Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 3.1911
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4. Heft
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AUSSTELLUNGEN
Bilder bezeichnen den ortsüblichen Durchfchnitt
des Äkademiemalers von 1870—80 und Schnees
Landfchaften gehen unter diefe Mindeftforde-
rung noch um ein erhebliches herab. Diefe
Sachen find beinahe fchon wieder intereffant:
man follte glauben, der Maler habe feine Land-
fchaften nicht nach der Natur, fondern nach
fchlechten Theaterdekorationen gemalt.
J. S ievers.
BUDAPEST Man wird auch durch die zweite
Serie der Winterausftellungen zu ernften Be-
trachtungen eingeladen. Zwei Kollektionen dür-
fen nämlich nicht außer Acht gelaffen werden.
Die eine ift im NEMZETI SZÄLON (National-
falon) ausgeftellt und enthält die Werke der
Mitglieder des Kunftvereins „Keve“ (Garbe).
Die Äusftellung weift nichts auf was einen ftar-
ken Impuls auszuüben imftande wäre, fie ver-
einigt aber eine Reihe tüchtiger Werke, die außer
dem Können auch von unleugbarer künftlerifcher
Intelligenz zeigen. Ich denke dabei in erfter
Linie an Frau Erneftine Lohwag, die in ihren
Porträts, befonders in denjenigen einer weiß-
gekleideten fixenden jungen Dame, anerkennens-
werte Beweife ihres feinen Gefchmacks und
Farbenfinnes gibt. Sie geht zwar nicht weit
über das Erlernbare hinaus, was fie aber ihr
Eigenes nennen kann, wirkt heiter und ge-
winnend.
Die Architektur der Räumlichkeiten lobt Lud-
wig Kozma und Franz Szablya Frifchauf als ihre
Meifter. Originell ift ihr Werk durchaus nicht
zu nennen. Die Künftler bekannten fich ganz
zum Schönheitskanon der Wiener Werkftätte.
Das foll ihnen infofern nicht verübelt werden,
als die rein architektonifche Seite der Aufgabe
glücklich gelöft worden ift. Das allzu Gefühllofe
der Dekoration macht jedoch die Räumlichkeiten
etwas froftig.
Edmund Moiret ift in der Äusftellung als
Plaftiker vertreten. Er kann mit feiner Freifigur
(nackter alter Mann) kein Intereffe erwecken.
In einem Relief (Leda) erzielt er jedoch glück-
liche Wirkung durch Feinheit des Ausdruckes.
Schöpferifches Talent ift am meiften Eugen
Remfey und Julius Tichy eigen. Die große Kom-
pofition des erfteren — Magdalena falbt die
Füße des Heilandes lehnt fich noch in For-
mengebung ftark an die Sienefer Trecentiften
an. Die Darftellung eines wandernden Land-
ftreichers und einige Porträts tun fich durch
fidiere Erfaffung des Seelifchen hervor.
Tichy ift wahrhaft poetifch veranlagt. Er liebt
das Gedankenreiche, Gefühlvolle. Seine Themen
find gefucht, feine Typen die Ausflüße eines
durchaus raffinierten Schönheitsfinnes. Tichys
Kompofitionen fpiegeln mit finnreich unter-
fchobenen biblifchen und hiftorifchen Themen
das Seelenleben des dekadenten Kulturmenfchen
wieder. Schade, daß feinen Gemälden an Aus-
drucksfähigkeit der Farben gebricht.
Hervorzuheben find die Leiftungen zwei talen-
tierter Graphiker. Der eine — Robert Lenärd —
wirkt als Radierer. Er ftellt architektonifche
und landfchaftliche Motive dar und bedient fich
einer kurz andeutenden Formenfpradie, die, wie
die jetjt ausgeftellten Werke zeigen, die Spar-
famkeit der Mittel mit dem fkizzenhaften Cha-
rakter der Ausführung vereinigt und in diefer
Richtung fich konfequent weiterentwickelt.
Der andere — Viktor Erdei — verarbeitet da-
gegen philofophifche Gedanken in einem ftark
abgeleiteten, akademifch abftrakten Stil und
ift dabei bemüht, feine frühere ganz undekora-
tive Linienfprache in eine finnlichere umzubilden.
Charakteriftifch ift für das Durchfchnittsniveau
der Äusftellung, infofern man von einem folchen
fprechen darf, eine wahrhaft artiftifche Auf-
faffung. Das foll in Erwägung deffen, daß die
Werke juryfrei aufgenommen wurden, nach-
drücklich betont werden.
Die andere Äusftellung, die des jungen Bar-
tolomäus Pör im KUNSTSALON KÖNYVES
KÄLMÄN bietet uns das Schaufpiel heftigen
Kampfes für eine neue Kunftfprache, wobei
andere hödiftwichtige Fragen der Kunftfchöpfung
unberückfichtigt bleiben.
Pör hatte feine Studien in der jüngftver-
gangenen Zeit angefangen, als das Prinzip l’art
pour l’art unanfechtbar zu fein fchien. Er be-
kannte fich ohne Vorbehalt zu diefer Doktrine
und zog daraus in der Folge der Zeit immer
weitere Konfequenzen. Er ift in kurzer Zeit
beliebter Porträtift geworden, doch fcheint ihn
das Bildnis pfychologifch nicht befonders inter-
effiert zu haben. Seine Gemälde find, anfangs
fein differenziert, fpäter in der denkbar breite-
ften Flächen gehalten, bloß der Kunftfertigkeit
willen gefchaffen worden.
Vor etwa drei Jahren ftellte fich bei dem
Künftler ein radikaler Umfchwung ein. Er griff
zu einer äußerft primitiven, fynthetifchen und
linearen Formengebung. Sein erftes großes Bild
in diefem Stile, die Porträtgruppe, die er voriges
Jahr in Budapeft und Berlin (anläßlich der Äus-
ftellung ungarifcher Maler in der Sezeffion) und
nun wieder bei Könyves Kaiman ausgeftellt hat,
fand im allgemeinen keinen Beifall und kann
audi nicht gerühmt werden. Es weift nämlich
weder intenfive Beobachtungen, noch finnreiche
Äbftraktionen auf.
Die neuefte große Leinwand — drei Aklfiguren
in einer bergigen Landfchaft — läßt die Ein-
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Bilder bezeichnen den ortsüblichen Durchfchnitt
des Äkademiemalers von 1870—80 und Schnees
Landfchaften gehen unter diefe Mindeftforde-
rung noch um ein erhebliches herab. Diefe
Sachen find beinahe fchon wieder intereffant:
man follte glauben, der Maler habe feine Land-
fchaften nicht nach der Natur, fondern nach
fchlechten Theaterdekorationen gemalt.
J. S ievers.
BUDAPEST Man wird auch durch die zweite
Serie der Winterausftellungen zu ernften Be-
trachtungen eingeladen. Zwei Kollektionen dür-
fen nämlich nicht außer Acht gelaffen werden.
Die eine ift im NEMZETI SZÄLON (National-
falon) ausgeftellt und enthält die Werke der
Mitglieder des Kunftvereins „Keve“ (Garbe).
Die Äusftellung weift nichts auf was einen ftar-
ken Impuls auszuüben imftande wäre, fie ver-
einigt aber eine Reihe tüchtiger Werke, die außer
dem Können auch von unleugbarer künftlerifcher
Intelligenz zeigen. Ich denke dabei in erfter
Linie an Frau Erneftine Lohwag, die in ihren
Porträts, befonders in denjenigen einer weiß-
gekleideten fixenden jungen Dame, anerkennens-
werte Beweife ihres feinen Gefchmacks und
Farbenfinnes gibt. Sie geht zwar nicht weit
über das Erlernbare hinaus, was fie aber ihr
Eigenes nennen kann, wirkt heiter und ge-
winnend.
Die Architektur der Räumlichkeiten lobt Lud-
wig Kozma und Franz Szablya Frifchauf als ihre
Meifter. Originell ift ihr Werk durchaus nicht
zu nennen. Die Künftler bekannten fich ganz
zum Schönheitskanon der Wiener Werkftätte.
Das foll ihnen infofern nicht verübelt werden,
als die rein architektonifche Seite der Aufgabe
glücklich gelöft worden ift. Das allzu Gefühllofe
der Dekoration macht jedoch die Räumlichkeiten
etwas froftig.
Edmund Moiret ift in der Äusftellung als
Plaftiker vertreten. Er kann mit feiner Freifigur
(nackter alter Mann) kein Intereffe erwecken.
In einem Relief (Leda) erzielt er jedoch glück-
liche Wirkung durch Feinheit des Ausdruckes.
Schöpferifches Talent ift am meiften Eugen
Remfey und Julius Tichy eigen. Die große Kom-
pofition des erfteren — Magdalena falbt die
Füße des Heilandes lehnt fich noch in For-
mengebung ftark an die Sienefer Trecentiften
an. Die Darftellung eines wandernden Land-
ftreichers und einige Porträts tun fich durch
fidiere Erfaffung des Seelifchen hervor.
Tichy ift wahrhaft poetifch veranlagt. Er liebt
das Gedankenreiche, Gefühlvolle. Seine Themen
find gefucht, feine Typen die Ausflüße eines
durchaus raffinierten Schönheitsfinnes. Tichys
Kompofitionen fpiegeln mit finnreich unter-
fchobenen biblifchen und hiftorifchen Themen
das Seelenleben des dekadenten Kulturmenfchen
wieder. Schade, daß feinen Gemälden an Aus-
drucksfähigkeit der Farben gebricht.
Hervorzuheben find die Leiftungen zwei talen-
tierter Graphiker. Der eine — Robert Lenärd —
wirkt als Radierer. Er ftellt architektonifche
und landfchaftliche Motive dar und bedient fich
einer kurz andeutenden Formenfpradie, die, wie
die jetjt ausgeftellten Werke zeigen, die Spar-
famkeit der Mittel mit dem fkizzenhaften Cha-
rakter der Ausführung vereinigt und in diefer
Richtung fich konfequent weiterentwickelt.
Der andere — Viktor Erdei — verarbeitet da-
gegen philofophifche Gedanken in einem ftark
abgeleiteten, akademifch abftrakten Stil und
ift dabei bemüht, feine frühere ganz undekora-
tive Linienfprache in eine finnlichere umzubilden.
Charakteriftifch ift für das Durchfchnittsniveau
der Äusftellung, infofern man von einem folchen
fprechen darf, eine wahrhaft artiftifche Auf-
faffung. Das foll in Erwägung deffen, daß die
Werke juryfrei aufgenommen wurden, nach-
drücklich betont werden.
Die andere Äusftellung, die des jungen Bar-
tolomäus Pör im KUNSTSALON KÖNYVES
KÄLMÄN bietet uns das Schaufpiel heftigen
Kampfes für eine neue Kunftfprache, wobei
andere hödiftwichtige Fragen der Kunftfchöpfung
unberückfichtigt bleiben.
Pör hatte feine Studien in der jüngftver-
gangenen Zeit angefangen, als das Prinzip l’art
pour l’art unanfechtbar zu fein fchien. Er be-
kannte fich ohne Vorbehalt zu diefer Doktrine
und zog daraus in der Folge der Zeit immer
weitere Konfequenzen. Er ift in kurzer Zeit
beliebter Porträtift geworden, doch fcheint ihn
das Bildnis pfychologifch nicht befonders inter-
effiert zu haben. Seine Gemälde find, anfangs
fein differenziert, fpäter in der denkbar breite-
ften Flächen gehalten, bloß der Kunftfertigkeit
willen gefchaffen worden.
Vor etwa drei Jahren ftellte fich bei dem
Künftler ein radikaler Umfchwung ein. Er griff
zu einer äußerft primitiven, fynthetifchen und
linearen Formengebung. Sein erftes großes Bild
in diefem Stile, die Porträtgruppe, die er voriges
Jahr in Budapeft und Berlin (anläßlich der Äus-
ftellung ungarifcher Maler in der Sezeffion) und
nun wieder bei Könyves Kaiman ausgeftellt hat,
fand im allgemeinen keinen Beifall und kann
audi nicht gerühmt werden. Es weift nämlich
weder intenfive Beobachtungen, noch finnreiche
Äbftraktionen auf.
Die neuefte große Leinwand — drei Aklfiguren
in einer bergigen Landfchaft — läßt die Ein-
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