Katalog hat
drei Schaffensperioden aufgeftellt. Sie umgrenzen
aber nicht etwa fcharf getrennte Malausdrucks-
weifen, fondern logifch und organifch ausein-
ander entwickelte Malperioden, die mit unfehl-
barer Sicherheit fich durch die malerifchen
Probleme der Zeit hindurch arbeiten. Nicht der
Reichtum oder die Geiftesfülle der Ideen, fondern
der Reichtum und der Geift des malerifchen
Handwerks wird hier verhandelt und dargetan.
Der malerifche Charakter diefes Lebenswerkes,
das ift die künftlerifche Weltanfchauung Trübners.
Nichts anderes hat ihn wefentlich befchäftigt,
als was zur Malerei gehört. Das hat er aus-
gebildet und entwickelt, unbekümmert um die
Moden der Tage, um die Einflüffe von außen.
Das Poetifche, Genrehafte, das Erzählende und
Dekorative, das in den Anfängen vielleicht noch
konftatiert werden könnte, ift nach und nach
völlig ausgemerzt und durch das rein Malerifche
erfetjt worden. Das Licht ergießt fich immer
breiter und völliger über die Dinge, die Farben
werden immer heller, faftiger und perfönlicher,
die Lüfte umfluten immer leichter und transpa-
renter die Erfcheinungsformen, Raum- und
Körperwirkungen werden immer klarer und
ftärker, die Sprache des Pinfels wird immer ein-
facher, lebenfprühender und wuchtiger. Völlig
klar wird, daß Trübner feine malerifche Ent-
wicklung nicht den Franzofen verdankt, fondern
der deutfchen Linie angehört. Der Canonlehrer
Waldmüller, Canon und ein wenig Niederländi-
fches, ein Schuß Leibi undThoma, ein Einfchlag
Feuerbach und viel, viel Trübnerifches: das ift
die Entwicklungslinie diefer Kunft. Von höchftem
Reiz und Intereffe ift es, in diefer lückenlofen
Ausftellung zu verfolgen, wie Trübner in meift
ferienweife entwickelten Studien und Vorarbeiten
die Probleme anpackt, von allen Seiten her be-
arbeitet, um fie, in bündigen und triumphieren-
den Schlußformeln fo zu löfen, daß weitere Auf-
gaben fich daraus ableiten laffen.

Trübner dokumentiert fich auf diefer Aus-
ftellung als einer der größten und fachlichften
Porträtmaler. Von Leibis malerifcher Kultur ift
Trübner zur malerifchen Monumentalität fort-

143
 
Annotationen