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Der Cicerone: Halbmonatsschrift für die Interessen des Kunstforschers & Sammlers — 6.1914

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4. Heft
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Bombe, Walter: Alte peruginer Gebildwebereien, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.26375#0141
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ALTE PERUGINER GEBILDWEBEREIEN

vom Anfang des 15. Jahrhunderts1 finden wir „due guardanappe di braccia 10Va l’una,
con una verga, vermegla per testa, figurata con leoni, di bambagia nera“, ferner
„una guardanappa usa, con verghe a ucellini“. Diefe Dekorationsmotive find identifch
mit denen, die uns in Perugia begegnen, aber unter den noch erhaltenen Peruginer
Geweben diefer Art konnten bisher folche mit Dekor in fchwarzer Farbe nicht nach-
gewiefen werden.

Von großer Wichtigkeit fcheint uns das im Jahre 1482 aufgeftellte Schaßverzeichnis
des Domes zu Siena zu fein, dem wir die intereffante Nachricht entnehmen, daß
„tovaglie e guardanappe a la perugina“ für den Hochaltar Verwendung fanden.2 Mag
man die Bezeichnung „a la perugina“, die hier urkundlich überliefert wird, als An-
gabe der Herkunft, oder aber als Merkmal anfehen, das diefe Webereien von anderen,
ähnlichen unterfcheiden follte, —- auf jeden Fall ift der Hinweis auf Perugia von Be-
deutung. Auch die Angaben der Dekorationsmotive, auf zweien diefer Altartücher
„bracchi e cavalli“, auf drei anderen „draghi et leoni“ führen uns auf Perugia, wo
wir diefe Motive häufig genug finden.

Den Befchluß mögen drei oberitalienifche Städte, Venedig, Vercelli und Verona
machen. In Venezianer Inventaren hat der verftorbene Guftav Ludwig eine große
Anzahl von „tovaglie inoxeladi“ und „tovaglie a la peroxina“ nachgewiefen, die er
felbft für perfifchen Urfprunges hielt, in einem ungedruckten Statut von Vercelli fand
Du Cange die Stelle: „De toaliis uxellatis pro qualibet pariete solidos decem pap.“ In
der Stadt der Scaliger aber bietet uns das Inventar der Cafa Aleardi von 1407® eine
reiche Auswahl von „toallee cum capitibus ab oxellis, cum verghis“ und anderen Ge-
weben ähnlicher Art.

VII.

So hat (ich denn, wenn wir den Gang unferer Unterfuchung nochmals überblicken,
als Hauptergebnis die Feftftellung ergeben, daß diefe eigentümlichen Gebildwebereien
eine Spezialität des Peruginer Kunftgewerbes find. Daß die „tovaglie perugine“ nicht
etwa bloß eine untergeordnete oder vorübergehende Bedeutung hatten, dürfen wir mit
Recht aus den oben zufammengeftellten, aus drei Jahrhunderten und aus vielen Städten
Italiens ftammenden Urkunden und aus der großen Menge des noch erhaltenen, ja
bisweilen noch heute in Gebrauch befindlichen Materiales fchließen. Ob aber auch die
zahlreichen ähnlichen, nicht blau-weißen Gewebe, wie fie z. B. das Germanifche National-
Mufeum in Nürnberg, der Zentral-Gewerbeverein in Düffeldorf und das South Kenfington-
Mufeum in London befißen, Gewebe, die in Form und Aufbau, wie in der Durchbildung
der Mufter im einzelnen, von den fieberen Peruginer Stücken abweichen, auch aus der
Hauptftadt Umbriens ftammen, das möchten wir vorläufig bezweifeln. Durch das Be-
achten der vielen bereits publizierten und der noch viel zahlreicheren unedierten Inventare
und ihrer bisweilen fehr ausführlichen Befchreibungen Peruginer Gewebe, fowie durch Her-
anziehen der bildlichen Wiedergaben diefer Tücher auf Gemälden alter Meifter ergaben
fich ferner einige Anhaltspunkte, die uns ermöglichten, die Entwicklung ihrer Dekorationen
aufzuzeigen. Schließlich führte das Studium der Motive diefer Dekorationen auf die
gemeinfame Wurzel der italienifchen Textilkunft des Mittelalters, den Orient.

1 C. Mazzi in „Bollettino Senese di Storia Patria“ VI, 1899.

2 Borghefi u. Banchi, „Nuovi Documenti per la Storia dell’Arte Senese“, p. 311.

3 C. Cipolla in „Libri e Mobilie di Casa Aleardi al principio del sec. XV“ in „Ardrivio Veneto“,
Tomo XXIV Pars I, p. 46—47.

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