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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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Heft. 1
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Stoermer, Curt: Paula Modersohn
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0028
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PAULA MODERSOHN

Augen, denen man nicht gleich
glaubt. Aber dann nach einer
fchweren Arbeit, wo die Sinne
[ich in eins zu verfchmelzen trach-
ten, fteht es da, das Bild, und
man ift über alles glücklich und
frei. Ähnlich fühlen wir ihr Schaf-
fen befchrieben in ihren Briefen
und Tagebüchern (f. „Güldenkam-
mer“ 1913, Heft 4—8).

So ift wirklich diefe Kunft aus
Urtiefen geboren. Sie im moder-
nen Sinne Malerei zu nennen, ift
faft zu wenig anfchaulich. Ihr
fehlen fo gänzlich die tendenziöfen
Allüren des Pinfelftrichs, das Her-
kömmliche in der Begründung des
Farbenfehens und der Zeichnung.
Alles ift bei ihr auf eine einzige
große Wirkung hingearbeitet und
ein einziger Ausdruck. Und man
vermißt fo ganz das Spielerifche
und Künftliche des Farbenmaterials.
Alles ift wie aus Erde und Natur
gefchaffen, mit genialen Händen
geformt.

Heute darf ihr Werk illuforifch genannt werden für den Bildftil der Gegenwart.
Sehen wir zu Böcklin, Hans von Marees, Cezanne und van Gogh: Mit all diefen
Größten berührt fie fich, wenn wir vergleichen, in der innerften Wurzel des Schaffens.
Als Schülerin von Mackenfen wurde ihr ein Weg von großer Objektivität und Gerad-
heit gewiefen, ein Weg der Arbeit und des fteten Sichverfenkens in den Ausdruck der
Natur. Sie fchreibt einmal: „Mackenfen fagt: Die Kraft ift das Allerfchönfte, im An-
fang war die Kraft. Ich denke und erkenne es auch, und dodi wird in meiner Kunft
die Kraft nicht Leitton fein. In mir fühle ich es wie ein leifes Gewebe, ein Vibrieren,
ein Flügelfchlagen, ein zitterndes Ausruhen, ein Atemanhalten. Wenn ich einft malen
kann, werde ich das malen.“ Der Einfluß Mackenfens zeigt fich in einer Reihe intimer
Studien, wo fie eine realiftifch ausdrucksvolle Darftellung verfucht. Es liegt jedoch
fdion etwas Dramatifierendes darin, wie fie Fleifchtöne ganz licht gegen Dunkelheiten
malt. Verfchiedenheiten des Stofflichen werden ftark zum Ausdruck gebracht, wie z. B.
dunkle Arbeitshände auf zart durchfichtiger Haut ruhen. Eine bewußte Durchbildung
des Details ift auffallend. Beifpiele hierfür wie die „Stillende Mutter“ und die „Bäuerin
im Halbakt“ find gewiß ftarke Zeugniffe ihrer Perfönlichkeit, dodi gewinnen fie erft
bei deren näherer Kenntnis für uns eine intimere Bedeutung.

Allmählich mit ihrem bewußten Vordringen in die Körper und die Farbe fehen wir
eine Befreiung von der Detailmalerei eintreten und zwar in jenen Studien, deren
Eigenart und unmittelbare Sprache man zuerft erkennt. Es ift forgfam darauf ein-
zugehen, wie Paula Moderfohn zu diefen Dingen gelangte, denn diefe Nähe zur Ein-

Äbb. 2. PflULR MODERSOHN, Kinderbildnis. 1904

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